Israel:Der beste Unbekannte

Israel: Vergeblicher Jubel: Eran Zahavi trifft bei der 1:3-Niederlage Israels in Österreich zur zwischenzeitlichen Führung.

Vergeblicher Jubel: Eran Zahavi trifft bei der 1:3-Niederlage Israels in Österreich zur zwischenzeitlichen Führung.

(Foto: Jack Guez/AFP)

Eran Zahavi verpasst mit Israel die EM, aber in der Qualifikation hat er die meisten Tore geschossen, mehr als Harry Kane und Cristiano Ronaldo. Warum spielt er nicht längst für einen Spitzenklub?

Von Felix Haselsteiner, Wien

Die 26200 Zuschauer im äußerst spärlich gefüllten Ernst-Happel-Stadion waren ohnehin schon eine eher ruhige Menschenmenge an diesem kühlen Oktoberabend, doch es war Eran Zahavi, der das Wiener Publikum wirklich verstummen ließ. In der 34. Minute des EM-Qualifikationsspiels zwischen Österreich und Israel spielte Munas Dabbur einen Schnittstellenpass, der Innenverteidiger Aleksandar Dragovic ins Leere laufen ließ, Zahavi stieß in die Lücke, nahm den Ball mit, ließ auch den zweiten österreichischen Abwehrspieler Martin Hinteregger mit einer Körpertäuschung ins Leere laufen - und traf aus etwa 18 Metern zur Führung ins Kreuzeck. Ein Traumtor, das nur die israelischen Fans mit "Zahavi, Zahavi"-Sprechchören feierten.

Es war Zahavis zehnter Treffer im siebten EM-Qualifikationsspiel, erfolgreicher ist in Europa gerade niemand. Und es war in vielerlei Hinsicht ein typisches Tor für den 32-Jährigen: Von Dabburs Zuspiel bis zum Abschluss behielt Zahavi seine Augen auf dem Ball, er verlässt sich in solchen Situationen vor allem auf seinen Instinkt - und ist damit erfolgreich. "Was soll ich sagen", sagte Israels Nationaltrainer Andreas Herzog nach dem Spiel: "Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was wäre, wenn wir ihn nicht hätten. Er macht aus Chancen, die fast keine sind, Tore. Er ist in der Form seines Lebens."

Wie aber kommt es, dass ein 32-Jähriger israelischer Stürmer, der in der EM-Quali mehr Tore schießt als Harry Kane, Romelu Lukaku oder Cristiano Ronaldo, so vergleichsweise unbekannt ist? Wo genau das doch immer sein Vorhaben war: "Mein Ziel ist es, nicht vergessen zu werden", sagte Zahavi einst.

Zum einen hat der Stürmer in seiner Karriere bis auf ein zweijähriges, aber nicht allzu erfolgreiches Gastspiel bei US Palermo in Italien nie in einer der großen europäischen Ligen gespielt. Seine erfolgreichsten Zeiten verbrachte er in seiner Heimat bei Hapoel und Maccabi Tel Aviv, wo er in 153 Spielen 117 Tore erzielte. Im Jahr 2016 folgte ein Anruf aus China: Dragan Stojkovic, Trainer von Guangzhou R&F, wollte Zahavi unbedingt verpflichten, der sagte umgehend zu. In den folgenden drei Jahren wurde der Israeli zum besten Stürmer der chinesischen Liga. "Ich habe mich damals nicht getäuscht, als ich einen Spieler holte, den in China niemand kannte. Ich habe ihn zum größten Star der Liga gemacht", sagte Stojkovic 2018 über seinen Stürmer.

Auch Gegenspieler Dragovic staunt: "Ich hab ihn gefragt, was er isst"

Dass Zahavi derzeit so erfolgreich ist, liegt allerdings auch an Herzog, seit 2018 Trainer der Israelis. Der Österreicher lässt einen Fußball spielen, der seinen Stürmern entgegenkommt. Dabbur, Zahavi und Shon Weissman als offensive Dreierreihe sind das Prunkstück der Mannschaft, die Probleme liegen anderswo - und wurden am Donnerstagabend ebenso sichtbar wie Zahavis Brillianz im Abschluss.

Auf das Traumtor in der ausgeglichenen ersten Halbzeit (1:1), in der Israel aber durchaus eine Führung verdient gehabt hätte, folgte in der zweiten Halbzeit nämlich der Einbruch in der Defensive. Israels Hintermannschaft lässt sich immer wieder zu leichten Fehlern hinreißen, die Österreicher bestraften das mit großer Effizienz: Hinteregger und Marcel Sabitzer erzielten in der zweiten Spielhälfte das 2:1 und das späte 3:1 und besiegelten damit das Ausscheiden der Israelis aus der EM-Qualifikation. Nach dem 4:2 im Heimspiel gegen Österreich im Februar hatten sie sich noch große Hoffnungen auf ihre erste EM-Teilnahme gemacht.

Dementsprechend enttäuscht waren die Reaktionen im Happel-Stadion, da konnte noch so viel Lob vom Gegner nicht helfen, vor allem Zahavi hatte die Österreicher erneut nachhaltig beeindruckt. "Ich hab ihn gefragt, was er isst", sagte Gegenspieler Dragovic nach dem Spiel. Und? Dragovic bekam keine Antwort. "Er hat nichts geantwortet, nur nett gelächelt". Torhüter Cican Stankovic suchte gar nicht erst nach kulinarischen Erklärungen: "Er schießt mit links, mit rechts, aus allen Positionen - ein unglaublicher Spieler, der meiner Meinung nach von seiner Qualität her nicht nach China gehört".

Wird man Eran Zahavi also vielleicht noch einmal in Europa landen sehen? Der Stürmer selbst schlich wortlos an den internationalen Medienvertretern vorbei. Die Antwort auf die Frage gibt ohnehin sein Vertrag in Guangzhou, der noch bis Dezember 2020 läuft. Zahavi, dann 33, wird sich wohl weiter in China einen Namen machen - und mit der Nationalmannschaft: Nach der verpassten EM-Qualifikation ist das erklärte Ziel von Herzogs Team, 2022 zur WM zu fahren. Es wäre eine gute Gelegenheit, um zum Ende der Karriere sicherzustellen, dass der Name Zahavi nicht so schnell vergessen wird.

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