Interview mit Nico Rosberg:"Inzwischen bin ich da mit Michael auf einem Level"

Formel-1-Fahrer Nico Rosberg, 25, spricht über die Aufbauarbeit mit dem Mercedes-Team, wie schwer es ist, der Sohn eines Weltmeisters zu sein. Und den Wettstreit mit seinem Teamkollegen Schumacher.

Interview: René Hofmann

SZ: Herr Rosberg. Das erste Viertel der Formel-1-Saison ist vorbei. Wie fällt Ihre Bilanz aus?

Formel 1 - GP Türkei

Nico Rosberg.

(Foto: dpa)

Nico Rosberg: Ernüchternd. Das ganze Team ist mit hohen Erwartungen gestartet. Wir dachten, dass wir weiter vorne sein würden. Das ist die eine Seite. Inzwischen können wir aber schon wieder optimistischer sein, weil uns zuletzt Fortschritte geglückt sind. Sehr schwacher Start, danach deutliche Fortschritte, so würde ich es zusammenfassen.

SZ: Und wie bewerten Sie Ihre eigene Leistung?

Rosberg: Genauso. Ich wollte Podiumsplatzierungen erringen. Das ist bisher nicht gelungen. Aber vielleicht gelingt es ja bald.

SZ: Ende Juli, beim Großen Preis von Ungarn, werden Sie Ihr hundertstes Formel-1-Rennen bestreiten. Auf den ersten Sieg warten Sie noch. Wie wichtig wäre der Ihnen?

Rosberg: Existenziell wichtig ist er nicht. In der Formel 1 ist der Erfolg eben vom Auto abhängig. Ist es nicht siegfähig, muss man damit leben. Wenn ich weiß, dass ich alles auf den Punkt gebracht habe, kann auch ein vierter Platz für mich wie ein Sieg sein. Aber inzwischen bin ich doch schon ein paar Jahre dabei, und es wäre schön, wenn auch wirklich mal ein Sieg herauskommt. Auch für das Team wäre das schön.

SZ: Als Sie beim neuen Formel-1-Werksteam von Mercedes unterschrieben haben, sah es so aus, als wären Sie das deutsche Gesicht des deutschen Teams. Dann kam es sehr kurzfristig zur Verpflichtung von Michael Schumacher. Wie haben Sie das erlebt?

Rosberg: Mit gemischten Gefühlen. Einerseits war ich happy, weil es eine große Herausforderung ist, gegen Michael zu fahren und auch eine sehr interessante Erfahrung. Wenn man einen starken Teamkollegen hat, kann man sich über vieles austauschen. Bedenken hatte ich, weil ich Teamchef Ross Brawn noch nicht kannte. Ich wusste nur, dass er und Michael zusammengearbeitet hatten. Und von einigen einstigen Teamkollegen hatte ich nicht so gute Geschichten gehört.

SZ: Waren die Bedenken berechtigt?

Rosberg: Ross Brawn ist sehr fair. Ich habe genau die gleichen Möglichkeiten wie mein Teamkollege. Das ist toll.

SZ: In der vergangenen Saison waren Sie in der Qualifikation und in der Gesamt-Punktzahl klar besser als Michael Schumacher. Hat Sie das überrascht?

Rosberg: Natürlich. Sehr.

SZ: Und was hat Ihnen das bedeutet?

Rosberg: Mit dem Vergleich zu Michael war ich happy. Aber gleichzeitig war ich auch ernüchtert, weil ich in der WM-Wertung nur Siebter wurde. Das war ich im Jahr zuvor mit Williams auch schon gewesen.

"Michael ist einer der größten Sportler überhaupt"

SZ: Als Teamkollege von Michael Schumacher kommt einem besonders viel Aufmerksamkeit zu. Jedes Detail wird beobachtet, bewertet, für Geschichten gedeutet. Wie sehr mussten Sie sich daran gewöhnen?

Rosberg: Es gab vieles, an das ich mich gewöhnen musste. Aber das betraf nicht nur die Außenwirkung. Das galt auch für die Arbeit mit dem Team. Am Anfang war das so: Michael kam rein - und der Respekt war da. Ich musste mir ihn erst erarbeiten. Solche Situationen gab es viele.

SZ: Ihr Vater Keke war 1982 Formel-1-Weltmeister. Als Sie selbst in den Sport kamen, wurden Sie zunächst unweigerlich als "der Sohn von" wahr- genommen. Als Sie zu Mercedes wechselten, fanden Sie sich unerwartet an der Seite des Rekordweltmeisters wieder und erneut waren Sie für viele vor allem "der Teamkollege von". Nervt diese Rolle nicht irgendwann?

Rosberg: Nein. Ich verstehe das. Michael ist der Rekordhalter der Formel 1. Einer der größten Sportler überhaupt. Deshalb ist das kein Problem.

SZ: Im Schatten des Vaters zu stehen war schwieriger?

