Italien:Juve gewinnt, weil Juve immer gewinnt

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Erzielte beide Juve-Tore beim 2:1 gegen Lazio Rom: der Portugiese Cristiano Ronaldo. (Foto: Marco Alpozzi/AP)

Turin wird auch den neunten Titel in Serie holen. Mehr Spannung birgt dafür der Kampf um Europas Torjägerkrone.

Von Oliver Meiler, Rom

Am Ende, wenn dieser wunderliche Fußballsommer auch noch die letzten Kräfte aus den Spielern gesogen haben wird, steht "Madama", die "Verlobte Italiens", wieder da, rüstig und in Eile gekämmt, als wäre nichts geschehen. Als hätte es keine Zweifel gegeben und kein Rütteln an alten Unverrückbarkeiten. Juventus Turin wird auch diese Meisterschaft der Serie A gewinnen, die neunte in Serie, es ist nur noch eine Frage der Mathematik: vielleicht am Donnerstag schon, vielleicht erst am Wochenende, und wenn alles schiefläuft, dann halt erst nächste Woche. "Die beste Mannschaft war nur weniger schlecht als die anderen", schreibt La Repubblica. Der Calcio, hingeschmolzen bei 30 Grad in der Nacht. "Auch die Pfosten schwitzten."

Im Schlüsselspiel gegen Lazio Rom am Montagabend im Juventus Stadium, Anpfiff 21.45 Uhr, war es nach 23 Uhr noch so heiß und schwül, dass der Schiedsrichter auch in der zweiten Halbzeit ein "Cooling break" anordnete, wie die Italiener die Wasserpause nennen. Und da standen sie also, Juventini und Laziali, und schütteten sich literweise Wasser über ihre Köpfe. Ein Abnützungskampf bei verhaltenem Spieltempo, eine Folter. Juve gewann 2:1 (0:0), weil Juve immer gewinnt, wenn es zählt. Nicht überlegen, nicht souverän, aber eben doch. Alles passierte in der zweiten Halbzeit, als die Müdigkeit alle übermannt hatte und die Verteidiger Fehler begingen, derer man sie nicht für fähig gehalten hätte.

Juves Vorsprung auf den Zweiten, Atalanta Bergamo, beträgt sechs Punkte (bei einem Spiel weniger), der auf Inter Mailand acht, die zuletzt völlig kollabierte Lazio liegt schon elf Zähler zurück. Und es bleiben noch vier Spieltage. "Matchpoint Juve", titelt der Corriere della Sera. Es sind gleich mehrere nacheinander, um im Bild zu bleiben: bereit für den letzten Smash. Wer hätte sich ein so gewöhnliches Finale vor dem Neustart der Liga denken können?

Man muss sich das in Erinnerung rufen: Als die Meisterschaft ihren Betrieb wieder aufnahm, trennte Juve und Lazio ein einziger Punkt. Die Römer galten als das inspiriertere, selbstsicherere Team. Maurizio Sarri, der Trainer Juves, wurde kritisiert, nichts machte er demnach richtig, vor allem schaffte er es nicht, seiner Star-Truppe den "Sarrismo" beizubringen, seinen schnellen, oft begeisternden Kombinationsfußball aus Zeiten bei Napoli. Das lag natürlich nicht nur an ihm, es fehlten die Spieler dafür. Doch Juve war so fragil wie in einer Dekade nicht mehr, so schlagbar.

Von diesem 34. Spieltag hatte es deshalb geheißen, er würde den spektakulären Showdown einer ungewöhnlichen Saison bieten, die Wasserscheide, bei Lazio träumten sie vom historischen Triumph, von einem Bruch der Ära. Und halb Italien träumte mit, wenigstens ein schöner Teil des nicht-juventinischen Italiens. Dauersieger sind ja auch Langweiler. Doch dann fiel Lazio nach dem Restart, den es selbst so sehr herbeisehnte, auseinander. Spieler verletzten sich, die Moral war dahin.

Und so diente der Showdown des 34. Spieltags nur noch der letzten Beweisführung, der Zurechtrückung des kurzzeitig Verrückten. Maurizio Sarri, 61, soll nun Trainer Juves bleiben dürfen, obwohl schon viele Namen möglicher Nachfolger herumgereicht worden waren. "Natürlich" bleibe er, ließ der Verein ausrichten.

Ein Spiel im Spiel lieferten sich die beiden besten Torschützen der Serie A, Cristiano Ronaldo und Ciro Immobile, bei ihnen geht es jetzt noch um individuelle Rekorde und Titel, das Beigemüse einer Saison - für manche sind die bekanntlich wichtiger als die kollektiven. Die zwei erzielten alle drei Tore. Und was auch zu dieser Spielzeit der vielen und oft kontroversen Strafstöße passt: Von den drei Toren entfielen zwei auf Elfmeter, je einer für jede Partei.

Der Weltstar aus Madeira und der Heimstar aus Torre Annunziata bei Neapel, sie haben nun je 30 Mal getroffen, bei beiden sind zwölf Penaltys dabei, vielleicht ist auch das ein Rekord. Der Goldene Schuh für den besten Schützen Europas ist nur noch vier Tore entfernt, das Klassement wird mit 34 Treffern von Robert Lewandowski vom FC Bayern angeführt, doch bei dem kommt keines mehr hinzu.

Ronaldo gewann den Goldenen Schuh schon in Spanien und in England, gewänne er ihn auch in Italien, wäre das eine Premiere. Mit 32 Toren wäre er der beste Torschütze in der Geschichte Juves, die bisherige Bestmarke von Felice Borel ist ewig lang her: 1934. Wären es am Ende sogar 37, würde Ronaldo auch den italienischen Allzeitrekord des Argentiniers Gonzalo Higuaín schlagen. Ausgeschlossen ist das keineswegs, seine kreativsten Mitspieler werden ihm jeden Ball auf den Fuß legen. Eine weitere Bestmarke gesellte sich noch hinzu: Er ist der erste Profi, der mindestens 50 Tore in Englands Premier League, Spaniens La Liga und Italiens Serie A erzielte.

Diese Rekorde seien ihm schon wichtig, erzählte Cristiano Ronaldo nach dem Spiel, aber wichtiger sei die Mannschaft. Man muss ihm das nicht unbedingt glauben. Als ihm das 3:0 misslang, ein Kopfball aus nächster Nähe, den er an den Querbalken setzte, war er darüber so unglücklich, dass er sein Gesicht aus Verzweiflung zur Grimasse verzog.

© SZ vom 26.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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