Investor bei 1860 München:Ismaik fühlt sich kleingemacht

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"I cannot work with these people": Investor Hasan Ismaik. (Foto: dpa)

Dramatische Entwicklung beim Münchner Zweitligisten: Investor Ismaik zahlt beim TSV 1860 nicht mehr und ruft die Mitglieder zum Sturz des Präsidiums auf. Seine Sicht der Dinge: Er habe alle glücklich machen wollen. Und sei nur ausgelacht worden.

Von Philipp Schneider

Die Einladung des Jordaniers erging spät am Abend, aber die Uhrzeit spielte jetzt wirklich keine Rolle mehr. Es war nur ein weiterer Tag zu Ende gegangen im Leben des Geschäftsmannes aus Abu Dhabi, auch wenn er die Welt des Zweitligisten TSV 1860 München soeben kräftig erschüttert hatte. Hasan Ismaik, der erste arabische Investor im deutschen Fußballbetrieb, war noch immer der Unverstandene, so sah er das jedenfalls.

Er hatte seine Partner nicht von seinen großen Plänen überzeugen können, die Gespräche waren gescheitert. "I cannot work with these people", hatte er gerufen, nachdem er mit wehendem Mantel aus der vierstündigen Krisensitzung gestürmt war, wo es um die Existenz des Klubs gegangen war - der nun dauerhaft wohl nicht wird bestehen können, ohne die von Ismaik bereits für die nächsten zwei Jahre zugesagten Zuschüsse in Höhe von je 6,5 Millionen Euro.

Später wandte sich dieser ewig Unverstandene also noch einmal an die Öffentlichkeit, und seine Zuhörer bahnten sich den Weg in das Mandarin Oriental Hotel, eine der feinen Adressen im Münchner Zentrum. Dort passierten sie die Lounge mit dem Barpianisten am schwarzen Flügel, sie versanken in einem dicht geknüpften Teppichboden, so weich, wie er wohl nur in Arabien gewebt werden kann, ehe es ins Séparée ging, wo sich die Familie Ismaik mit ihrem Stab an Beratern um einen Couchtisch versammelt hatte.

Tief in der Sofaecke lehnte der Investor selbst, vor sich eine Schale mit Datteln, ein Aschenbecher mit dem verkohlten Stumpen einer Cohiba. Ein Lächeln, ein kräftiger Händedruck. "Hello my friend." Und von draußen drangen die Klänge des Pianisten, er spielte jetzt "Strangers in the night". Kein Witz.

Vor acht Monaten war Ismaik, 36, letztmals zu Gast gewesen in München, der Heimat jenes Traditionsvereins, in den er sich vor eineinhalb Jahren eingekauft - und den er damit vor der Insolvenz gerettet hatte. Als neuer Gesellschafter war er eine Partnerschaft mit dem Klub eingegangen, rund 27,5 Millionen Euro investierte er seither in 60 Prozent der Anteile (49 Prozent davon sind stimmberechtigt) an der KGaA und für weitere Darlehen, die seither als Schulden auf seiner Fußballfirma lasten - und damit eben auch auf dem Turn- und Sportverein von 1860 e.V., der als Gesellschafter für gemeinsame Verbindlichkeiten mithaftet. Ein recht simpler Fakt, über den Ismaik seit mehr als einem Jahr mit den Vereinsvertretern streitet, die eine weitere Verschuldung der KGaA ablehnen. Auch unter Verweis auf die geltenden Regularien der Deutschen Fußball Liga (DFL).

Schon am Montagmorgen hatte Ismaik deshalb erneut den Rücktritt von Vereinspräsident Dieter Schneider gefordert. Am Abend, während der Sitzung, war er dann sehr viel weiter gegangen: Dort forderte Ismaik "personelle Entscheidungskompetenzen, die weit über das von der DFL erlaubte Maß hinausgehen", wie Schneider berichtete. "Da wäre es um die höchste Ebene gegangen." Das warf Fragen auf.

Nachts, in der gemütlichen Ecke des Edelhotels, wurde der Investor nun konkret. "Stellen Sie sich vor, Sie sind ein international tätiger Unternehmer und dann müssen Sie zusammenarbeiten mit einem Autoverkäufer, einem Politiker und einem Polizisten", sagte er. "Alles steht für uns auf dem Prüfstand." Es geht dem Millionär, der seit einiger Zeit als Managing Director bei einem großen arabischen Bauunternehmen arbeitet, längst nicht mehr um eine persönliche Fehde mit dem Präsidenten (dem er "Unehrlichkeit" vorwirft). Er fordert inzwischen den Austausch aller drei Vereinsvertreter im sechsköpfigen Aufsichtsrat der gemeinsamen Fußballgesellschaft: Jener Personen also, die die Gremien des e.V bestimmen, nachdem sie von den Vereinsmitgliedern in einem demokratischen Verfahren gewählt wurden. Doch Ismaiks Strategie ist ja wahrlich raffiniert: "Ich vertraue darauf", sagte er an diesem Abend im Kreise seiner Familie, "dass die Fans im März die richtigen und kompetenten Leute wählen." Dann nämlich steht eine Versammlung an, in der die Mitglieder das Präsidium neu wählen.

