Süddeutsche Zeitung

Interview:"Ohne finanzielle Hilfen werden wir es nicht schaffen"

Vor seinen letzten Weltcups als Chef des Organisationskomitees in Garmisch-Partenkirchen spricht Peter Fischer über alpine Skirennen in Corona-Zeiten, monetäre Zwänge und seinen designierten Nachfolger.

Von Johannes Knuth

Es ist auch eine Ära, die mit den alpinen Weltcups in Garmisch-Partenkirchen an den kommenden beiden Wochenenden endet: Diese Wettkämpfe werden die letzten sein, die Peter Fischer als Chef des Organisationskomitees sowie Vorstand des Skiclub Garmisch verantwortet. In Fischers Amtszeit, immerhin knapp 24 Jahre, fallen bewegte Momente: Die alpine Ski-WM 2011 als Glanzpunkt, auch manche Debatte um die Kandahar-Rennen, die der 66-Jährige mit seiner direkten und manchmal auch sturen Art nicht immer galant moderierte. Aber was das Organisieren betraf, vielen Widrigkeiten zum Trotz, hat sich sein Team in all den Jahren einen sehr guten Ruf im Weltcup erarbeitet. Für große Rückblicke oder gar Sentimentalitäten ist aber noch keine Zeit: Zum einen ist das nicht gerade Fischers Art, zum anderen warten an den kommenden Wochenenden noch gewaltige Herausforderungen, nicht nur wegen der Corona-Pandemie: Die einzigen deutschen Alpin-Weltcups in diesem Winter - mit je einer Abfahrt und einem Super-G für Frauen und Männer - sind die letzten Generalproben vor der WM in Cortina d'Ampezzo. Das erste Training der Frauen am Donnerstag fiel prompt aus: zu viel Schnee und Regen, wieder einmal.

SZ: Herr Fischer, haben Sie die vergangenen Tage auch mal besorgter nach Kitzbühel und Wengen geschaut, wo einige Rennen bzw. sogar ein ganzer Weltcup Corona-bedingt ausgefallen sind?

Peter Fischer: Ein wenig, wobei die Voraussetzungen ja sehr unterschiedlich sind. In Kitzbühel war das Problem, dass in der Nähe eine Virus-Mutation aufgetreten ist, in Wengen hatten sie erhöhte Fallzahlen, aber dort ist über die Feiertage der Skibetrieb für Touristen normal weitergelaufen. Das ist hier bei uns ja nicht der Fall. Für die Hotellerie und Gastronomie ist das natürlich nicht schön, aber für uns ist das ein großer Vorteil, weil wir unter uns sind - auch in den Hotels. Das größte Risiko sind gerade ein paar Tourengeher an der Piste, aber die kommen den Helfern am Hang nicht nahe. Wir haben am Dienstag unsere erste Testrunde für alle Mitarbeiter absolviert - in der kommenden Woche, vor dem Weltcup der Männer, werden alle noch einmal durchgetestet - da ist auch alles positiv verlaufen. Also negativ natürlich, was die Ergebnisse anbelangt!

Sie richten in diesem Winter als einziger Veranstalter zwei alpine Weltcup-Wochenenden aus, jeweils mit vorgeschalteten Trainingsläufen für die Abfahrten. Wie schafft man da Planungssicherheit in Zeiten, in denen kaum etwas planbar ist?

Es ist natürlich ein enormer Aufwand. Wir arbeiten seit vergangenen August mit dem Gesundheitsamt zusammen, wir haben einen eigenen Hygienearzt, einen eigenen Hygiene-Beauftragten - da erfüllen wir alles, was zu erfüllen ist. Das Schwierige ist, dass sich die Voraussetzungen fast täglich ändern können. Ein Beispiel sind die Unterkünfte: Von 15 Hotels, in denen wir Athleten, Betreuer und Offizielle unterbringen, sind uns sieben abgesprungen, weil es sich für sie wirtschaftlich nicht lohnt, während des Lockdowns zu öffnen. Da haben wir in den verbliebenen Hotels viele Kapazitäten neu verteilen müssen, damit alle Hygieneregeln eingehalten werden. Ein anderes Beispiel sind unsere Helfer. Deren große Zahl ist aus Sicht des Gesundheitsamts ein Problem...

...insgesamt sind 350 Menschen über zwei Wochen im Einsatz...

...zunächst hieß es etwa, die dürfen zu neunt an einem Tisch sitzen, wenn sie eine Pause machen. Das ist mittlerweile auf vier Personen reduziert worden. So müsste man im Falle eines Positivtests erst mal nur diese vier Helfer isolieren. Aber das bedeutet auch wieder mehr Aufwand: Wie können die in kleineren Gruppen zusammenarbeiten, damit alle Aufgaben erledigt werden, wie müssen wir die Schichten anpassen? Die Gruppen können schon noch gemeinsam am Hang arbeiten, aber sie dürfen sich nicht vermischen. Wenn ein Helfer von jemandem aus einer anderen Gruppe eine Schaufel haben will, um Schnee von der Piste zu schippen, dann geht das nicht. Oder auch, wenn man während einer Pause nur mal kurz etwas mit jemandem aus einem anderen Team besprechen will. Dem Gemeinschaftsgefüge, das bei so einer Veranstaltung schon sehr wichtig ist, ist das nicht gerade zuträglich. Und das kommt natürlich zu den normalen Aufgaben dazu, auch zu den Herausforderungen durch das Wetter.

Die Vorhersage für dieses Wochenende - viel Schnee und Regen, warme Temperaturen - klingt nicht erbaulich.

