Irritation über Ibišević-Interview:Nun auch noch Lügen

Borussia Moenchengladbach v VfB Stuttgart - Bundesliga

Held in Bosnien, Buhmann in Stuttgart: Vedad Ibišević

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Er wolle Stuttgart verlassen, zitiert ein italienisches Internetportal Vedad Ibišević. Nur: Der VfB-Stürmer weiß gar nichts von dem Interview. Die ohnehin schwierige Beziehung zwischen dem einstigen Publikumsliebling und den Fans leidet.

Von Matthias Schmid

Vedad Ibišević spricht viele Sprachen. Seine rhetorischen Fähigkeiten haben dem gebürtigen Bosnier das Leben nach den traumatischen Erlebnissen des Krieges erträglicher gemacht. Seine Familie emigrierte einst über die Schweiz in die USA, um ihm und den Geschwistern ein sorgenfreies Leben ermöglichen zu können. Über Frankreich kam Ibišević 2006 schließlich nach Deutschland, zu Alemannia Aachen in die Bundesliga.

Vedad Ibišević mag aber nicht mehr reden. Mittlerweile hat der 30-Jährige genug gesagt. Er hat sich rar gemacht in der Öffentlichkeit. Seine Worte korrespondieren mit der Anzahl seiner Tore. In der Bundesliga hat er seit dem 29. Januar dieses Jahres nicht mehr für den VfB Stuttgart getroffen - 810 Minuten, das haben eifrige Statistiker errechnet, wartet der Stürmer nun schon auf sein 83. Tor in der Bundesliga. Er fühlt sich missverstanden in Stuttgart, auch anderswo. Die Fans pfeifen, wenn ihm etwas misslingt oder er am Tor vorbeischießt, für sie ist ihr einstiger Liebling das Gesicht des Niedergangs, der Buhmann. Er hat auch deshalb aufgehört, öffentlich etwas zu sagen, er ist gekränkt.

Umso erstaunlicher ist in diesem Kontext das Interview, das seit Dienstag im Internet kursiert. In einem Gespräch mit dem italienischen Internetportal tuttomercatoweb.it soll er Zweifel an einem längerfristigen Verbleib beim VfB geäußert haben. "Ich bin geblieben. Aber man weiß ja nie. Wenn ein gutes Angebot kommt, gehe ich vielleicht", zitiert die Seite Ibišević. Er spricht davon, dass er konkrete Angebote hatte und habe, vom Premier League Klub West Ham United beispielsweise oder vom türkischen Erstligisten Trabzonspor. "Der VfB hat ein paar Veränderungen durchgemacht und einen Mittelfeldplatz als Ziel ausgegeben. Ich habe aber höhere Ambitionen, weshalb ich womöglich wechseln werde", sagt Ibišević dem Artikel zufolge. Vielleicht schon im Winter.

Am Mittwoch, nach der Rückkehr von der Länderspielreise mit Bosnien-Herzegowina, hat Ibišević genug. Etliche Freunde und Bekannte haben ihn auf das Interview angesprochen. Er erwiderte ihnen: Welches Interview? Auf seiner Facebook-Seite postet er deshalb eine längere Erklärung. "Ich möchte an dieser Stelle dieses erfundene Interview kommentieren", schreibt er. Ibišević ist ziemlich verärgert. Man kann seinen Zorn aus jeder Zeile herauslesen. "Ich habe nie gesagt, dass ich höhere Ansprüche habe als mein Klub VfB Stuttgart oder dass ich weg will. Das ist einfach eine Lüge. So trete ich öffentlich einfach nicht auf." Auch sein Verein sah sich am gleichen Tag veranlasst, eine Meldung auf seine Webseite zu stellen mit einem Ibišević-Zitat in der Überschrift: "Ein Vereinswechsel steht für mich nicht zur Debatte."

In Bosnien ein Held, in Stuttgart der Buhmann

Die Irritationen, welche das vermeintliche Interview auslösten, sagt viel aus über das schwierige Verhältnis zwischen Vedad Ibišević und dem VfB Stuttgart. Es ist eher ein schwieriges Verhältnis zwischen Ibišević und Teilen der VfB-Anhänger. Denn von den Verantwortlichen war nie ein schlechtes Wort über den Stürmer zu hören, im Gegenteil. Im Sommer erst verlängerte der VfB mit ihm seinen Vertrag bis zum Sommer 2017.

Für die Öffentlichkeit kam die vorzeitige Verlängerung etwas überraschend. Immer wieder war in den lokalen Medien von einem bevorstehenden Abgang des Bosniers zu lesen. Ibišević nutzte die Gelegenheit via Facebook deshalb gleich zur Journalistenschelte. "Die Medien, besonders in Stuttgart wollen einfach ein falsches Bild von mir zeigen", schreibt Ibišević, "und freuen sich sehr, über mich so negativ wie möglich zu schreiben. So bin ich nicht, wie die es gerne zeigen wollen. Aber die Leute glauben leider an das, was ihnen serviert wird."

Seine klaren Aussagen werden das gestörte Verhältnis nicht leichter machen. Beim VfB hoffen sie, dass er nun wieder Treffer für sich sprechen lässt. Dass er nicht vergessen hat, wo das Tor steht, zeigten die Länderspiele zuletzt. Beim 3:0 gegen Liechtenstein traf er doppelt und bei der überraschenden 1:2-Niederlage gegen Zypern in der EM-Qualifikation gelang ihm das Führungstor. In seiner Heimat ist Ibišević ein Held, einer, der in die Geschichte des stolzen Landes eingegangen ist, weil ihm bei der WM in Brasilien im Auftaktspiel gegen Argentinien der erste WM-Treffer in Bosniens Fußball-Historie glückte.

Fredi Bobic, Stuttgarts Sportdirektor, mag die angeblichen Wechselabsichten gar nicht groß kommentieren. "Ich kenne seine Meinung, ich rede ja regelmäßig mit ihm", sagt er. Bobic glaubt an Ibišević' Qualitäten. "Es ist gut, dass er mit Selbstvertrauen nach Stuttgart zurückgekehrt ist. Wenn er trifft, würde bei uns vieles einfacher laufen." An diesem Donnerstag hat Vedad Ibišević wieder mit dem VfB trainiert. Auf Facebook sagt er noch, dass er in Stuttgart geblieben sei, "weil ich da sehr gerne spiele". Er möchte dafür sorgen, dass der Klub wieder erfolgreicher spielt.

Am Samstag geht es nun gegen den Verein, gegen den er sich letztmals feiern lassen durfte. Gegen den FC Bayern. Auswärts. Er weiß, dass das Gerede um ihn erst aufhören wird, wenn er aufhört, am Tor vorbeizuschießen. Nur er allein kann das beeinflussen. Auch mit regelmäßigen Wortbeiträgen. Die rhetorischen Fähigkeiten dazu hat er ja.

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