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Die DFL-Statuten schreiben vor, dass die Vereine in Gesellschafter-Modellen mit Investoren die politische Entscheidungshoheit wahren. Doch das Prinzip, das die deutschen Profiklubs im Innersten zusammenhält - dass Ehrenamtler in verantwortlicher Position sitzen -, dieses Prinzip kommt dem vermögenden Mann aus Arabien offenbar vor wie ein gelebtes Kasperletheater, wo der Polizist mit Inbrunst und dem Knüppel in der Hand tagtäglich das Krokodil totprügelt.

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Franz Maget, Mitglied des Aufsichtsrats der KGaA, Vizepräsident des Vereins und einer der von Ismaik adressierten "Politiker", hatte schon nach der eskalierten Sitzung am Montag erzählt, man habe versucht, dem Investor die Prinzipien von "50+1" klarzumachen. Man könne den Verein nicht beliebig verschulden, das sei der entscheidende Punkt. "Uns sind da die Hände gebunden, und wir werden uns an den eingeschlagenen Kurs strikt halten", betonte er.

Doch das Problem könnte ein anderes sein: Im Umfeld Ismaiks hat es offenbar niemals jemanden gegeben, der ihn über die Stringenz der Regel "50+1" aufklärte. "Ich werde nun zur DFL gehen!", kündigte der Investor nach der Sitzung immerhin selbst an. Nicht um sich zu beschweren, "sondern um mich zu informieren" wohlgemerkt, wie er später präzisierte.

Und dann gab es im Disput der Gesellschafter bei 1860 noch diese Posse um den ehemaligen englischen Nationaltrainer Sven-Göran Eriksson. Ismaik wollte ihn gerne als Nachfolger für Reiner Maurer als Trainer installieren. Der Verein lehnte ab. Aus finanziellen und sportlichen Erwägungen, obwohl Eriksson doch "gute Kontakte nach England, Afrika und Südamerika" habe, wie Ismaik versicherte. Schneider habe amüsiert abgelehnt und sich über den Vorschlag lustig gemacht.

"Wie er reagiert hat, war respektlos. Ich hätte zumindest eine sachliche Auseinandersetzung erwartet", sagte Ismaik, und er rief nun: "They made me small!", dann schwang er mit seinem mächtigen Oberkörper nach vorne, "small!", und mit den Fingern zeigte er diese Geste, einen minimalen Abstand zwischen Daumen und Zeigefinger nur, mit der sich Menschen so gerne über zu kurz geratene Körperteile anderer amüsieren.

Es war der Moment aller Momente an diesem Abend im Hotel Mandarin. Hier sprach ein Mensch, dem es augenscheinlich um sehr viel mehr ging als komplizierte Statuten; es ging auch nicht mehr allein um Fragen der Vernunft und die diskussionswürdigen Kompetenzen des betagten Fußballlehrers Eriksson. Es ging jetzt um Respekt. Und um den Stolz eines Geschäftsmannes, der es gewohnt ist, dass seine Anweisungen befolgt werden.

"Ein Geschenk" habe er sein sollen, dieser Eriksson, und wie es mit den besten Geschenken auf dieser Welt nun einmal der Fall ist, wollte er die Beschenkten damit überrumpeln und in Erstaunen versetzen, dass sie vor Freude quieken. Also rief er Schneider an: "I have good news, Mr. Schneider", sagte Ismaik damals, Eriksson steige tatsächlich ein, "at the same package", zu annähernd denselben Konditionen wie Maurer. Nur 50.000 Euro jährlich wolle er mehr verdienen, das sei ja wohl der Knaller!

Und nun? Hat Ismaik einfach alle Zahlungen vorerst eingestellt und den Dreijahresplan aufgekündigt. Ob er denn, gäbe man ihm denn nur die Möglichkeit dazu, diesen Tag noch einmal zu gestalten, irgend etwas anders machen würde? "No, nothing", sagte er. Dann versank er zwischen Plüsch.

© SZ vom 09.01.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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