Jahn Regensburg:Bis zum Glockenläuten

SSV Jahn Regensburg - VfL Osnabrueck --- Fussball --- 25.03.2017 --- 3. Liga

Hauptsache verteidigen: Jahn-Mittelfeldspieler Andreas Geipl (Mitte oben) setzt zwar erfolgreich Osnabrücks Nazim Sangare zu. Spielerisch kam nach der Regensburger Führung allerdings nicht mehr viel.

(Foto: Eibner-Pressefoto)

"Wir haben hier noch einiges zu tun": Regensburg scheitert im Spitzenspiel gegen VfL Osnabrück an der eigenen Zufriedenheit und an der Gier zur Unzeit.

Von Thomas Gröbner

Zahlen sind Wahrheiten, diesen wackligen Glaubenssatz versucht das handelnde Personal im Fußball seiner Umwelt oft zu soufflieren. In Regensburg wurde zuletzt mit allerlei Zahlen hantiert, mit großen mit vielen Nullen, und sehr kleinen mit sehr wenig Nullen, und aus diesen Zahlen ließen sich dann allerhand Möglichkeiten und Unmöglichkeiten ableiten. Die vom Regensburger Trainer Heiko Herrlich zum Fixpunkt erhobene Zahl heißt 45. Bis diese Punktzahl erreicht sei, stecke seine Mannschaft im schnöden Kampf gegen den Abstieg. Und danach? Da braucht es neue Zahlenspiele und Wahrheiten. Zwei Punkte fehlen noch. Durch die Niederlage gegen den VfL Osnabrück haben die Verantwortlichen in Regensburg noch einmal Ruhe vor der Frage, wie es eigentlich nun weitergehen soll. Zumindest kurz.

Irgendwann verließ die Regensburger der Glaube an die eigene Stärke und ans Glück

Man lief ja am Samstag im Spiel gegen Osnabrück ernsthaft Gefahr, diese ausgegebene Schallmauer von 45 Punkten zu durchbrechen. Zumindest sah es bis zur 77. Minute mit diesem Vorhaben ganz gut aus. Da führte der Jahn durch einen abgefälschten Schuss von Erik Thommy mit 1:0 (35.), die Sonne schien, und jeder gefährlich anmutende Ball der Gegner (und davon gab es viele) hoppelte dann doch letztlich harmlos am Pfosten vorbei oder klatschte brav in die Handschuhe von Jahn-Schlussmann Philipp Pentke. Ganz nebenbei hatte das Regensburger Publikum auch noch für einen Rekordbesuch in einem Drittligaspiel gesorgt. Folgsam hatten sie den Aufruf "Volle Hütte" befolgt, mit 10 216 Zuschauer konnte man locker die eigene Marke aus dem Februar 2015 verbessern. 8742 Zuschauer waren damals gegen Dynamo Dresden ins alte Jahnstadion gekommen. Doch trotz aller guten Vorzeichen verließ die Regensburger irgendwann der Glaube an die eigene Stärke und ans Glück. Bei der Ursachenforschung danach, warum die Regensburger scheinbar plötzlich Angst vor der eigenen Courage bekamen, musste man mehrere Gesprächspartner abklappern, bis man an einen geriet, der eine schlüssige Erklärung parat hatte: Erik Thommy. "Wir gehen in die Halbzeit, um das Ergebnis zu halten." Man habe folglich nur noch verteidigt und aufgehört, Fußball zu spielen. Das galt für Thommy ganz wörtlich, denn er musste in der 74. Minute vom Feld, begleitet mit warmen Applaus, schließlich war er einer der umtriebigsten Regensburger. Für ihn wurde Verteidiger Marcel Hofrath eingewechselt, Sicherheit im Tausch gegen Kreativität, das war die Botschaft dieses Wechsels von Trainer Herrlich. Bloß nichts mehr riskieren.

Er hatte diese Schwankungen seines Teams zuletzt mit einem Körperteil erklärt, mit dem man im Fußball nur selten erfolgreich ist. Mit dem Bauch. "Zu viel Lob" habe seine Spieler satt und zufrieden gemacht, einzelne Spieler seien nicht mehr bereit, "so viel zu geben". Woher also dieses Völlegefühl in der zweiten Halbzeit rührte, als Osnabrück den Gegner mit Wucht und Willen fast erdrückte? Die Abwesenheit des gelbgesperrten Marco Grüttner, mit elf Toren der zuverlässigste Lieferant von Erfolgserlebnissen, mag ein Teil der Antwort sein, die Vertretung Haris Hyseni konnte ihn nicht ersetzen. Eine andere Antwort könnte sein, dass der Gegner sich vehementer zu seinen Ambitionen bekennt. "Die wollen auch nach oben", sagte der betröppelte Alex Nandzik, und tatsächlich. Osnabrück stieß mit 45 Zählern vor auf den Relegationsrang drei, der Jahn purzelte in der Tabelle auf Rang fünf.

"Wir haben hier noch einiges zu tun", antwortet Thommy in Baumarkt-Anpacker-Manier auf Fragen nach der Zukunft des Jahn, und seiner eigenen Rolle dabei. Ob dieser hochtalentierte Thommy auch in Zukunft zum Personal des ambitionierten Aufsteigers gehören wird, ist eine der offenen Fragen, die sie in Regensburg umtreibt. Schließlich ist er eigentlich an den Bundesligist FC Augsburg gebunden, in Regensburg ist er nur leihweise. Weitere Baustellen betreffen die Sponsorensuche, nachdem Bauunternehmer und Jahn-Gönner Volker Tretzel wohl in eine Korruptionsaffäre verwickelt ist. "Der Jahn ist dort grundsätzlich Zeuge", betonte Geschäftsführer Christian Keller in der Halbzeit einmal mehr.

Die Gier, die Trainer Herrlich vermisst hatte, sie übermannte Jahn-Verteidiger Sebastian Nachreiner dann zur Unzeit. Der Ausgleich war schon gefallen, da warf er sich in den letzten Sekunden euphorisch in den Zweikampf mit VfL-Angreifer Wriedt, der den Verteidiger abprallen ließ - und zum Sieg einschoss (89.). In die letzten traurigen Gesichter der Regensburger schnitt der Bayerische Rundfunk, der auf die Regensburger Enttäuschung zoomte, dann einen sachdienlichen Hinweis. "Glockenläuten aus der Auferstehungskirche in Traunstein entfällt." In welchen Zusammenhang dieser Programmverlauf mit dem Spielverlauf stand, darüber war auch von Heiko Herrlich nichts mehr zu erfahren.

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