IOC-PräsidentschaftsrennenDer Dreikampf wird zum Duell

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Gibt er künftig die Richtung vor? Juan Antonio Samaranch junior ist einer der aussichtsreichsten Kandidaten auf das Amt des IOC-Präsidenten.
Gibt er künftig die Richtung vor? Juan Antonio Samaranch junior ist einer der aussichtsreichsten Kandidaten auf das Amt des IOC-Präsidenten. (Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Beim einzigen offiziellen Wahlkampftermin im Rennen um die IOC-Präsidentschaft hinterlassen Juan Antonio Samaranch junior und Sebastian Coe den besten Eindruck – ganz anders als Bachs Schattenkandidatin Kirsty Coventry.

Von Thomas Kistner und Johannes Knuth

Zehn Minuten hat Sebastian Coe für seinen letzten großen Auftritt des Tages, vor nur 30 zugelassenen Reportern in einem kleinen Raum im Château de Vidy von Lausanne. Aber das reicht dem Lord, um einmal auf der Klaviatur seines Könnens zu spielen. Er eröffnet mit einem Witz über langatmige Reden, die er nun nicht halten wolle – oder doch? Dann knipst er eine bestürzte Miene an, betrauert die Opfer des Flugzeugabsturzes in New York, unter ihnen offenkundig auch Olympioniken. Fast nahtlos erzählt Coe anschließend, was ihn für das Präsidentenamt im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) befähigen würde; er schwelgt davon, wie ihm sein Vater einst das erste Paar Laufschuhe schenkte für eine Reise, die Coe zu Olympiasiegen tragen sollte, in eine Sportfunktionärskarriere hinein – und nun bis an die Schwelle des wichtigsten Postens im Weltsport.

Am Donnerstag stand in Lausanne der einzige offizielle Wahlkampftermin an: Alle sieben Kandidaten für die vakante IOC-Präsidentschaft präsentierten sich den mehr als 100 IOC-Mitgliedern. Wobei wenig weder an Wahl noch an Kampf erinnerte. Die Kandidaten mussten sogar ihre Mobilgeräte abgeben, ehe sie sich am Stammsitz des IOC für jeweils 15 Minuten dem zugeschalteten Wahlvolk präsentieren durften – einzeln, hinter verschlossenen Pforten, Nachfragen waren strikt untersagt. „Ich wünschte, wir könnten transparenter sein“, hatte Coes Mitbewerber Prinz Feisal al-Hussein aus Jordanien vorab ausgerichtet: „Wenn wir den mächtigsten Job im organisierten Sport vergeben, sollte die Welt wissen, wer die Bewerber sind.“ Immerhin durfte sich jeder Bewerber am Donnerstag zehn Minuten lang den Fragen der auserwählten Reporter stellen. Tiefschürfendes kam dabei zwangsläufig kaum herum, immerhin, Nachfragen, Luftholen und Atmen waren gestattet.

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Und auch die Antwort auf die Frage des Tages ließ sich durchaus beantworten. Die hatte Kandidat Nummer drei, Radsport-Weltverbandspräsident David Lappartient, so beschrieben: Strahlen die Kandidaten das Format aus, eine Sportbewegung mit Milliardenumsatz und diversen geopolitischen Verflechtungen zu leiten? Zog man die bisherigen Eindrücke und den Donnerstag heran, ergab das jedenfalls eine spannende Hochrechnung. Galten bislang drei Kandidaten als ernsthaft chancenreich – Coe, Juan Antonio Samaranch junior und Kirsty Coventry –, kann es im Grunde nur noch auf einen Zweikampf zwischen Coe und Samaranch junior hinauslaufen, dramatische Wendungen vorbehalten.

Beide hatten zuletzt weniger gesagt, dafür diskret ihre olympischen Adressbücher abgearbeitet. Coe nahm seine Verdienste als Präsident des Leichtathletik-Weltverbands immerhin zum Anlass, sich als Gegenentwurf zu Amtsinhaber Thomas Bach zu präsentieren, unter dem sich viele IOC-Mitglieder abgekoppelt fühlen sollen. Das ergänzte Coe am Donnerstag nur durch einen kleinen Seitenhieb: Man sollte die Wahlleitung lieber nicht kritisieren, doch die Regeln dieses bizarren IOC-Wahlkampfs müsse man sich noch einmal anschauen. Samaranch junior, Filius des früheren IOC-Patrons Samaranch senior, gab sich indes so präsidial wie angriffslustig. Er versprach etwa, die Ausrichter der Olympischen Spiele künftig wieder transparenter auszuwählen. Und er deutete an, dass er dem IOC ein neues Geschäftsmodell verpassen wolle, aber dazu später mehr.

