IOC-Kongress in Guatemala:Kuschlig ist die Alpenkette

Bei der Vergabe der Winterspiele 2014 vertraut Salzburg auf sein Ambiente. Sotschi und Pyeongchang setzen auf ihre Finanzkraft, aber auch die Amerikaner mischen mit.

Thomas Kistner

Team Austria lädt zum Pressegespräch, und das karg bemessene Vestibül in der Casa Veranda lässt sich als Akt leiser Selbstironie deuten. 34 Stühle, umkämpft von rund 50 Journalisten, da bleibt kaum Raum für den Bundeskanzler. Alfred Gusenbauer hat frohe Botschaften in petto über Salzburg, das finanziell leider nur in der Superleichtgewichtsklasse kämpft um die Winterspiele 2014.

Gusenbauer Olympia 2014

Österreichs Bundeskanzler Alfred Gusenbauer setzt sich für Salzburg 2014 ein.

(Foto: Foto: dpa)

Doch die Österreicher schlagen sich wacker in der Milliardenschlacht mit Sotschi und Pyeongchang, unaufgeregt präsentieren sie ihre Stärken - "Salzburg bietet Dinge, die nicht mit Geld zu kaufen sind", so Gusenbauer - und haben sogar einen Weg gefunden, mit enormen Summen für sich zu werben, die ihnen gar nicht gehören. Wie das geht? "Ich wette", sagt der Regierungschef am Ende, "wenn Salzburg gewinnt, werden die Fernseherlöse für diese Spiele steigen!"

Amerika lässt Muskeln spielen

Die Wette gewinnt er. Der amerikanische Sender NBC, Hauptgeldgeber der Olympischen Spiele, will die neuen Verträge für 2014 und 2016 erst nach der Kür in Guatemala-City unterschreiben. Das gab es seit 20 Jahren nicht und schafft große Irritation im Internationalen Olympischen Komitee. Schockierend offen lässt Amerika die Muskeln spielen, was für die Abstimmung am Mittwoch bedeutet:

Sollte das IOC eines der Retorten-Ressorts in Russland oder Südkorea erwählen, wird weniger Fernsehgeld fließen als für Spiele im authentischen Salzburg, das ja von jener Alpenkette umbettet ist, welche die Mitbewerber nur am Reißbrett simulieren können. Zum wirtschaftlichen addieren die Amerikaner ein politisches Argument: Siegt Österreich, würde dies beste Chancen für die Sommerspiele 2016 in Chicago eröffnen. Denn dann wäre unwahrscheinlich, dass nach London 2012 und Salzburg ein dritter Ort in Europa zum Zuge käme; nicht mal Putins St. Petersburg.

Radmanns rätselhafte Krankheit

Weil aber auch die Russen wissen, wie das Spiel funktioniert, setzten sie im Schlussspurt alles daran, Salzburg auszuschalten. Die Brachialstrategie schuf allerlei Personalkapriolen im österreichischen Lager. Im Januar trat Kampagnenchef Fedor Radmann unter dem Eindruck einer über Nacht aufgetretenen, leider nicht näher präzisierten Krankheit zurück und emigrierte in die Schweiz.

Prompt fiel Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden wieder ein, dass Sotschis Werber sich zumindest einmal mit Radmann trafen und ihn dabei "zu sich rüberziehen" wollten. Zugleich tummelten sich plötzlich die Kapazitäten des nationalen Skisports im feindlichen Lager: Karl Schranz und Peter Schröcksnadel, der Altmeister und der Chef des nationalen Skiverbands. Letzterer verfolgt Geschäftsinteressen in Sotschi, während Schranz als Putins Ski-Berater am Schwarzen Meer firmiert und dort die IOC-Prüfkommission auch gleich im offiziellen Sotschi-Dress empfing.

Weil Salzburgs Kandidatur mit der Bob- und Rodelbahn Königsee einen deutschen Aspekt vorweist, schien es Sotschi zudem erstrebenswert, den bayerischen Film- und Modezar Willy Bogner samt Ski-Olympiasieger Markus Wasmeier den offiziellen Bewerberfilm für die Entscheidung am 4. Juli drehen zu lassen.

