Ironman Jan Frodeno:Vorbei an tausend kleinen Fallen

Jan Frodeno

Überglücklich im Ziel: Jan Frodeno.

(Foto: Mark J. Terrill/AP)
  • Wer den Ironman auf Hawaii gewinnen will, darf keine Fehler machen.
  • Jan Frodeno hat es geschafft - obwohl er den härtesten Ausdauerdreikampf lange verschmäht hatte.
  • Er siegt vor dem Rostocker Andreas Raelert und dem Amerikaner Timothy O'Donnell.

Von Johannes Knuth

Beim Ironman, hat der Triathlet Jan Frodeno vor Kurzem gesagt, lernt man sehr schnell, das Wichtige vom Unwichtigen zu trennen. Man versinkt in den stundenlangen Einheiten, im zehrenden Wettkampf. Man begrüßt den Schmerz, erträgt ihn, drückt ihn weg und redet dem Körper aus, dass er eigentlich längst nicht mehr kann. Und dann stellt man fest, dass er es doch schafft, diesen Ausdauerdreikampf über 3,8 Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,195 Kilometer Laufen über sich ergehen zu lassen.

"Ich merke dabei am meisten, was mir selbst wichtig ist", sagt Frodeno, "ich habe entdeckt, dass mir dieser Sport unheimlich viel gibt. Dass aber die ganzen Veranstaltungen drumherum nicht das Allergrößte sind." Die Feiern zum Beispiel, der Hype nach den Erfolgen, die Termine, "ich sage gerne mal Hallo, aber ich freue mich auch darauf, am nächsten Tag wieder in die Sportwelt zurückzukehren". Auf der langen Triathlondistanz, findet Frodeno, verspüre er oft so ein Gefühl: "Als wäre ich zu Hause angekommen."

Alles gewonnen, was es zu gewinnen gibt

Seit Sonntagmorgen dürfte sich Jan Frodeno, 34, geboren in Köln, aufgewachsen in Südafrika und seit 13 Profijahren im Triathlon unterwegs, wohl spätestens richtig heimisch fühlen. Als er in Kailua-Kona in den Ali'i Drive einbog, die letzten Meter des Ironmans zu Fuß ging, weil er ausreichend Vorsprung auf Andreas Raelert aus Rostock , den Zweiten, und den drittplatzierten Amerikaner Timothy O'Donnell mitgebracht hatte. Und weil er diesen Moment jetzt gar nicht mehr loslassen wollte.

Frodeno fünfter deutscher Ironman-Sieger

1997 Thomas Hellriegel (Bruchsal)

1998 Peter Reid (Kanada)

1999 Luc van Lierde (Belgien)

2000 Peter Reid (Kanada)

2001 Tim DeBoom (USA)

2002 Tim DeBoom (USA)

2003 Peter Reid (Kanada)

2004 Normann Stadler (Mannheim)

2005 Faris Al-Sultan (München)

2006 Normann Stadler (Mannheim)

2007 Chris McCormack (Australien)

2008 Craig Alexander (Australien)

2009 Craig Alexander (Australien)

2010 Chris McCormack (Australien)

2011 Craig Alexander (Australien)

2012 Pete Jacobs (Australien)

2013 Frederik van Lierde (Belgien)

2014 Sebastian Kienle (Mühlacker)

2015 Jan Frodeno (Saarbrücken)

Frodeno war nun amtlich geprüfter Weltmeister auf der Langstrecke, nach 8:14:40 Stunden, zum ersten Mal in seiner Karriere. Er hat in diesem Jahr nun ganz offiziell alles gewonnen, was sein Sport hergibt, Hawaii, die Halbdistanz-WM in Zell am See, die EM in Frankfurt. Zudem ist Frodeno der erste Triathlet, der nach dem Olympiasieg auf der kurzen Distanz auch in der zweiten Karriere reüssiert, beim härtesten Ausdauerdreikampf auf Hawaii.

