Süddeutsche Zeitung

Israel:Ein Fußballplatz, zwei Welten

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Das Jerusalemer Derby ist spannend - und hochpolitisch.

Von Peter Münch, Jerusalem

Zur Feier des Abends zeigt sich das Teddy-Kollek-Stadion in Festbeleuchtung. In Rot und Schwarz erstrahlt das Rund, es sind die Farben von Hapoel Jerusalem. Der Aufsteiger empfängt den Stadtrivalen Beitar zum ersten Jerusalemer Erstliga-Derby seit mehr als zwei Jahrzehnten. Das ist Spannung pur. Es geht um drei Punkte in der Meisterschaft, es geht um die fußballerische Vorherrschaft in der Stadt - und das ist längst nicht alles. Denn wenn Hapoel und Beitar gegeneinander antreten, dann ist das mehr als nur ein Spiel: Zwei Welten prallen aufeinander, und der Fußball wird zur Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln.

Hapoel, der Arbeiterklub - Beitar, die Revisionisten

In Israel stand der Sport von Anbeginn im Dienst oder zumindest im Schatten der Politik. Die Vereine sind verschiedenen Lagern entsprungen: Hapoel, das sind die Arbeiterklubs, verwurzelt im linken Milieu. Beitar verweist auf die Herkunft aus dem rechten, dem sogenannten revisionistischen Flügel der zionistischen Bewegung.

Speziell die beiden Jerusalemer Fußballvereine könnten unterschiedlicher nicht sein. Beitar ist berüchtigt für Rassismus auf dem Rasen und auf den Rängen. Seine Fantruppe namens La Familia prügelt sich nicht nur durch die Stadien, sondern sorgt auch bei politischen Demonstrationen für rechte Gewalt. Zuletzt scheiterte der als spektakuläre Wende angekündigte Einstieg eines Investors aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, und der Besitzer Mosche Hogeg, der Beitar ein weltoffeneres Image verpassen wollte, kündigte vorige Woche entnervt den Verkauf des Vereins an.

Hapoel dagegen steht für friedliche Koexistenz in Jerusalem. Der Verein, der als einziger Klub in Israel allein seinen Fans gehört, macht sich für Sozialprojekte stark und betreibt unter anderem eine "Nachbarschaftsliga", in der jüdische und arabische Kinder nicht nur gemeinsam Fußball spielen, sondern auch Hilfe bei den Hausaufgaben bekommen.

Das ist die Ausgangslage, als am Montagabend um 20.30 Uhr das Derby vor knapp 20 000 Fans angepfiffen wird. Auf der vollgepackten Osttribüne steht die gelbe Wand der Beitar-Anhänger. Gegenüber bei Hapoel sind die Reihen etwas lichter, dafür bunter. Viele Familien mit Kindern sind gekommen, als Ausweis der hier gepflegten Toleranz kann wohl auch ein einzelnes Bayern-München-Trikot oder eine Kippa mit dem Emblem von Real Madrid durchgehen.

Jeder Angriff wird von den jeweiligen Fans befeuert, jedes Foul bepfiffen, und es gibt viele Pfiffe in einem von Beginn an ruppigen Spiel. Beitar geht schnell in Führung, 0:1 heißt es in der 19. Minute. "Ich liebe dich, Beitar", erschallt es von der Ostribüne, und etwas weniger romantisch folgt kurz darauf der Schlachtruf: "Milchama", zu Deutsch: Krieg.

Am Ende steht es 0:3, Hapoel war chancenlos. Die Spieler in Rot und Schwarz bekommen beim Gang in die Kabine von ihren treuen Anhängern trotzdem einen fahnenumwehten Heldenapplaus. Die Saison ist ja noch lang. Das Sieger-Team lässt sich unterdessen auf dem Platz ausgiebig feiern. "Israel hat gewonnen", dröhnt es aus dem Beitar-Block, "Jerusalem ist gelb." Aber es gibt ja noch ein Rückspiel.

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