SZ: Herr Schaaf, verfolgen Sie eigentlich noch, wie sich Ihr früherer Spielmacher Diego bei Juventus Turin macht?
Bremens Trainer Thomas Schaaf.
(Foto: Foto: dpa)Thomas Schaaf: Natürlich. Aber das Spiel des FC Bayern bei Juventus habe ich mir nur in der Konferenzschaltung angesehen, also relativ wenig.
SZ: Hätten Sie gedacht, dass er solche Probleme in Turin bekommt? Er gilt nach einem prima Einstand inzwischen als Sinnbild der Juve-Krise.
Schaaf: Um Diego brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Er hat bei uns eine phantastische Entwicklung genommen. Aber wenn eine Mannschaft nicht so gut funktioniert, wird meist an zwei, drei Spielern herumgemäkelt. Die sollen dann Schuld sein. So einfach ist das aber nicht.
SZ: Als Diego im Sommer ging, mussten Sie Werder mal wieder neu erfinden. Die Mannschaft war sehr auf ihn fixiert und hat sich oft zu sehr auf ihn verlassen.
Schaaf: Wir haben damals auch ohne Diego wichtige Spiele gewonnen. Deshalb müssen wir jetzt nicht alles neu erfinden. Fakt ist, dass wir einen sehr dominanten Spieler verloren haben. Mit seiner Qualität wären wir heute noch stärker.
SZ: Es gibt aber auch die These, dass das "neue" Werder-Team so gut ist, weil es keinen mehr gibt, dem man im Zweifelsfall alles zuschiebt.
Schaaf: Wenn man einen solchen Spieler hat, der gerne im Vordergrund steht und immer den Ball haben will, dann kann es sein, dass manche sagen: Der ist ja da, auf den kann man sich verlassen. Ich glaube aber, dass unsere Spieler sich insgesamt weiterentwickelt haben. Mesut Özil und Aaron Hunt etwa konnten sich so gut entwickeln, weil Diego da war.
SZ: Und wieso klappt es ohne Diego plötzlich auch in der Defensive, die inzwischen die zweitbeste der Liga ist?
Schaaf: Wir machen schon wieder den Fehler, dass wir einen Spieler herausnehmen und für alles verantwortlich machen, negativ wie positiv. Es ist ein Gesamtgebilde. Und dieses Gesamtgebilde hat daran gearbeitet, dass wir nun auch hinten besser stehen.
SZ: Weil zum Beispiel Clemens Fritz wieder frühere Leistungen abruft?
Schaaf: Wir haben eine bessere Balance hinbekommen zwischen Offensive und Defensive. Wir haben jetzt viele Spieler auf einem besseren Niveau als vorher, nicht nur Fritz.
SZ: Ist es nicht ein "modernerer" Fußball, wenn ein Team nicht mehr ganz auf einen Spieler ausgerichtet ist?
Schaaf: Da widerspreche ich. Wir brauchen dominante Typen, am besten elf. Wir wollen ja auch einen Özil, einen Hunt, einen Per Mertesacker oder Torsten Frings stark haben.
SZ: Waren Sie sich sicher, dass das neue Trio mit den jugendlichen Özil, Hunt und Marko Marin so schnell so wunderbar harmonieren würde?
Schaaf: Da ist ja schon wieder populistisch vom "magischen Dreieck" die Rede gewesen. Sie sind Teil einer funktionierenden Mannschaft. Fest steht, dass sie alle eine positive Entwicklung genommen haben. Nehmen Sie Özil, er hat im Schatten von Diego viel gelernt. Und weil der Dominante nicht mehr da ist, steht er jetzt in einem noch besseren Licht.
SZ. Manche sagen, Özil sei fast schon Weltklasse. Was fehlt ihm noch?
Schaaf: Als er dieses erste gute Länderspiel gemacht hatte, waren alle so verwundert, als hätte er so etwas bei Werder noch nie gezeigt. Wir hier waren natürlich nicht überrascht.
SZ: Wo kann er sich noch verbessern?
Schaaf: Wir wissen noch nichts über seine Konstanz. Körperlich muss er noch zulegen, er muss sein Kopfballspiel verbessern und sehen: Wann kann ich ein Dribbling machen und wann muss ich abspielen? Das sind Erfahrungswerte.
SZ: Haben Sie Aaron Hunt den Sprung zum Nationalspieler noch zugetraut?
Schaaf: Wir wussten schon die ganzen Jahre, was er für Talente hat. Jetzt ist er endlich mal ohne Verletzungen durch die Vorbereitung gekommen und kann seine Fertigkeiten zeigen.
SZ: Und Marko Marin?
Schaaf: Dass er ein phantastisches Talent besitzt mit ausgezeichneten Fähigkeiten, gerade was die 1:1-Situationen angeht, wussten wir. Für uns war klar, dass er in Mönchengladbach bei weitem noch nicht so am Spiel teilgenommen hat, wie wir das in unseren Gedanken schon gehabt haben. Alle drei profitieren übrigens von der Harmonie dieser Mannschaft, in der zum Beispiel auch ein Pizarro, Frings oder Bargfrede stark auftreten.
SZ: Trotzdem mussten Sie das Werder-Spiel wieder mal verändern. Das war so, als der Regisseur Johan Micoud ging und durch Diego ersetzt wurde. Und auch Özil spielt anders als Diego.
Schaaf: Ja, wir hatten damals einen Spieler wie Johan Micoud, der es geschafft hat, mit nur einem Kontakt zu spielen - phantastisch.
Auf der nächsten Seite: Thomas Schaaf über die heutigen Erwartungen an junge Spieler, die Stärken seiner Mannschaft und die Chancen auf die Meisterschaft.