Süddeutsche Zeitung

Jahn Regensburg:Ecke, Tor, Ecke, Tor

Neun Punkte Vorsprung, noch vier Spiele: Dank neuer Qualitäten gelingt dem SSV Jahn gegen Darmstadt ein großer Schritt zum Klassenverbleib.

Von Johannes Kirchmeier

Nicht einmal eine halbe Stunde lag zwischen diesen beiden Szenen, von denen die zweite am Ende wohl ziemlich sicher in der Rückschau des SSV Jahn Regensburg auf die Saison vorkommen dürfte, die erste aber nicht - obwohl sie sicher ihren Anteil an der zweiten hatte: Weit vor dem Anpfiff des Zweitliga-Spiels des SSV Jahn Regensburg gegen den SV Darmstadt 98 schnappte sich der Jahn-Innenverteidiger Marcel Correia am Samstag einen Betreuer fernab seiner Mannschaftskollegen. Er ließ sich die Bälle zuschmeißen und köpfte sie nach und nach wieder in die Arme des Betreuers. Das Timing stimmte, immer wieder war Correia mit seinem Kopf gerade an der höchsten Stelle angekommen, als er den Ball traf. Dieser Umstand ist für einen oftmals in der Luft geforderten Zweitliga-Verteidiger kein schlechtes Zeichen.

Eben jener Correia war es, der in der siebten Minute der Partie dann auch tatsächlich sein erstes wichtiges Kopfballduell im Strafraum gewann. Nach einer Ecke von Chima Okoroji erzielte er das wegweisende 1:0 beim 3:0 (1:0)-Sieg des SSV Jahn. Das war die zweite Szene von Correia - jene, die in den Saison-Rückschauen vorkommen dürfte. Denn nur dreimal gewannen die Oberpfälzer seit der Zweitliga-Rückkehr 2017 höher. Und noch viel wichtiger: Im Kampf um den Klassenverbleib gelang ihnen ein "Riesenschritt", wie der Torschütze zum 3:0, Jann George, sagte. "Gesichert sind wir noch nicht. Das ist rein mathematisch nicht möglich", bremste sein Trainer Mersad Selimbegovic etwas die Euphorie. Trotzdem sah er einen "ganz, ganz wichtigen Sieg in einer wichtigen Phase". Sein Klub, der nach der Fußballpause ungeschlagen bleibt, ist nach dem ersten Erfolg seit acht Partien mindestens kurzfristig aus dem Gröbsten raus: Neun Punkte Vorsprung haben die Regensburger (39 Zähler) als Zehnter auf den Relegationsplatz 16 - bei noch vier ausstehenden Spielen.

Trainer Selimbegovic rechnet vor: Mehr Standardtore, mehr Punkte

Gelingt der Ligaverbleib, würde Correias erstes Tor seit November 2018 fast sinnbildlich für die drei Jahre zweite Liga stehen, in denen sich der Jahn immer wieder beherzt in die Duelle mit vermeintlich stärkeren Gegnern warf und immer wieder überraschend siegte. Mit unbändigem Willen schmiss sich Correia nun in den Ball und traf ihn mit der Seite des Kopfes, sein Gegenspieler Matthias Honsak hüpfte gar nicht hoch zum Luftkampf. Vor dem Spieltag war Darmstadt 98 noch das stärkste Rückrundenteam der Liga, nach dem Spieltag haderte der Trainer Dimitrios Grammozis: "Ich glaube, heute hätten wir noch zehn Stunden spielen können und hätten kein Tor erzielt." Zu konsequent verteidigten die Gastgeber an diesem Nachmittag gegen das spielbestimmende Team - und als das einmal doch nicht der Fall war, als Sebastian Stolze den Darmstädter Nicolai Rapp im eigenen Strafraum foulte: Da hatte der Jahn dann das Glück, dass Tobias Kempe den Ball beim Strafstoß übers Tor schoss (66. Minute).

Und vorne stach der SSV dieses Mal kaltblütig zu. Nach den Partien gegen Nürnberg und in Osnabrück (je 2:2), in denen sich das Team eher als warmherzig hervorgetan hatte und die Gegner jeweils nach Führungen zurück ins Spiel kommen ließ, trat der Jahn nun mit diesem "letzten Punch" an, den Selimbegovic vor dem Wochenende gefordert hatte. Viermal schossen die Regensburger aufs Tor, das führte zu drei Toren und einem Pfostenschuss. Kurioserweise schmiss der Stadion-DJ auch beim Innenpfosten-Treffer des Dänen Andreas Albers die Tormusik an, drehte sie aber gleich wieder ab. Laufen lassen durfte er sie dagegen beim Oberschenkel-Tor des Sechsers Max Besuschkow, der zum 2:0 traf - ebenfalls nach einer Okoroji-Ecke (52.). Erstmals seit dem 14. Spieltag haben die Regensburger überhaupt nach einem Eckball ein Tor erzielt - und dann sprangen gleich zwei solche Standardtore heraus. "Diese Woche haben wir verstärkt daran gearbeitet, weil wir in den letzten zwei Spielen so nah dran waren" sagte Selimbegovic. "Ich wünsche mir, dass das noch öfter so klappt, weil Standardtore in der zweiten Liga brutal wichtig sind. Wenn wir mehr auf dem Konto haben, bedeutet das automatisch mehr Punkte." Der Flügelstürmer Jann George traf später zum 3:0 nach einem Patzer von SVD-Abwehrmann Rapp, der ihm den Ball mit der Brust vorlegte (77.). Da fiel es dann letztlich nicht mehr allzu sehr ins Gewicht, dass Erik Wekesser zuvor noch die gelb-rote Karte gesehen hatte (57.).

Durch den Sieg können die Regensburger mit etwas Ruhe ins Restprogramm starten. Am Samstag geht es zum Aufstiegsaspiranten Heidenheim, am Mittwoch darauf empfängt der SSV den 16. Karlsruhe. Und danach soll der Klassenverbleib aus Jahn-Sicht am besten auch mathematisch gesichert sein.

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SZ vom 08.06.2020
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