Ironman-Starterin Sonja Tajsich:Sich quälen, wo andere Urlaub machen

Sonja Tajsich

Zu Land eine der Schnellsten: Sonja Tajsich.

(Foto: Thomas Tajsich)

Neun Stunden lang Sport auf höchstem Niveau: Die Ironman-WM auf Hawaii ist der härteste Wettkampf der Welt. Fünf Mal hat Sonja Tajsich aus Regensburg ihn schon überstanden, nach einem vierten Rang im Vorjahr träumt sie nun von einem Platz auf dem Podest. Dafür musste sie eine Saison voller Gemeinheiten durchstehen.

Von Saskia Aleythe

In München bahnen sich die ersten Schneeflocken den Weg auf den Asphalt und Sonja Tajsich trägt T-Shirt und Shorts. "Einen Pullover brauche ich nur im Einkaufszentrum", sagt sie am Telefon. Auf Hawaii ist es bewölkt bei 27 Grad. Dort, wo Urlauber mit Drink samt Schirmchen auf Bastmatten lümmeln, absolviert die Triathletin am Samstag den härtesten Wettkampf der Welt: Zum sechsten Mal startet sie bei der Ironman-WM.

3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren, 42,195 Kilometer Laufen - das ist ungefähr so, als würde Tajsich ein Stück durch den Chiemsee schwimmen, von da aus in ihre Heimatstadt Regensburg radeln und anschließend noch einen zügigen Walk nach Straubing unternehmen. Mehr als neun Stunden lang Sport auf hohem Niveau - wie überlebt man das? "Das frage ich mich auch jedes Mal", sagt die 37-Jährige.

Je nach Statur und Form verbrauchen die Ironman-Teilnehmer etwa 10.000 Kalorien - so viel wie ein durchschnittlicher Erwachsener in vier Tagen verbrennt. Essen ist die vierte Disziplin, erklärt Tajsich: "Viele, die es sportlich eigentlich draufhaben scheitern, weil sie sich falsch ernähren". Sie selbst setzt auf Powergels, "Kauen ist mir zu anstrengend". Gleich wenn sie aufs Rad steigt das erste, dann alle 20 Minuten. "Da gucke ich auch akribisch auf die Uhr", sagt sie. Unterschiedliche Sorten gibt es zwar - Lemon, Banane, Cola - "aber eigentlich schmecken die alle gleich - ziemlich greislig". Am Ende kann sie die Dinger nicht mehr sehen, der Hunger ist nach dem Wettkampf groß. "Dann esse ich alles, was ich in die Finger bekomme."

Dass Tajsich beim diesjährigen Ironman auf Hawaii starten würde, hat sich erst vier Wochen zuvor entschieden. Die ganze Saison plagten sie Verletzungen. Gleich beim ersten Trainingslager Anfang des Jahres stürzte sie, eine Hüftverletzung folgte, danach Fersensporne in beiden Füßen, die Plantarsehnen entzündeten sich. "Schmerzfrei bin ich eigentlich nie", sagt Tajsich, "nicht mal beim Stehen".

"Die Familie sollte immer Priorität haben"

Geplant war das freilich ganz anders. 2012 feierte sie den größten Erfolg ihrer Karriere, sie wurde nach einem siebten Platz im Jahr zuvor Vierte auf Hawaii, wurde ins Fernsehen eingeladen und durfte der Moderatorin Judith Rakers erklären, wie sich der Extremsport unter Palmen anfühlt. Ihr Ehrgeiz, es auch mal aufs Treppchen zu schaffen, war groß wie nie. "Ich habe gesagt: Nächstes Jahr schaffst du es aufs Podium oder sogar den Sieg als erste deutsche Frau überhaupt." Zu ihren stärksten Konkurrentinnen zählen die Vorjahressiegerin Leanda Cave aus Großbritannien, die Schweizerin Caroline Steffen und Mirinda Cafrae aus Australien.

Damit Tajsich der Sprung aufs Treppchen endlich gelingt, gab es den Masterplan: Zum ersten Mal Höhenlager, zwei Mal drei Wochen am Stück. Das zu koordinieren, bedeutete enormen Aufwand: Tajsich ist Mutter einer Tochter im Kindergartenalter. "Die Familie sollte immer Priorität haben", sagt sie. Deshalb begleiteten sie Tochter und ihr Mann im Sabbatical sowohl nach Boulder in die Rocky Mountains als auch nach Hawaii. "Wir haben nicht jedes Jahr die Chance, so etwas gemeinsam zu machen", sagt Tajsich, "deswegen wollte ich den Ironman hier auch unbedingt. Das sollte nicht alles umsonst gewesen sein."

Fortschritte beim Schwimmen

Tajsich hat viel investiert. Worte wie "Ruhepausen" haben bei ihr eine andere Dimension als im normalen Sprachgebrauch, trainiert wird dann trotzdem 15 Stunden in der Woche. Sie bezeichnet sich selbst als "Nichtschwimmerin", weil das schon immer ihr Manko war, im vergangenen Jahr kostete sie diese Disziplin einen Podestplatz. Aus dem Wasser stieg sie damals als 28. von 30 Starterinnen, an Land zeigte sie anschließend die besten Leistungen im Feld.

"Beim Schwimmen habe ich dieses Jahr auf jeden Fall Fortschritte gemacht", sagt Tajsich. Sie hat mit einer Spezialtrainerin das Gefühl fürs Freiwasser bekommen, Übungen mit Steinen und Muscheln sollten sie daran gewöhnen. "Die letzten Zeiten, die ich hier geschwommen bin, waren super", sagt sie, "alle schneller als letztes Jahr im Rennen."

Und doch ist Tajsich vorsichtiger geworden, was ihre Prognose für Samstag angeht. Natürlich träumt sie vom Podium und auch vom Platz ganz vorne. "Aber nach diesem harten Jahr mit den vielen Gemeinheiten wäre ich mit einem Ergebnis unter den besten Zehn schon sehr zufrieden", sagt sie.

Direkt nach dem Wettkampf ist für Tajsich an Schlaf nicht zu denken, "alles tut weh und ich bin dann so aufgewühlt, dass ich um drei Uhr nachts E-Mails lese". Die Nachwirkungen des Ironman wird sie noch etwa vier Wochen spüren. "Muskelkater habe ich nur zwei Tage, danach bin ich einfach sehr müde." Ihre Verletzungen will sie dann erst einmal auskurieren, sagt Tajsich, "ich werde aufs Lauftraining verzichten". Radfahren, Schwimmen, Aquajogging gehen trotzdem. Ab Mitte kommender Woche wieder in Regensburg.

Wie viele Tage sie in ihrer Profizeit seit 2002 mal gar keinen Sport gemacht habe? Tajsich muss überlegen. "Gar keinen?", fragt sie. Ja, gar keinen. "Hm, abgesehen von einer Erkältung im letzten Jahr und wenige Tage vor der Geburt meiner Tochter - vielleicht mal einen Tag."

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