Interview zu Nagelsmann und Tedesco:"Jule saß in der ersten Reihe, Domme ganz hinten"

Duell Nagelsmann - Tedesco

Treffen erstmals in der Bundesliga aufeinander: Hoffenheim-Coach Julian Nagelsmann (links) Schalke-Trainer Domenico Tedesco.

(Foto: dpa)

Was unterscheidet die Trainer-Jungspunde Nagelsmann und Tedesco? Ex-Profi Patrick Weiser erhielt gemeinsam mit ihnen die Lizenz - und berichtet.

Interview von Sebastian Fischer

Wenn an diesem Samstag die TSG Hoffenheim den FC Schalke 04 empfängt, treffen die beiden jüngsten Trainer der Bundesliga erstmals aufeinander: Julian Nagelsmann, 30, und Domenico Tedesco, 32, lernten sich als Nachwuchstrainer bei der TSG Hoffenheim kennen und besuchten während der Saison 2015/2016 gemeinsam den 62. Fußballlehrer-Lehrgang an der Hennes-Weisweiler-Akademie in Hennef. Tedesco war damals U 17-Trainer, er schloss als Jahrgangsbester mit der Note 1,0 ab. Nagelsmann, der während seiner Ausbildung vom Hoffenheimer U 19-Trainer zum Bundesliga-Coach befördert wurde, hatte eine 1,3 auf dem Zeugnis stehen. Patrick Weiser, früher Bundesliga-Profi in Köln und Wolfsburg, heute U 17-Nachwuchstrainer bei Bayer 04 Leverkusen, war einer von 21 weiteren Fußballlehrern, die im März 2016 mit Nagelsmann und Tedesco ihre Lizenz erhielten.

SZ: Herr Weiser, wie haben Sie Julian Nagelsmann und Domenico Tedesco kennengelernt?

Patrick Weiser: Beim Eignungstest, der dauert drei Tage lang, bei einer Lehrprobe, die jeder Anwärter auf dem Trainingsplatz abgeben muss. Ich war zwar eher auf mich konzentriert, aber die beiden habe ich schon wahrgenommen. Beide waren auf dem Platz forsch und laut. Aber das ist nicht ungewöhnlich.

Sie wurden alle drei für geeignet befunden und haben sich dann regelmäßig im Klassenzimmer gesehen. Wie war das?

Man ist immer von Montag bis Mittwoch da, ich bin immer am Montagmorgen aus Köln gekommen, andere schon am Sonntag. Man lernt etwas Praxis, aber auch viel Theorie, Psychologie, Physiologie, Regelkunde, solche Dinge. Es hat sich schon herauskristallisiert, dass Jule (Nagelsmann, d. Red.) seine Meinung deutlich äußert, die Richtung vorgeben will. Er hatte kein Problem, im Vordergrund zu stehen, hat gerne polarisiert. Ihm ist vieles leicht von der Hand gegangen. Die beiden waren sehr unterschiedlich. Domme (Tedesco, d. Red.) war der strebsame, akribische Arbeiter im Hintergrund. Er hat alles aufgesaugt und viel mitgeschrieben. Dass er eine gute Note bekommt am Ende, war klar.

Nun sehen Sie beide jedes Wochenende im Fernsehen. Haben sie sich verändert?

So, wie sich beide in Interviews geben, kenne ich sie auch aus dem Lehrgang. Das finde ich gut.

Es ist viel von einer Freundschaft zwischen den beiden die Rede, weil sie damals eine Fahrgemeinschaft bildeten. Wie war das, standen beide auch immer zusammen auf dem Pausenhof?

Also Jule hat in der ersten Reihe gesessen, Domme ganz hinten (lacht). Ob sie viel zusammen gemacht haben, weiß ich nicht. Der Zeitplan ist allerdings straff, in den Pausen werden oft schon kleine Dinge für die nächste Stunde besprochen, jeder muss seine Referate vorbereiten. Und Fahrgemeinschaften hatten viele. Aber Jule ist auch oft alleine mit dem Motorrad gekommen.

Können Sie sich an Referate der beiden erinnern?

Klar erinnere ich mich, jeder muss ja zu jedem Thema referieren. Jule ist sehr ruhig, rhetorisch sehr begabt, kann mit viel Witz erzählen. Domme steht ein bisschen mehr unter Strom. In der Öffentlichkeit zu reden, ist jetzt, glaube ich, nicht unbedingt sein Steckenpferd.

Wie Nagelsmann auf seiner Meinung beharrte

Sind die beiden aufgefallen?

Es gab mal eine Diskussion, es ging darum, von welcher Seite man eine Dreierkette am besten anläuft. Jule hat gesagt: "Ich mache das so." Frank Wormuth (Leiter der DFB-Fußballlehrer-Ausbildung, d. Red.) hat gesagt: "Das ergibt keinen Sinn." Jule hat schon häufiger mal Kontra gegeben. Er hat sich nicht verbiegen lassen, hat auf seiner Meinung beharrt. Irgendwann musste er natürlich klein beigeben, damit der Unterricht weitergeht. Aber es war schon klar, dass er trotzdem seine Meinung behält.

Es war nicht nur wegen Nagelsmann und Tedesco ein erfolgreicher Jahrgang. Alexander Nouri ist nun Trainer in Bremen, Hannes Drews ist Zweitliga-Coach in Aue, Kenan Kocak hat Erfolg beim SV Sandhausen. Und viele andere Absolventen arbeiten - wie Sie - in Nachwuchsleistungszentren.

Das ist schon eine gute Quote. Wir wurden von den Ausbildern kritisch gesehen, weil wir im Vergleich mit den Jahrgängen vor uns wohl sehr strebsam und ruhig waren, es gab wenig Diskussionen, jeder war eher für sich. Ich finde es im Nachhinein enttäuschend, dass man nichts mitbekommen hat von den Ideen der einzelnen Trainer. Du kriegst bestimmte Themen für das Training der Offensive und der Defensive, und dann muss man eine Trainingseinheit entwickeln und präsentieren. Nach den Kriterien, die man vorher im Unterricht erarbeitet hat. Es geht viel ums Auswendiglernen. In den zehn Monaten steht man vielleicht sechs Mal auf dem Platz, für 20 Minuten. Es geht mehr darum, wie man sich rhetorisch präsentiert. Die beiden, Jule und Domme, präsentieren sich sehr gut.

Was fällt Ihnen heute auf, wenn Sie Spiele von Hoffenheim oder Schalke 04 anschauen?

Ich finde, bei beiden kann man eine klare Handschrift erkennen. Man sieht, was sie auf dem Platz wollen, kontinuierlich. Jule hat schon in Hennef viel von einer Dreierkette gesprochen - und ich finde gut, dass man das immer noch bei ihm sehen kann.

Erfüllen die beiden eigentlich das Klischee vom Einser-Schüler, der auf den eigenen Erfolg bedacht ist?

(Lacht) Nein, überhaupt nicht. Beide waren sehr hilfsbereit.

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