Italien-Profi Merkel und der DFB:Merkels Neustart mit 19

Alexander Merkel ist ein erstklassiger Techniker, ein Regisseur, einer aus dem Götze-Jahrgang. Doch Merkel ist aus Deutschland hinausgewachsen, bevor er angekommen war. Ein halbes Jahr herrschte sogar Funkstille zwischen ihm und dem DFB - nun bessert sich das Verhältnis zusehends.

Christof Kneer

So ein prominentes Bild wie von Mesut Özil gibt es von ihm noch nicht. Das Still-Leben von Özil mit der Kanzlerin in der Mannschaftskabine hat es ja zu einiger Berühmtheit gebracht, aber vielleicht ist es ganz gut, dass Alexander Merkel so einen Schnappschuss nicht zu bieten hat. A. Merkel neben A. Merkel, für Bildtexter birgt das zu viel Potential für alberne Witzeleien. Alexander Merkel, das nebenbei, hat schon mal neben Silvio Berlusconi gestanden, der hat ihm in der Kabine des AC Mailand sogar auf die Schulter gehauen. Ein Bild ist davon aber nicht im Umlauf, leider, oder vielleicht eher: Gott sei Dank.

AC Milan's Ibrahimovic celebrates with team mates Robinho and Merkel after an own goal scored by Cesena's Pellegrino during their Italian serie A soccer match in Milan

Freude beim AC Mailand: Alexander Merkel (rechts) jubelt mit.

(Foto: REUTERS)

Alexander Merkel, 19, spielt auch schon mit den großen Jungs, am Sonntag trifft er mit dem italienischen Erstligisten CFC Genua auf Udinese Calcio. In der Gazzetta dello Sport wird Merkel in Genuas Start-Aufstellung geführt, was wahrscheinlich stimmen wird, weil eine Zeitung, die auf rosa Papier druckt, niemals irren kann.

Es ist recht erstaunlich, dass das jugendbewegte Deutschland bisher kaum zur Kenntnis genommen hat, dass es ein junger Deutscher zur Stammkraft in der Serie A gebracht hat. Ein erstklassiger Techniker, ein Regisseur, einer aus dem Götze-Jahrgang! Aber Merkel ist ja aus Deutschland hinausgewachsen, ehe er angekommen war, und vielleicht ist seine junge Karriere auch zu unübersichtlich, um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

Merkel in Kurzform liest sich so: in Kasachstan geboren, mit den Eltern im Alter von sechs Jahren nach Deutschland gekommen, im Westerwald aufgewachsen, mit Elf zum VfB Stuttgart gewechselt und dann, mit 16, in die Jugend des AC Mailand. Dort hat er schon früh mit den Helden trainiert, mit Ronaldinho und Kaka, im vergangenen Winter feierte er kurz hintereinander sein Champions-League- und sein Punktspiel-Debüt. Seit Sommer 2011 spielt er in Genua, das sich den Spieler auf italienische Weise mit Milan teilt.

Merkel gehört beiden Klubs zu je 50 Prozent, wobei unklar ist, ob sein rechter Fuß dem AC Mailand gehört und sein linker Genua oder womöglich umgekehrt. "Ob ich im Sommer zu Milan zurückkehre, in Genua bleibe oder was anderes mache, ist offen", sagt Merkel. Er weiß, dass er Zeit hat. Milans Mittelfeld ist zwar prominent (van Bommel, Seedorf, Gattuso), aber zum Teil nur knapp jünger als Berlusconi.

Meister mit Milan

Merkel ist im vorigen Sommer Meister geworden mit Milan, er hat dabei zehn Spiele bestritten, was in der Heimat indirekt für Irritationen gesorgt hat. Merkel hat danach ein Interview gegeben, bei dem ihm ein, zwei leichtsinnige Formulierungen rausgerutscht sind. Nächste Saison wolle er bei Milan 40 Spiele bestreiten, dann könne man über die A-Nationalelf reden, meinte er etwas flapsig, und auf Nachfrage sagte er: "Als italienischer Meister ist die U19 nicht mehr mein Ziel."

Er hatte da gerade einen Lehrgang bei der deutschen U19 abgesagt, was ihm in Kombination mit den forschen Interview-Sätzen umgehend ein Image-Problem bescherte. Aha, der Herr Jungstar ist sich also zu fein, für eine Junioren-Nationalelf zu spielen - das war das Merkel-Bild, das nördlich des Brenners beim DFB ankam. "Das war ein Missverständnis", sagt Merkel heute, "ich hatte extra den damaligen U19-Trainer Ralf Minge gefragt, ob ich zum Lehrgang kommen oder mit Milan ein Spiel gegen Juventus bestreiten soll. Er hat signalisiert, dass ich spielen soll, aber das ist irgendwie untergegangen."

Eine halbes Jahr herrschte Funkstille zwischen Merkel und dem DFB, auch Bundestrainer Joachim Löw verneinte demonstrativ kurz angebunden, wenn ihn einer nach Merkel fragte. Vorige Woche aber, beim Jugendturnier in Sindelfingen, hat DFB-Manager Oliver Bierhoff plötzlich betont, dass Merkel beim A-Team "auf dem Zettel" stehe, und nun ruft auch DFB-Sportdirektor Matthias Sammer einen Neustart aus: "Die Scharmützel der Vergangenheit sind ad acta gelegt", sagt Sammer, "ich rechne es ihm hoch an, dass er diese Äußerungen bedauert."

Im November haben sie ihn wieder zur U20 eingeladen, "er hat da voll überzeugt", sagt Sammer. Er hat sich vorgenommen, Merkel demnächst anzurufen, er möchte ihm die neue, alte Wertschätzung des DFB persönlich übermitteln. Vielleicht werden sie ihn zur U21 durchbefördern, wobei Merkels Zentralposition nicht nur in der A-Elf (Özil, Kroos, Schweinsteiger, Götze), sondern auch in der U21 gut besetzt ist (Gündogan, Rudy, Holtby, Leitner).

Aber sie werden den hoch begabten jungen Mann nicht mehr aus den Augen lassen beim DFB. Sie wissen, dass er auch für Russland spielen könnte.

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