Irland:Ikone an der Seitenlinie

Über die Vorrunde sind die Iren noch nie hinausgekommen. Das wird in der "Group of Death" wieder schwer. Doch ein sicheres Glanzlicht des Turniers werden Irlands Fans sein - nicht zuletzt dank einer bewegenden Hymne.

Für alle, die es bereits vergessen haben: Das Lied heißt "Fields of Athenry". Womöglich wurde es nie derart inbrünstig vorgetragen wie an jenem 14. Juni 2012 in Danzig. Die Fußball-Nationalmannschaft von Irland verlor gerade mit 0:4 gegen den späteren Europameister Spanien, das Spiel war eine Demütigung erster Klasse, doch in Erinnerung ist davon fast nur geblieben, dass 20.000 irische Anhänger die inoffizielle Hymne ihrer Mannschaft sangen. Es war bewegend.

Und nun haben sie es wieder geschafft. Über die Play-offs gegen Bosnien-Herzegowina qualifizierten sich die "Boys in Green" für die EM-Endrunde, erst zum dritten Mal nach 1988 in Deutschland und 2012 in Polen und der Ukraine. Zuvor, in den Gruppenspielen gegen Deutschland, hatten die Iren zunächst in Gelsenkirchen ein 1:1 gespielt, und dann, im Rückspiel in Dublin, den Weltmeister sogar besiegt (1:0).

"Fields of Athenry" zeugt unter anderem vom Stolz, der auch in der Niederlage nicht gebrochen wird, und mit Niederlagen haben die Iren ihre leidvollen Erfahrungen gemacht. Bei der EM 1988 schafften sie es nicht ins Halbfinale, weil die Niederlande einen klar erkennbaren Abseitstreffer erzielten. Zur WM 2010 durften sie nicht, weil Thierry Henry das entscheidende Tor der Franzosen im entscheidenden Play-off-Spiel mal eben mit der Hand für William Gallas vorbereitete.

Statt Fußball spielen viele Jugendliche Gaelic Football, Rugby oder Hurling

Nun aber zweifeln sie wieder. Was für eine Auslosung: erst Schweden. Dann Belgien. Und dann, schon wieder, Italien. "Ich weiß echt nicht, womit wir das verdient haben", lamentiert der 72-malige irische Nationalspieler Ray Houghton über die "Group of Death". Houghton, seit seinem Siegtreffer zum 1:0 gegen die Engländer bei der EM 1988 ein Nationalheld, sagt deshalb: "Wir müssen realistisch sein." Er sagt allerdings auch: "Von den 24 Mannschaften scheiden ja nur acht aus, vielleicht ..."

Die entscheidenden Männer der Iren stehen am Spielfeldrand. Nach den am Ende lähmenden Jahren unter Giovanni Trapattoni (2008 bis 2013) übernahm Martin O'Neill - und der holte gleich mal den ehemaligen Nationalspieler Roy Keane als Assistenten dazu. "Die beste Entscheidung, die ich getroffen habe", sagte O'Neill nach der Qualifikation, "er ist eine Ikone - manchmal polarisierend, aber in der Kabine eine absolute Führungsfigur."

So wie Shay Given, 40 Jahre alte Torhüterlegende: Er musste in der Qualifikation im Rückspiel gegen Deutschland ran, weil der Nachwuchs so rar ist. "Uns gehen die Talente aus", sagt Given. "Viele Jungs spielen Gaelic Football, Rugby oder Hurling." Und so ruhen die Hoffnungen auf John O'Shea, 35, und den derzeit angeschlagenen Robbie Keane, 35 - passend zum dem Titel der zweiten inoffiziellen Hymne der irischen Nationalmannschaft: "I just can't get enough."

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