Kuschlig ist die Alpenkette

Dreister geht's nicht? Bürgermeister Schaden schweigt eisern zu all den Vorgängen. Kurz vor dem Finale will er sich "nicht in politischen Grabenkämpfen" aufreiben und vergilt Putins Paladinen die Störmanöver lieber mit Nadelstichen; etwa, indem er Salzburgs Vorzüge preist und das offene Land, die freie Presse und die Absenz von "politischen Ambitionen" betont.

Olympia 2014 Salzburg

Salzburg wirbt mit Natur und Tradition: zum Beispiel mit dem Geburtshaus Mozarts.

(Foto: Foto: Reuters)

Auch sei die eigene Bewerbung selbst aus IOC-Sicht "exzellent" - da freilich irrt der Laudator. Der Bewertungsreport bescheinigt Salzburgs Konzept nur "generell gute Qualität", Pyeongchang wurde "sehr hohe Qualität", Sotschi "hohe Qualität" attestiert - was neue Fragen aufwirft: Wie kann Kandidat Sotschi besser bewertet werden, obwohl es dort noch keine Sportstätten gibt?

Salzburg unsicherer als Sotschi?

Kurios auch Salzburgs schlechte Bewertung beim Thema Sicherheit: Ist wirklich anzunehmen, dass Sotschi mit Tschetschenen und Abchasen als grollenden Nachbarn oder Südkorea mit einem waffenverrückten Nordanrainer kuscheligere Plätze sind als die Mozartstadt?

Eher weist derlei darauf hin, dass sich das IOC wieder eine Tischvorlage zurechtzimmert, mit der sich ein unpassender Kandidat leichter aus der Kür schießen lässt. Indes hat Salzburg natürlich auch Schwachstellen, von der gedämpften Olympia-Euphorie in der Bevölkerung, welche laut Gusenbauer "den Wintersport in der nationalen DNA hat", bis zu den lebenslänglich ausgeschlossenen Langläufern, deren - von Sotschi-Freund Schröcksnadel gesteuerte - Vertuschungspraktiken mehr Schlagzeilen produzierten als die Bewerbung.

Die wissen nun immerhin, dass sie sich "auf einer eigenen Ebene" bewegen, wie Gusenbauer in Guatemala erläuterte: Da ihre Stadt, die "volle Stadien und eine gewachsene Wintersportkultur garantiert", dort all die "artifiziellen Versuche, bei denen sehr viel Geld fließt", aber nicht die aufwühlenden TV-Bilder rund um die Spiele entstehen können, die das Gesamtspektakel Olympia braucht.

Der legale oder illegale Weg

Am Ende landet wieder alles beim Fernsehargument. Auch Bürgermeister Schaden wuchert damit, er spricht das Thema "ganz direkt bei den IOC-Mitgliedern an". Es stünde ja so im IOC-Schlussbericht des Franzosen Jean-Claude Killy zu den Turiner Winterspielen 2006: Für hohe Einschaltquoten brauche es "mehr als nur guten Sport". Nämlich Ambiente, Emotion, eine spannende Kulisse - und für Amerika passende Übertragungszeiten. "Freunde", fordert Schaden die Olympier auf, "denkt doch mal an euer ureigenes Interesse."

Gerade das aber lässt sich auch auf einer anderen Ebene tun. Dort, wo Putins Werbekolonnen oder die aalglatten Emissäre der südkoreanischen Konzerne Samsung und Kia unterwegs sind, bei Afrikanern und Südamerikanern. Schaden hat das beobachtet, kommentieren mag er es lieber nicht. Nur so viel, in aller Demut: "Es gibt den legalen und den nicht legalen Weg. Ich weiß es, Sie wissen es, alle wissen es."

Seit Sonntag wissen sogar die Werber für Sotschi etwas mehr darüber. Da flatterte ihnen ein Erinnerungsschreiben ins Haus, Absender: Ethik-Kommission, IOC. Schau an. IOC-Mitglieder dürften nur in ihrem Hotel kontaktet werden, weshalb die protzige Eistanzfläche der Russen neben dem Tagungshotel gleich wieder eingeschmolzen werden kann. Sotschis bizarrer Blickfang allein ist zehnmal größer als die stille Pressekammer von Salzburg.

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