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Während die Favoriten also bella figura machten, manövrierte sich die dritte Mitfavoritin in große Nöte. Kirsty Coventry, siebenmalige Olympiamedaillengewinnerin im Schwimmen und seit 2019 Ministerin unter anderem für den Sport in Simbabwe, hatte einen starken Moment: Sie wolle nicht wegen ihres Geschlechts oder ihrer Herkunft gewählt werden, sondern kraft ihrer Kompetenz. Diese untermauerte sie am Donnerstag allerdings nicht mit einem konkreten Vorstoß. Stattdessen musste sie mehrmals dem längst verfestigten Eindruck widersprechen, sie sei die Schattenkandidatin des Noch-Präsidenten. Nur hatte der langjährige Olympiareporter Duncan Mackay erst kurz zuvor berichtet, dass „einige IOC-Mitglieder sich intern über den Druck beschwert hätten, den Bach auf sie ausüben soll, damit Coventry unterstützt wird“. Ein IOC-Mitglied soll gar gedroht haben, all das der Ethikkommission zu melden. Das wäre dann zwangsläufig eine Beschwerde gegen den aktuellen IOC-Präsidenten – der die Regeln besonders massiv verletzt hätte. (Die IOC-Ethikkommission teilte auf SZ-Anfrage bloß mit, ihr lägen keinerlei derartige Beschwerden vor.)

Coventry bekräftigte dann noch ernsthaft, dass man die Debatte um das Frauenboxturnier in Paris kaum habe vorhersehen können. Das ignorierte nur solch geringfügige Vorgänge wie jenen, dass der Box-Weltverband zwei Boxerinnen wegen nicht näher definierter Geschlechtertests vor den Paris-Spielen suspendiert hatte. Als Coventry arg ins Schlingern geriet, fiel IOC-Sprecher Mark Adams so zufällig wie nachdrücklich ein, dass die zehn Minuten Redezeit abgelaufen waren.

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Der Rest der Kandidaten? Setzte kaum merkliche Akzente über das Bekannte hinaus. Radsport-Weltverbandspräsident Lappartient betonte, nachdem er in Donald Trump zuletzt einen Freund des Radsports ausgemacht hatte, dass er gegenüber dem US-Präsidenten selbstredend selbstbewusst auftreten werde. Ski- und Snowboard-Weltverbandspräsident Johan Eliasch erzählte vage davon, dass eine Toporganisation wie das IOC auch den qualifiziertesten Vorstand benötige – und sparte all die Rechtsstreitigkeiten und Debatten aus, die seit seiner Übernahme an der Fis-Spitze toben. Prinz Feisal schärfte sein Profil als Friedenskandidat, der Russland und Belarus wieder im Weltsport begrüßen würde. Und Turn-Weltverbandspräsident Morinari Watanabe erzählte mit der Freiheit eines chancenlosen Außenseiters, dass er Olympische Spiele auf fünf Kontinenten parallel auch deshalb vorgeschlagen habe, weil das IOC dann weniger diktieren könne und mehr mit örtlichen Ausrichtern kooperieren müsste.

Nicht nur das dürfte dem olympischen Konklave etwas zu experimentell vorkommen, wenn im März der neue Chef gewählt wird. Aufmerksamer wird es den Vorschlag verfolgen, den Juan Antonio Samaranch junior zuletzt geschärft hat. Der Spanier, seit Jahren als Investmentbanker aktiv, will im Falle seiner Wahl einen olympischen Fonds aufsetzen und diesen mit einer Milliarde befüllen, etwa mit namhaften Geldgebern aus der Private Equity. Diese würden Zugang erhalten zu wertvollen olympischen Ressourcen wie Sponsoring und TV-Produktion. Das soll das IOC auch unabhängiger von wenigen Sponsoren machen, die im vergangenen Olympiazyklus allein knapp 2,2 der 7,3 Milliarden an Einnahmen des IOC beisteuerten – zuletzt sprangen in Panasonic, Toyota und Bridgestone drei dieser Partner ab. Ob das die Art finanzieller Anreize sind, die Samaranch einen Vorteil verschaffen?

Die heiße Phase des Rennens, sie ist jedenfalls eröffnet.

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