Italiens Sieg bei der Fußball-WM:England zerschellt an cleveren Italienern

Italiens Sieg bei der Fußball-WM: Kommt ein Balotelli geflogen: Italiens Stürmer erzielt per Kopf das 2:1 gegen England.

Kommt ein Balotelli geflogen: Italiens Stürmer erzielt per Kopf das 2:1 gegen England.

(Foto: AP)

Trotz der Hitze am Amazonas entwickelt sich zwischen England und Italien ein sehr ansehnliches Vorrundenspiel. Am Ende freuen sich die Italiener über ein 2:1 - weil Mario Balotelli wieder einmal das Schreckgespenst gibt. Die Engländer lernen immerhin, dass man im Dschungel ordentlich Sport treiben kann.

Von Boris Herrmann, Manaus

"Italia, Italia", schallte es am Ende durch den Dschungel. Klar, die Italiener hatten 2:1 gegen England gewonnen. Aber andererseits auch wieder nicht so klar. Denn der Dschungel ist derzeit voller Engländer. Die britischen Fans waren selbstredend auch an diesem Abend in der Arena da Amazonia in der Überzahl. Aber zu hören war das nicht unbedingt. Die ortskundigen Zuschauer hielten größtenteils zu den Spielern in den blauen Trikots. Wahrscheinlich hatten sich die Engländer für ihren Geschmack ein bisschen häufig über die Bedingungen in der WM-Stadt Manaus beklagt.

Dabei war ja nicht nur von Seiten britischer Expeditionsmitglieder angezweifelt worden, ob es an diesem verwunschenen Ort inmitten des Regenwaldes überhaupt möglich sei, ein ordnungsgemäßes Fußballspiel auszutragen. Inzwischen weiß man: Geht schon. Die Sonne verschwand bereits vor dem Anpfiff hinter dem Stadiondach. Und die berüchtigte tropische Luftfeuchtigkeit büßte zumindest ein klein wenig von ihrem Schrecken ein, weil hin und wieder eine angenehme Rio-Negro-Brise durch die Arena wehte.

Auch das Spielfeld, das vorab für so viel Aufregung gesorgt hatte, war einem Rasen nicht unähnlich. Medienberichte, wonach zahlreiche braune Flecken im letzten Moment mit grüner Farbe übersprüht worden seien, wurden vom Greenkeeper in Manaus vehement dementiert. Es habe sich vielmehr um ein handelsübliches Düngemittel gehandelt. Am Ende kickten jedenfalls elf gegen elf Männer auf einer grünen Fläche. Weit oben kreisten ein paar Raubvögel. Ansonsten sah das schon verdächtig nach Fußball aus.

Schwitzen musste man natürlich trotzdem, wenn man hier Punkte holen wollte. Deshalb war es wenig erstaunlich, dass alle darum bedacht waren, mit ihren Kräften sorgsam zu haushalten. Zum gegnerischen Tor schien es den meisten Akteuren zunächst zu weit zu sein. Und so entwickelte sich ein kleines Fernschussfestival, durchaus auf Augenhöhe. Die Briten fingen an. Die Versuche von Reheem Sterling, Jordan Henderson und Danny Welbeck prallten allerdings alle gegen einen als Textmarker verkleideten Torhüter, der erstaunlicherweise nicht Gianluigi Buffon hieß.

Die Italiener hatten kurzfristig auf ihren Weltmeister, Rekordnationalspieler, angehenden Ehrenspielführer und mutmaßlich ewigen Schlussmann verzichten müssen. Er war im Abschlusstraining umgeknickt. Stattdessen hütete der verhältnismäßig kindliche Salvatore Sirigu, 28, von Paris St. Germain den Kasten.

Überall Pirlos

Italiens unangefochtener Alterspräsident war an diesen Abend mithin Andrea Pirlo, 35. Dem wohl einzigen Mensch, der im Trabschritt ein WM-Spiel organisieren kann, konnten die Bedingungen offensichtlich nichts anhaben. Pirlo war dann selbstredend auch der Ausgangspunkt zur italienischen Fernschussführung.

Er verblüffte nach einer guten halbe Stunde die englische Defensive (und wahrscheinlich auch die gesamte Fußballwelt), in dem er den Ball ausnahmsweise mal nicht magnetisch anzog, sondern ihn nach einem effektvollen Annahme-Dummy durch seine Beine zum bereitstehenden Torschützen Claudio Marchisio kullern ließ. Wie man mit seinen Künsten begeistert, indem man sie richtig dosiert, das hat der große Pirlo an dieser Stelle in Vollendung demonstriert.

Jetzt mussten sich die Engländer also doch mal langsam zum gegnerischen Tor bequemen. Tatsächlich bequemten sie sich sogar ziemlich schnell dorthin. Über die Flügel suchten sie ihr Glück, dort wo keine Pirlos waren. Und drei Minuten nach dem Rückstand hatten sie das Glück dort auch schon gefunden. Wayne Rooney brach über links durch, Sturmspitze Daniel Sturridge drückte dessen Flanke am lebenden Textmarker vorbei, 1:1 (37.). Jetzt war Phase der abtastenden Fernschüsse endgültig vorbei. Jetzt war nämlich Pause.

Kurz nach dem Wechsel versuchten es auch die bis dahin sehr mittellastigen Italiener mal über die Seiten. Und siehe da, auch das klappte prima. Mario Balotelli, sonst der Schrecken aller deutschen Strafräume, musste eine präzise Hereingabe des - neben Pirlo - herausragenden Italieners Antonio Candreva nur noch über die Linie nicken (50).

Danach wurde die Phase der beherzten Flügelläufe leider zunehmend von einer Wadenkrampfphase abgelöst, die bis zum Schlusspfiff dauerte. Die Engländer schlugen noch ein paar Flanken hinters Tor und ein paar Fernschüsse übers Tor. Der große Pirlo setzte als Schlussakkord einen Freistoß gegen das Gebälk. Dann wurde es endgültig Nacht in Manaus. Die Italiener haben ihre ersten Punkte. Und die Engländer haben immerhin gelernt, dass man in Dschungel Fußball spielen kann. Grundsätzlich schon.

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