Süddeutsche Zeitung

NBA-Basketballer Isaac Bonga:"Jeder will mit ihm spielen"

Ein langer Kerl aus Koblenz als Zukunftsprojekt: Nationalspieler Isaac Bonga bekommt bei den Washington Wizards Lobeshymnen - der Sport liegt bei ihm in der Familie.

Von Jonas Beckenkamp, München

Seit den Anfangstagen von Dirk Nowitzki und den Trainingsmethoden seines Mentors Holger Geschwindner kennt die Welt einen entscheidenden Zusammenhang. "Basketball ist Jazz", so hielt es Geschwindner seinem berühmtesten Trainingsschüler damals im Würzburger Turnhallenmief vor. Das Spiel lebt gleichermaßen von Rhythmus, Improvisation und einstudierten Elementen - wie eben jene Musik, die so gerne einfach macht, was sie will.

Nowitzki beherrschte neben dem Körbewerfen auch ein paar Griffe auf dem Saxophon, bei Isaac Bonga ist es das E-Piano. Basketball und Musik, diese Kombination scheint nicht die schlechteste zu sein, denn auch der deutsche Nationalspieler von den Washington Wizards befindet sich gerade auf einem vielversprechenden Weg in der NBA. Natürlich ist Bonga noch lange kein Nowitzki, aber er bekommt ein paar Lobeshymnen, bei denen sich das Hinhören lohnt. "Wir lieben diesen Jungen. Er ist erst 20 Jahre alt und wird mit Sicherheit noch besser werden", sagte etwa sein Trainer Scott Brooks kürzlich.

Speziell eine Eigenschaft Bongas hat es dem Coach angetan: seine Fähigkeit, andere glänzen zu lassen. "Jeder will mit ihm spielen, weil er mit so viel Einsatz dabei ist", schwärmte Brooks, der seinem Jüngsten wegen dessen Uneigennützigkeit viel Vertrauen entgegen bringt. Anders als viele Egozocker im Muskelland der NBA entspricht Bonga nicht dem Klischee des Alleinikows. Er hält sich gewissenhaft an die Systeme des Teams und saugt alles auf, was er in der Corona-Bubble in Florida gerade lernen kann. Als langer Mann mit reichlich Bewegungstalent gilt er als Zukunftsprojekt für die Wizards.

Es passiert selten, dass ein so unerfahrener Basketballer sich so gut einfügt, denn es ist ja erst Bongas zweites Jahr in den USA. "Er wird nicht gierig da draußen, sondern will Spielzüge für seine Kollegen kreieren", erklärte Brooks, der auch die Physis des Mannes aus der Moselgegend schätzt. 2,04 Meter misst Bonga, seine Krakenarme machen ihn zu einem biestigen Aufpasser in der Defensive.

Er verteidigt hart - deshalb spielt er viel

In der Vorbereitung auf den NBA-Restart hob er selbst genau diese Qualität in seinem Spiel heraus: "Bei mir kommt die Verteidigung zuerst, alles andere ist ein Bonus." Hier ein geklauter Ball, dort ein Rebound, dazwischen ein paar kluge Pässe, mit solchen Kleinigkeiten hilft er seiner Mannschaft, die vor allem hinten mehr Bongas bräuchte. Washington hat auch deshalb keine Chancen auf die Playoffs, weil sie das schwächste Defensiv-Team der Liga stellen.

Wer Bonga beim Turnier in Disneyworld spielen sieht, erkennt aber auch, dass er sich offensiv entwickelt. In Abwesenheit der drei besten Wizards-Profis (John Wall, Bradley Beal und Davis Bertans) traut er sich immer mehr zu - und zeigt, dass er dank seiner Körperlichkeit fast alle Positionen spielen kann.

Meist beginnt er als Power Forward und bekommt in der Startformation mittlerweile immer mehr Verantwortung. "Er fängt an und spielt viel", bemerkte auch der deutsche Bundestrainer Henrik Rödl neulich, der Bonga bei der WM im vergangenen Jahr noch als einen der letzten Akteure aus dem Kader strich. Nach seinem Rookie-Jahr bei den LA Lakers, wo er aufgrund seines Alters und der Konkurrenz um LeBron James kaum spielte, hat sich die Situation tatsächlich günstig für Bonga entwickelt.

Vor rund einem Jahr war der Zweitrunden-Draftpick von 2018 zusammen mit dem Berliner Moritz Wagner von den Lakers nach Washington umgesiedelt. Weil der Hauptstadtklub eine Mannschaft im Umbruch versammelt hat, kann Bonga sich ausprobieren. Im Schnitt darf er deutlich mehr Minuten aufs Parkett (18,3 Minuten) als noch bei den Lakers (5,5), seine Trefferquoten haben sich erhöht, ebenso seine Punkteausbeute (knapp fünf Zähler pro Partie).

Noch wirkt manches bei ihm ungeschliffen, Bonga ist keiner, der bei den Wizards die Dinge alleine entscheidet. Aber er hat das, was sie in den USA "Upside" nennen - Potenzial. Was ihm und seinem Klub nun noch fehlt, sind Siege, denn bisher läuft es für die Wizards mau in der Qualifikationsrunde.

Dabei prägt Bongas Familie eigentlich eine Gewinner-DNA. Isaacs älterer Bruder Tarsis, 23, ist Fußballprofi, er soll in der kommenden Saison mit seinen 1,96 Metern den VfL Bochum mit vielen Kopfballtoren versorgen, nachdem er zuletzt beim Chemnitzer FC spielte. Der Kontakt der Brüder besteht natürlich auch über die Distanz des Atlantiks, wie Tarsis neulich im MDR berichtete. Sein Bruder versuche in der Glitzerwelt der NBA, "es einfach nur zu leben und nicht nachzudenken: Krass, wo bin ich hier?" Es ist wohl genau diese Einstellung, die Isaac Bonga seinen Weg ermöglicht hat. Aus Koblenz, nach Frankfurt, bis nach LA und nun Washington.

"Mir fällt es leicht, denn hier herrscht so eine positive Energie", sagt er über die NBA in diesen komischen Zeiten. Trotz Corona und trotz der Proteste rund um Polizeigewalt und Rassismus in den USA hat er sich die Coolness des Jazz offenbar bewahrt.

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