Gut, die Hauptarbeit hatten wir in den vergangenen Tagen. Nach dem 18. Januar hatten wir noch mal enorme Schneemengen, da mussten wir den Schnee erst mal aus der Piste schaufeln und mit der Pistenraupe anrücken, weil sonst die Sicherheitsnetze nicht mehr hoch genug gewesen wären. Zu Wochenbeginn hatten wir dieses Spiel noch mal von vorn. Aber Jammern nützt ja nichts. Ich sage ja gerne: Wenn's leicht ginge, könnte es jeder machen.

Sie hatten sich schon früh damit arrangiert, dass Ihre Weltcups ohne Zuschauer stattfinden. Können Sie schon abschätzen, ob Sie beide Wochen trotzdem mit einer ausgeglichenen Bilanz abschließen können?

Das kann ich noch überhaupt nicht sagen. Wir leben im Regelfall von den Zuschauern, wie viele andere Veranstalter auch. Wir haben natürlich die sogenannten Überbrückungshilfen beim Bund beantragt, da haben wir aber noch nichts erhalten, wie viele andere auch nicht. Aber ohne diese Hilfen werden wir es gar nicht schaffen. Das Geld ist für uns existenziell.

Das klingt gewagt. Es geht da ja nicht nur darum, zwei Weltcup-Rennen abzusichern.

Absolut. Unsere Veranstaltungen sind nun mal auch mit dem Skiclub Garmisch verknüpft. Auch langfristig: Die Erträge aus dem Weltcup-Geschäft fließen in unsere Nachwuchsarbeit.

Wären Sie gegen einen Corona-Ausfall versichert?

Wir haben tatsächlich noch eine Versicherung, die auch Risiken einer Pandemie absichert. Das wird es in Zukunft sicherlich nicht mehr geben, zumindest nicht zu den bisherigen Konditionen. Das Problem dabei ist nur: Wir können auch mit der derzeitigen Versicherung nicht die fehlenden Zuschauereinnahmen ausgleichen - wir wussten ja früh, dass in diesem Jahr keine Zuschauer kommen werden. Was eine Corona-bedingte Absage der Rennen angeht, halte ich das momentan aber für sehr unwahrscheinlich. Sowohl in Garmisch-Partenkirchen als auch in anderen Orten sind die Infektionszahlen zuletzt Gott sei Dank gesunken.

Michael Huber, Ihr Kollege, der die Kitzbüheler Hahnenkammrennen organisiert, hat zuletzt gesagt, dass man sich den Aufwand auch deshalb antue, weil Skirennen während einer Pandemie auch ein Zeichen seien: dass eine gewisse Normalität möglich ist, bei allen außergewöhnlichen Umständen.

Das sehe ich ganz genauso. Ich merke das auch in unserem Team, so witzig das jetzt klingt: Alle, die da mitarbeiten, sind froh, wieder unter Leuten zu sein. Die sind mit einer Ruhe, aber auch mit einer Begeisterung dabei, die freuen sich, am Berg zu sein, auf der Piste zu helfen. Ob das jetzt in Kitzbühel oder Garmisch-Partenkirchen ist: Das ist in erster Linie mal eine gemeinsame Anstrengung. Wenn du gerade überall nur noch im Home-Office bist, dann fehlt dieser menschliche Kontakt. Auch wenn der auch bei uns gerade natürlich sehr eingeschränkt ist, auch an der Piste. Aber es ist ein Kontakt da.

Sie arbeiten in diesem Jahr erstmals Ihren designierten Nachfolger Fritz Dopfer ein, der bereits Angestellter des Organisationskomitees ist. Wie ist Ihr Eindruck?

Fritz ist seit vergangenem September bei uns fleißig dabei, so wie es geplant war. Ich halte ihn für einen großen Gewinn, nicht nur für das OK, sondern auch für den Ski-Weltcup. Er ist lange für den SC Garmisch gefahren, kennt sich im Skizirkus aus und bringt einen Sportmanagement-Abschluss mit. Ein Weltcup in der Corona-Pandemie ist natürlich eine spezielle Situation, aber er muss ja auch lernen als Berufseinsteiger, unter anderem hat er jetzt schon unser Hygienekonzept entworfen. Wir hoffen natürlich, dass das kein Dauerthema wird.

Sie selbst wollten bei den bevorstehenden Weltcups nur noch beratend zur Seite stehen und sich schon im vergangenen Dezember komplett zurückziehen: als Vorstand des SC Garmisch sowie als Präsident und Geschäftsführer des OK. Dazu ist es noch nicht gekommen.

Die Mitgliederversammlung mit der Neuwahl hätte im vergangenen Dezember stattfinden sollen, musste wegen der Pandemie aber verschoben werden. Wir hoffen, dass wir das im kommenden Frühsommer nachholen können. Dort wird dann ein neuer Präsident für den Skiclub und das OK gewählt (laut Satzung hat eine Person beide Ämter inne, Anm. d. Red.). Eines ist aber ganz sicher: Ich werde dafür nicht mehr kandidieren.

Sie haben zuletzt gesagt, dass Sie den Zeitpunkt Ihres Abschiedes am liebsten selbst bestimmen wollten und dass jetzt einfach die Zeit gekommen sei. Was werden Sie nach den kommenden Weltcups machen?

Das ist noch offen. Wenn Sie meine Frau fragen, dann sagt die Ihnen: Mit dem Skizirkus ist Schluss (lacht). Aber derzeit wissen wir ja nicht einmal, was uns in ein paar Wochen, geschweige denn im nächsten Frühsommer erwartet.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5189213
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ/and/pps
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.