Ivica Olic:Zu Ende gerackert

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Der kroatische Stürmer gibt nach 20 Profijahren in einem Interview sein Karriereende bekannt, hält sich jedoch noch ein Hintertürchen offen.

Von Johannes Kirchmeier

Als er sein 20. Profijahr einleitete, wusste Ivica Olic noch nicht, dass es sein turbulentestes werden würde. Olic saß am Donnerstag, den 28. Juli 2016, im Pressestüberl des TSV 1860 München. Er lehnte sich in einem Ledersessel zurück erwartete in aller Ruhe die Fragen der Fragesteller. Ivica Olic, damals 36, hatte eben schon viel erlebt. Er wirkte in diesem Moment wie der leibhaftige Fußballer-Opa, als der er zuvor so oft zu Unrecht bezeichnet worden war; und vor allem wirkte er so ganz anders als der chaotische Klub, auf dessen Trainingsgelände er sich mit seinem Ledersessel befand. Der TSV 1860 München stellte Olic an diesem Nachmittag im vergangenen Juli als Zugang vor. Der wusste es damals noch nicht, aber sein 20. Profijahr könnte nun sein letztes gewesen sein.

Der Kroate hat am Samstag mit einem Interview in der Bild-Zeitung vorläufig seine Karriere beendet: "Ich bin bereit, meine Fußballschuhe an den berühmten Nagel zu hängen", sagte der mittlerweile 37-Jährige. "Ich denke, dass ich mit ruhigem Gewissen aufhören kann." So ruhig scheint sein Gewissen aber doch nicht zu sein. Am Sonntag gab er in der kroatischen Zeitung Sportske Novosti zu bedenken: "Vielleicht habe ich mein letztes Match gespielt, vielleicht auch nicht. Ich wusste, dass die Bild das Interview veröffentlicht, aber es steht noch nicht fest", sagte der Stürmer. "Wenn es ein Angebot gibt, könnte ich weiterspielen."

Olic beherzigte in seiner Karriere das berühmte Oliver-Kahn-Credo

Vermutlich nagt noch ein bisschen die letzte Spielzeit an ihm, schließlich bekam seine Karriere just in jener Saison einen schwarzen Fleck - wie eine Sahnetorte, die zu lange in der Sommersonne steht. Denn der allseits bekannte Arbeiter Olic, der stets kämpfte und nie aufhörte, dem Fußball nach zu rackern, stieg erstmals ab.

Das war ihm zuvor nicht mit NK Marsonia Slavonski Brod in Kroatien passiert, wo seine Karriere begann. Nicht mit Hertha BSC, nicht mit ZSKA Moskau und schon gar nicht mit dem FC Bayern, dem VfL Wolfsburg oder dem unabsteigbaren Hamburger SV, der in fünf Spielzeiten auch durch Torgarant Olic über dem Strich blieb. Dabei war der Kroate mit großen Zielen zu 1860 gekommen: "Wir wollen gemeinsam mehr erreichen als in den vergangenen zwei Jahren", sagte er. Zuvor war man knapp nicht abgestiegen.

Die Jüngeren fragten ihn anfangs: "Wie kann man mit so vielen Jahren so fit sein?" Er selbst sagte: "Ich glaube an eines: nur an Arbeit." Olic beherzigte das berühmte Oliver-Kahn-Credo "Immer weiter" vielleicht noch mehr als der Torhüter selbst. Er sammelte daher in seiner Karriere Spitznamen wie andere gelbe Karten: Nähmaschine, Duracell-Hase, Kilometerfresser, Pferdelunge, Kampfschwein. Jeden Sprint konnte er beim TSV aber nicht mehr mitgehen, seine Batterie wurde schwächer, der Unverwüstliche wurde verwüstlich, laborierte eine Zeit lang an Knieproblemen. Dennoch wirkte er lange zufrieden, es hätte sich ja ein Kreis für ihn schließen können: In der zweiten Liga bei NK Marsonia, unweit seines Geburtsorts Davor, fing er an, in der zweiten Liga sollte er aufhören.

Seine größten Stunden feierte der Fußballer Olic im roten Leiberl

Doch Anfangs- und Endpunkt fanden nicht zusammen, der TSV 1860 muss nach dem Abstieg künftig in der viertklassigen Regionalliga Bayern starten. Olic, der als pflegeleicht galt, nahm das Chaos der Sechziger an: Er wurde im Oktober zwei Spiele gesperrt, weil er auf Zweitligapartien wettete. Nun lautet sein Fazit: "Es ist schade, dass es jetzt mit einem Abstieg endet. Doch bei den Löwen lag schon lange vieles im Argen." Der Kroate, der mehr als die Hälfte seiner Karriere in Deutschland verbrachte, wurde zum Zuschauer, aber auch zu einem Verlierer des Streits zwischen Klub und Investor Hasan Ismaik. "Als wir ganz gut in der Tabelle standen, aber mathematisch noch nicht gerettet waren, wurde einigen Spielern gesagt, dass man für die neue Saison nicht mehr mit ihnen plant", sagte Olic jüngst der Sport-Bild. Und genau diese Spieler sollten dann in der Relegation gegen Regensburg "die Kohlen aus dem Feuer holen, so was klappt einfach nicht".

Seine größten Stunden als Fußballer feierte Olic ohnehin nicht im blauen Trikot, sondern in roten Leiberl und unter Flutlicht: 2010 führte er den FCB mit sieben Toren ins Finale der Champions League und holte das Double aus Meisterschaft und DFB-Pokal. Mit Moskau gewann er 2005 den Uefa-Cup, 2009 und 2010 war er Kroatiens Fußballer des Jahres, er hat für sein Heimatland 104 Länderspiele bestritten: "Es ist ein Traum für mich, so lange auf hohem Niveau gespielt zu haben."

Nun will er sein Wissen aus mindestens 20 Profijahren weitergeben. Er plant, sobald er die Karriere endgültig beendet hat, einen Trainerlehrgang zu beginnen, um die nächste Generation anzuleiten. Die wartet auch schon hinter der eigenen Haustür: Olic hat seine Kinder Luka und Toni genannt - ja, die heißen wirklich so. Mit diesen Vor- und Nachnamen können eigentlich nur erfolgreiche Stürmer aus ihnen werden.

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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