Rosberg: Das war schon ab und zu anstrengend. Weil es sich über viele Jahre zog. Generell habe ich aber kein Problem damit, auf meinen Vater angesprochen zu werden. Ich bin sehr stolz auf ihn und froh, dass er meine Karriere so unterstützt hat.

SZ: Sie sind erst 25. Trotzdem haben Sie in der Formel 1 schon einige Rollen gespielt: Am Anfang waren Sie der Lehrling. Später bei Williams dann der Teamführer. Wie sind die Rollen jetzt bei Mercedes verteilt?

Rosberg: In der Formel 1 lernt man sehr schnell sehr viel. Das beschleunigt auch die Persönlichkeitsentwicklung. Ich glaube, das ist ein Riesenglück fürs Leben insgesamt. Auch bei Mercedes musste ich mir viele neue Dinge erst erarbeiten. Ich musste beweisen, dass ich das Auto abstimmen und Aussagen treffen kann, die bei der Weiterentwicklung helfen. Inzwischen habe ich das Gefühl, dass ich mit Michael da auf einem ähnlichen Level bin. Wir geben meistens die gleichen Richtungen vor und sind eigentlich immer einer Meinung. Für das Team ist das gut: Es bekommt immer eine klare Meinung, was die Fahrer wollen.

SZ: Das Zusammenspiel macht also Spaß, nur die Resultate stimmen noch nicht?

Rosberg: Ja, das Zusammenspiel funktioniert gut. Andererseits gibt es natürlich schon einen Wettbewerb: Du willst die Abstimmung deines Autos immer ein bisschen besser hinbekommen als der Teamkollege. Aber die Balance in diesem Wettbewerb stimmt: Alles läuft sehr offen, sehr produktiv.

"Diese Beschleunigung! Das war verrückt!"

SZ: Wenn ein auffallend guter Fahrer in der Formel 1 nicht Seriensiege feiert, gibt es schnell Spekulationen, die ihn mit anderen Teams in Verbindung bringen. Sie gelten als Kandidat für Ferrari und Red Bull. Das sind sehr unterschiedliche Marken. Williams wiederum war ein ganz anderes Unternehmen, als ihr derzeitiger Arbeitgeber Mercedes es ist. Wie sehr prägt eine Einstellung zu einer Marke ihre Entscheidung bei der Teamwahl?

Rosberg: Es geht ums Gesamtpaket: Wie wohl ich mich bei einem Team fühle, welche Marke dahintersteht und wie ich die Fähigkeiten sehe, dass das Team siegfähig ist oder werden kann. An sich ist meine Situation jetzt aber traumhaft, für Mercedes zu fahren, in einem Silberpfeil. Und die Hoffnung ist da, dass bald Siege kommen. Im vergangenen Jahr war das Team noch sehr jung. Jetzt erleben wir einen Aufbauprozess. Das geht nicht von einem Tag auf den anderen. Aber es geht in die richtige Richtung.

SZ: Bevor Sie in die Formel 1 gegangen sind, hatten Sie einen Studienplatz für Luft- und Raumfahrttechnologie. Haben Sie mal überlegt, wie Ihr Leben verlaufen wäre, wenn sie den angenommen hätten?

Rosberg: Nicht direkt, aber ich sehe an meinen Freuden, die studiert haben und jetzt schon länger arbeiten, wie hart manches Berufsleben sein kann. Im Vergleich dazu kann ich mich extrem glücklich schätzen: Ich mache, was mir Spaß macht. Und wir Rennfahrer haben noch einen Vorteil, den sonst kaum ein Sportler hat: Wir müssen nicht jeden Tag fünf, sechs Stunden lang unsere Fitness trainieren oder immer das Gleiche trainieren, wie es etwa ein Tennisspieler tun muss.

SZ: Hätte Sie Luft- und Raumfahrttechnologie denn wirklich interessiert?

Rosberg: Ja, mich mit Aerodynamik zu beschäftigen, hätte mir schon Spaß gemacht. Am Anfang habe ich gedacht: Ich schaffe beides, Studium und Sport parallel. Aber dann habe ich nach dem Abitur eine Pause eingelegt und bin ich in die Formel BMW gegangen. Die Autos dort hatten so 140 PS. Für den Meistertitel habe ich dann einen Formel-1-Test gewonnen. Ich war 17 und durfte 30 Runden in einem Formel-1-Auto fahren. Damals hatten die Wagen noch Zehnzylinder-Motoren und 900 PS. Als ich aus der Boxengasse raus war, habe ich das Pedal einfach mal durchgedrückt, runter bis zum Boden. Was dann passiert ist, war einfach unglaublich. Diese Beschleunigung! Das war cool, das war verrückt! Ich war auf Anhieb schnell, aber in den Kurven hat mir nach einigen Runden die Kraft gefehlt, das Auto zu bändigen. Als ich gebremst habe, ist mir der Kopf zwischen die Beine gefallen. Da wusste ich: Das ist es!

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