Investor Hasan Ismaik:Großer Jammer für 1860 München

Hasan Ismaik 1860 München

Sorgt zum ungünstigsten Zeitpunkt für Unruhe beim TSV: Hasan Ismaik.

(Foto: Andreas Gebert/dpa)
  • Vor dem entscheidenden Relegationsspiel gegen Regensburg sorgt Hasan Ismaik mit einem Brandbrief für Unruhe.
  • Der 1860-Investor kritisiert fehlende Loyalität im Verein und kündigt weitreichende Veränderungen an.
  • Selbst im Falle des Klassenerhalts muss der Jordanier 21 Millionen Euro zur Lizenzsicherung in der zweiten Liga bereitstellen.

Von Markus Schäflein und Philipp Schneider

Neben dem Sechzgermarsch und dem Titel "Mit Leib und Seele" von den Vorstadtkönigen hat der Fußball-Zweitligist TSV 1860 München neuerdings einen weiteren Gassenhauer im Repertoire: das Lied "Scheiß auf den Scheich, Scheiß auf sein Geld" auf die Melodie des Schlagers "Ich will Mallorca zurück" von Lorenz Büffel. Die Anhänger trugen es bereits im Relegations-Hinspiel beim Drittliga-Dritten Jahn Regensburg (1:1) vor, und vermutlich erklingt es auch an diesem Dienstag beim Rückspiel in der Fröttmaninger Arena wieder, zu dem mehr als 60 000 Zuschauer erwartet werden.

Das Lied sorgte beim TSV 1860 für ein weiteres innenpolitisches Erdbeben; selbstredend gefällt der Text dem jordanischen Investor Hasan Ismaik, der 2011 in Giesing einstieg und sich mittlerweile 60 Prozent der Anteile gesichert hat, nicht besonders gut. Der Verein "Freunde des Sechzigerstadions" postete den Text dennoch auf seiner Facebookseite.

Da beginnt das Problem: Der Vereins-Vorsitzende Markus Drees ist zugleich Verwaltungsrats-Vorsitzender und Beiratsmitglied der Profifußball-KGaA. Drees verwies darauf, dass er mit dem Eintrag bei Facebook nichts zu tun habe, ihn aber im Sinne der Meinungsfreiheit auch nicht löschen lasse.

Bevor Ismaik am 31. Mai im Falle des Klassenverbleibs unfassbare 21 (!) Millionen Euro bereitstellen muss, um die Lizenz für die kommende Zweitliga (!!)-Spielzeit zu sichern, würde er Drees und auch andere missliebige, aber demokratisch gewählte Vereinsvertreter gerne zum Rücktritt drängen. In einem Eintrag bei Facebook, den Ismaik ausgerechnet kurz vor dem wichtigsten Spiel der Saison absetzte, fordert er letztlich gar den kompletten Verwaltungsrat zum Rücktritt auf: "Nicht akzeptabel finde ich, dass ich aus den eigenen Reihen beleidigt werde. Ich hatte eigentlich erwartet, dass sich der Verwaltungsrat klar und öffentlich davon distanziert, aber das Gegenteil war leider der Fall. Für mich bedeutet diese Haltung eine Zustimmung der Verwaltungsräte."

"Diesen Fehler muss ich mir eingestehen"

Für die anstehenden Ergänzungswahlen des e.V.-Gremiums hat sich unter anderen Yahya Ismaik, ein Bruder des Investors, aufstellen lassen. Dass er gewählt wird, ist nicht einmal unwahrscheinlich. Es war schon immer der große Traum Ismaiks, die aus seiner Sicht leidigen 50+1-Regularien der Deutschen Fußball-Liga zu umgehen, indem er Fans und Vereinsmitglieder auf seine Seite bringt. Inzwischen bezahlt er eine Schweizer PR-Agentur dafür, seinen Facebook-Account "Ismaik1860" mit blumigen Wortbeiträgen in deutscher Sprache zu bestücken.