Was auch deshalb bemerkenswert ist, weil Frodeno lange Zeit fest davon überzeugt war, dass er den Weg auf die lange Strecke niemals einschlagen würde. Und jetzt stand Frodeno am Samstag in Kona im Ziel, um seinen Hals hing ein Siegerkranz, im Gesicht klebte der Champagner. Er sagte: "Ich fühle mich wie auf Wolke sieben, oder neun, oder 35."

Langsam beginnt Frodenos Überlegenheit zu klingen

Der Triathlon in Hawaii ist gemein, wer sich um den Sieg bewirbt, benötigt nicht nur einen guten Tag. "Du brauchst den beschten Tag", sagte Vorjahressieger Sebastian Kienle aus Mühlacker im Hessischen Rundfunk. Kienle hatte sich diesmal als Achter ins Ziel geschoben. Er war in eine der tausenden kleinen Fallen getappt, die einen diese Insel stellt, beim Radfahren hatte er sich in ein paar Tempospiele verstricken lassen, später schleppte er sich mit Mühe durch den Marathon in der Lavawüste.

Frodeno hatte sein Rennen derweil ganz ruhig choreografiert. Er schwamm schnell wie immer, verfiel auf dem Rad nicht in Hektik, sein Rennen war vielmehr ein langes Crescendo, das seine Überlegenheit langsam aber immer lauter zum Klingen brachte. Frodeno machte all die kleinen Dinge richtig, die sich am Ende zu einem großen, perfekten Tag verdichteten. Beim Marathon kehrte er ein paar Mal an den Verpflegungsstationen ein, verstaute Eiswürfel unter dem Stirnband und Schwämme im Rennoverall; er verlor einige Sekunden, aber er hatte seinen Motor dafür ein wenig heruntergekühlt. Dieser trug ihn dann schadlos durch das Energy Lab, den einsamen, rund sieben Kilometer langen Streifen im Lavafeld.

Nur Wasser, Couscous und Obst

Frodeno hat aus den Tücken seines Metiers gelernt. Auf der olympischen Kurz- distanz trieb ihn der Drang nach Perfektion zwar 2008 in Peking zum Olympiasieg, irgendwann aber in die Erschöpfung. Manchmal ernährte er sich monatelang nur von Wasser, Couscous und Obst, erst als es durch die Rippen pfiff, fand er, dass er leicht genug für den Wettkampf war. Er war erfolgreich, aber irgendwann fand er keine Kraft mehr, seine Erfolge zu genießen.

Die Langdistanz, dessen Charme er bei einer Reise nach Hawaii erlag, hat ihm wieder Balance verschafft. Weil er nicht mehr auf jedes Gramm, jede Kalorie achten muss. Weil er seinen Drang zum Tüfteln am Material auslebt, am Schwimmanzug, am Rennrad. Und weil er im Nebel seiner Schmerzen immer wieder mit kleinen Momenten belohnt wird, in denen alles im Fluss ist. "Das ist meistens nach fünf Minuten vorbei, aber diese kleinen Momente lohnen sich. Weil es einfach ein Gefühl ist, das mir nur dieser Sport geben kann", sagt er. Ein wenig hat es den Anschein, als hätte da jemand nicht nur zu seinem Sport gefunden. Sondern auch zu sich selbst.

Und jetzt? Nachdem er erst einmal alles abgehakt hat der To-Do-Liste der sportlichen Meriten? Frodeno glaubt, dass der Ironman noch viele Herausforderungen bereithält. "Wenn man mal schaut, wo es überall Langdistanzrennen gibt, da kann man sich ja schon allein geografisch Motivation holen", sagt er. Der Rummel, den dieser mythenbeladene Sieg in Hawaii mit sich bringt, wird wohl auch nicht gerade abebben. Und wenn er demnächst doch Langeweile verspüren sollte: Im Februar, das gab Frodeno in Hawaii noch bekannt, werden seine Frau Emma und er Eltern.

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