Investor beim TSV 1860 München:Giesinger Versuchsballon

Der Einstieg des ersten arabischen Geldgebers im deutschen Profifußball könnte der Beginn einer neuen Zeitrechnung sein. Geht das Experiment beim TSV 1860 München gut, rufen bestimmt mehr klamme Vereine nach Investoren.

Gerald Kleffmann

Bisher war der TSV 1860 München ein Verein, der die Menschen hauptsächlich in Giesing, Straubing und Hof interessierte, in Lübeck, Köln und Berlin erhielt er nur Aufmerksamkeit, wenn er mal wieder eine bajuwarische Posse lieferte oder das finanzielle Aus kurz bevorstand - wie zuletzt. Ab sofort wird sich dieser Zustand ändern.

Mit dem Einstieg des Investors Hasan Ismaik bei den Löwen wird nicht nur der Hüter der 50+1-Regel, die Deutsche Fußball-Liga, den weiteren Verlauf begutachten, sondern auch die gesamte Branche wird mehr als interessiert hinsehen. Einen arabischen Geldgeber im deutschen Profifußball gab es noch nie. Gut möglich, dass das Münchner Experiment der Beginn einer neuen Zeitrechnung wird.

Offiziell hält der Jordanier nicht die Mehrheit der Fußball-KGaA. Inoffiziell ist aber trotz seines Besitzes von 49 Prozent der stimmberechtigten Anteile klar: Ismaik wird die Geschicke gestalten. Das Gute für die Liga ist, dass sie sich im Kleinen ansehen kann, ob dieses an der Grenze des Erlaubten gestaltete Modell funktioniert.

Die Summen, um die es beim Zweitligisten geht, sind jedenfalls kaum mit denen in England zu vergleichen, wo Scheichs aktiv sind. Mansour bin Zayed Al Nahyan hat mit einer dreistelligen Millionensumme Manchester City übernommen. Geschäftsmann Ismaik hat 18,4 Millionen Euro überwiesen, ein Teil dient zur Schuldentilgung. Es entsteht kein FC Chelsea München. Vorerst.

Funktioniert das Modell und schafft es 1860 zu reüssieren sowie die Traditionalisten, die auf Eigenständigkeit pochen, zu versöhnen, dann könnten sich dem deutschen Fußball letztlich neue Wege eröffnen, Stichwörter: Kapital, Vermarktung, TV-Rechte. Ismaik betont, dass viele in seiner Heimatregion - die nur Englands Fußball auf dem Radar hat -, bereitstünden, seinem Beispiel zu folgen, wenn sie sehen, dass es sich lohnt.

Funktioniert das Modell aber nicht, weil der Klub nicht aufsteigt und/oder seine Identität verliert, werden jene zur Stelle sein, die stets vor fremdem Einfluss warnten. Es entbehrt in diesem Zusammenhang nicht einer Ironie, dass ausgerechnet der vom Unglück verfolgte TSV, bei dem die Fanszene gespalten ist wie fast nirgendwo, den Versuchsballon darstellen muss.

Denn noch ist trotz des offenbar seriösen Hintergrunds von Ismaik der Ausgang offen. Anfang Juli beschäftigt sich ein DFB-Schiedsgericht mit der Klage von Martin Kind. Der Präsident von Hannover96 kämpft gegen die 50+1-Regel. Sollte diese fallen, dürfte aber sicherlich so mancher Klub, der jetzt über 1860 klagt, auch einen Ismaik herbeisehnen. Klamme Vereine gibt es viele.

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