"Liebe Löwen", schrieb die Agentur nun in der Nacht zum Montag, "wir haben seit Sommer 2016 viele Millionen in die Mannschaft gesteckt und neben Stuttgart sowie Hannover den teuersten Kader. Und was kam dabei heraus? Die Relegation!" So weit, so bekannt und so korrekt. Aber dann fuhr Ismaik spektakulär fort: "Was ich mir vorwerfen muss, ist, dass ich sogenannten Fachleuten vertraut habe, ohne zu hinterfragen, was mit meinem Geld eigentlich passiert. Hier war ich blauäugig. Diesen Fehler muss ich mir eingestehen."

Ahnungslos und beratungsresistent

Diese Fachleute, die er namentlich nicht nennt, sind ohne große Fantasie natürlich als diejenigen zu identifizieren, die ihm den drittteuersten Kader der Liga angedreht hatten: Neben dem gefeuerten Trainer Kosta Runjaic, mit dem sich der Klub zuletzt nach ewigem Hin und Her auf eine Abfindung einigte, und dem ehemaligen Sportchef Thomas Eichin, den 1860 wegen eingestellter Gehaltszahlungen demnächst vor dem Arbeitsgericht wiedersieht, wird er damit vor allem seinen ehemaligen Lieblingsberater Kia Joorabchian aus London meinen.

Der in Fußballkreisen bekanntermaßen äußerst umstrittene Joorabchian war derjenige, der 1860 unter anderem den bislang teuersten Transfer seiner Geschichte unterjubelte: Für 3,2 Millionen Euro kam der brasilianische Stürmer Ribamar, der bislang nicht mit Einsätzen oder gar Toren, sondern nur mit einem bemerkenswert langen Hotelaufenthalt vor der Vertragsunterschrift auf sich aufmerksam gemacht hat und vor Beginn der Relegation aus privaten Gründen nach Brasilien zurückreiste. Eichin verhinderte dem Vernehmen nach eine Reihe weiterer Joorabchian-Transfers und zog sich so damals den Zorn Ismaiks zu.

Schon wieder ein Neuanfang

Zusammengefasst: Der Investor hat, seit er unter Duldung des passiven Präsidenten Peter Cassalette die Klubpolitik alleine gestalten darf, in einem einzigen Jahr exorbitant viel Geld für Misserfolg ausgegeben. Statt bislang rund fünf Millionen Euro pro Saison muss er nun den vierfachen Betrag stellen, ohne dass sich der Tabellenplatz verbessert hätte. Bemerkenswert ist der Schluss, den der Jordanier daraus zieht. Er sucht nicht etwa Hilfe von Leuten, die ihn vor seiner Naivität schützen könnten. Sondern er versucht offenkundig vor der anstehenden Mitgliederversammlung, die letzten verbliebenen kritischen Köpfe im e.V. auch noch loszuwerden. Es sei jedenfalls "endgültig festzustellen, dass grundlegende Änderungen auf allen Ebenen notwendig und die einzige Möglichkeit sind, um ein solides Fundament für einen Neuanfang und eine erfolgreiche Zukunft zu erschaffen", teilt Ismaik mit.

Schon wieder ein Neuanfang - auch der portugiesische Trainer Vitor Pereira, im Winter auf Ismaiks Betreiben gekommen, muss schon um seinen Job bangen. "Alles, was ich in den vergangenen Jahren unternommen habe, um den Verein voranzutreiben, ist auf allen Ebenen gescheitert", stellte Ismaik fest.

Letztlich ist es natürlich ein großer Jammer für den TSV 1860 München, dass der Klub möglicherweise vom weltweit einzigen fußballverrückten Investor geschluckt wurde, der nicht nur ahnungslos, sondern auch noch beratungsresistent ist. An diesem Dienstag geht es nun gegen Jahn Regensburg, dessen Mittelfeldspieler Andreas Geipl unlängst auch Facebook benutzt hat. Er wollte einen Griechenland-Urlaub verkaufen, den er wegen der Relegation nicht antreten konnte: eine Woche, 563 Euro.

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