Jahn Regensburg:Mal wieder Depression im Herbst

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Ein Punkt aus vier Spielen: Wie in den vergangenen Jahren gerät Jahn Regensburg nach gutem Start in die Krise. Trainer Herrlich erahnt einen Mangel an Gier und will ihn mit mehr Training und Appellen an die Mentalität beheben.

Von Max Ferstl

Am Mittwoch hat Markus Palionis beim Training vorbeigeschaut. Es war kalt, aber immerhin regnete es nicht. Während sich seine Kollegen dehnten, plauderte Palionis, der Kapitän des SSV Jahn Regensburg, am Spielfeldrand mit Trainer Heiko Herrlich. Am zweiten Spieltag ist das Außenband in seinem Knie gerissen. Weil auch das Kreuzband etwas abbekam, wird Palionis erst in der Winterpause wieder einsteigen. Trotzdem übernimmt der 29-Jährige in diesen Tagen seine gewohnte Rolle: die des Antreibers.

Vor der Einheit hat Trainer Heiko Herrlich mit dem Team die jüngste Niederlage besprochen, ein 1:3 in Bremen. Palionis war in der Diskussion einer der Wortführer. Als der Jahn 0:4 in Zwickau verlor, erklärte Palionis in der Kabine unverblümt, was er von der Leistung hielt. Herrlich schätzt das: "Die Jungs hören auf ihn, wenn er eine Ansage macht."

Aktuell gibt es einiges zu besprechen: nur ein Punkt aus vier Partien, dazu Niederlagen gegen die Kellerkinder Werder Bremen II und Mainz 05 II. Für Palionis steht fest: Der Jahn durchleide eine "Herbst-Depression". Mal wieder.

Sie hat mittlerweile das chronische Stadium erreicht. In der Saison 2014/15 holte Regensburg zwischen September und Dezember mickrige vier Punkte, manövrierte sich dadurch in eine aussichtslose Position und stieg am Ende ab. Im Vorjahr gelangen dem Aufstiegsfavoriten in der Regionalliga ab Oktober nur zwei Siege in neun Spielen. Die Trainer Alexander Schmidt und Christian Brand verloren jeweils ihren Job.

Noch trennen den Jahn fünf Zähler von einem Abstiegsrang - und nur vier von Platz drei

Herrlich verbringt gerade seinen ersten Herbst in der Domstadt. Von einer Depression möchte er nicht sprechen, weil das nach Resignation klingt. Doch der 44-Jährige hat sehr wohl "Parallelen" erkannt.

Der Jahn ist einmal mehr gut in eine Spielzeit gestartet (vier Spiele, zehn Punkte) und hat daraufhin erneut den Faden verloren (zehn Spiele, acht Punkte). Noch trennen Regensburg fünf Zähler von einem Abstiegsrang. Weil sich die Mannschaften im Mittelfeld der Tabelle dicht drängen, fehlen andererseits sogar nur vier auf den Aufstiegs-Relegationsplatz. "Hätte mir das vor der Saison jemand angeboten, ich hätte sofort unterschrieben", sagt Palionis, der findet: "Wir sind zwei Schritte weiter als in den Vorjahren."

Trotzdem schwächen auch im Herbst 2016 bekannte "Symptome" (Herrlich) das Regensburger Spiel. Die Abwehr präsentiert sich ähnlich löchrig wie vor einem Jahr. Mit 24 Gegentoren stellt Regensburg die viertschwächste Defensive der Liga. Herrlich ist sich sicher: "Wenn du so viele kriegst, wie momentan, steigst du ab."

"Wir gewinnen zwei Spiele und sind dann zufrieden. Diese Eigenschaft ist gefährlich."

Seit Saisonbeginn fehlen drei wichtige Innenverteidiger: der hinkende Kapitän Palionis, Ali Odabas, der sich in der Vorbereitung das Kreuzband riss, und Sebastian Nachreiner, der demnächst immerhin zu einer validen Option werden dürfte. Bisher bildeten Marvin Knoll und Sven Kopp die Innenverteidigung. Beide sind eigentlich im Mittelfeld zu Hause. Sie machen insgesamt "einen guten Job", findet Herrlich. Doch zuletzt schlichen sich Fehler ein: Die Bremer hebelten die Jahn-Defensive bei allen drei Toren mit einem einfachen, langen Ball aus. In Mainz produzierte Kopp, 21, etwas ungeschickt einen Foulelfmeter. "Er ist jung und nach einer Verletzung erst spät zur Mannschaft gestoßen - da muss man Fehler zugestehen", meint Herrlich. Und nennt ein anderes Problem: "Wir versemmeln vorne mehr Chancen, als wir hinten zulassen." Die eigentliche Ursache für die aktuelle Form-Delle vermutet Herrlich allerdings im Kopf: "Es fehlt in entscheidenden Momenten die Gier. Wir gewinnen zwei Spiele und sind dann zufrieden. Diese Eigenschaft ist gefährlich."

Herrlich erzählt von seiner Zeit als Bundesligastürmer bei Borussia Dortmund. Davon, wie Stefan Reuter oder Matthias Sammer die Mannschaft unablässig angetrieben hätten. "Da ist doch nicht der Ottmar (Hitzfeld Anm. d. Red.) da gestanden und hat gesagt: Heiko, du musst schneller laufen. Der Druck kam aus der Mannschaft." Das gelingt seinen Spielern bisher nicht, zumindest nicht konstant. Herrlich muss von außen Spannung ins Team tragen; indem er die Frage nach der Mentalität stellt oder die trainingsfreien Tage beschneidet.

Umso wichtiger sind für ihn Antreiber wie Palionis. "Du brauchst Spieler wie Palle, die intern...", Herrlich beendet den Satz nicht, sondern ballt langsam die Hand zur Faust als würde er den letzten Rest aus einer Zahnpasta-Tube quetschen. Die Tube ist nicht leer, aber es ging schon mal wesentlich leichter.

© SZ vom 11.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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