Deutsche Traditionsklubs seien gleichzusetzen mit Chaosklubs, heißt es oftmals abschätzig, und was soll man sagen? Noch ist nichts darüber bekannt, dass aus Gelsenkirchen, Hamburg oder München-Giesing eine Welle an anwaltlichen Abmahnungen ergangen wäre, wenn das böse Wort mal wieder in Zusammenhang mit den Vorgängen auf der Geschäftsstelle und/oder auf dem Rasen gebracht worden ist. Südlich der Alpen dagegen gibt es die Wortschöpfung des Traditionsklubs so nicht, was vermutlich daran liegt, dass (trotz regen Investoren-Engagements) noch keiner auf die Idee gekommen ist, RB Livorno oder Grana Padano 04 Bologna in der höchsten italienischen Spielklasse an den Start zu bringen. Aber Chaosklubs? Sì, sì! Und sie setzen sogar immer neue Maßstäbe in dieser Kategorie.
„Caos Piacenza“, urteilte die Gazzetta dello Sport mit Blick auf das, was sich am Mittwoch in der Emilia-Romagna zutrug. Denn da hat Piacenza Calcio, ein stolzer Verein, dem unter anderem die Inzaghi-Brüder Filippo und Simone entstammen, ein echtes Kunststück vollbracht: Drei Trainer an nur einem Tag waren beim (wegen Insolvenz) inzwischen viertklassigen Klub angestellt – auf diese Anzahl kommt sogar der FC Schalke 04 nur, wenn man die gesamte Saison betrachtet und einen Interimscoach dazu rechnet. In Piacenza jedenfalls flogen am Morgen erst Sportdirektor Alessio Sestu sowie der erfolglose Carmine Parlato raus, woraufhin Simone Bentivoglio als dessen Nachfolger installiert wurde und ein Vormittagstraining leiten durfte. Jener Bentivoglio hielt sich allerdings nur wenige Stunden im Job, weil er einst in einen Wettskandal verstrickt war und die Fans deshalb gegen die Personalie mobil machten, unter anderem mit einem Platzsturm bei besagtem Training. Bentivoglio räumte am Mittwochnachmittag seinen Posten für Stefano Rossini, den direkten Vorgänger des zuerst entlassenen Parlato. Nach Meldungslage von Donnerstag ist der 53-Jährige weiterhin im Amt.
Sogar der große Zampano wäre mutmaßlich stolz auf die Vorgänge in Piacenza
Welch enormes Tempo in Piacenza vorgelegt wurde, zeigt sich daran, dass der gefürchtete Erfinder dieser Reaktivierungsmethode, der 2022 gestorbene Maurizio Zamparini, für derlei einst mehrere Wochen gebraucht hat. Jener Zamparini war von 2002 bis 2017 Alleinherrscher über die US Palermo und ein großer Zampano, was Trainerverschleiß anging, je nach Datenbank hat er bis zu 61 Mal den Coach ausgetauscht. Wenn ihm mal kein geeigneter Nachfolger einfiel, setzte er gerne Vorgänger des soeben vor die Tür gesetzten ins Amt. Allein Francesco Guidolin kehrte dreimal zurück. „Meine Frau könnte besser aufstellen als dieser Nichtsnutz“, spottete Zamparini mal über Guidolin. Nur um ihn wenig später abermals einzustellen.
Was sich daraus für Deutschland lernen lässt? Nichts. Dennoch wird dem recht frischen Schalke-Coach Kees van Wonderen hiermit dringend empfohlen, das Zweitligaspiel am Samstag beim HSV nicht haushoch zu verlieren. Und falls dessen Vorgänger Karel Geraerts auf dem Handy stets gut erreichbar sein sollte: ab in den Sondermüll damit.