Im verabredeten Restaurant im Münchner Stadtteil Harlaching erscheint zunächst der Falsche: Stefan Effenberg nebst Gattin Claudia statt Mehmet Scholl, der nach 15 Jahren beim FC Bayern die Karriere beendet. Die spannende Frage: Dreht Scholl wortlos wieder um, wenn er seinen angeblichen Intimfeind Effe sieht? Scholl bleibt, nachdem er die Effenbergs ausgesprochen herzlich begrüßt hat: "Wir haben uns oft gefetzt'', sagt er über das Verhältnis zu seinem ehemaligen Kapitän, "aber es ist nichts hängengeblieben.'' Das wiederum kann man vom anschließenden zweieinhalbstündigen Gespräch eher nicht sagen.
SZ: Herr Scholl, jeden Montag findet an der Säbener Straße ein Fußballspielchen mit einstigen Bayern-Größen wie Uli Hoeneß oder Karl-Heinz Rummenigge statt. Sind Sie ab übermorgen dabei?
Mehmet Scholl: Ich hab da ja schon mal mitgespielt, und da wäre Uli Hoeneß beinahe auf mich draufgeflogen - fast wäre also das passiert, was man an der Börse Kapitalvernichtung nennt. Uli Hoeneß ist ein sehr netter Fußballer, aber das Bremsen ist nicht mehr so seine Sache. Da ist mir meine Gesundheit zu wichtig.
SZ: Welchem Beruf werden Sie denn nach Ihrem letzten Bundesligaspiel an diesem Samstag nachgehen?
Mehmet Scholl: Dem Beruf des Vaters, des Freundes. Und ganz sicher werde ich nicht an die Decke starren und sagen: ,Mein Leben ist vorbei, was tu' ich jetzt?'
SZ: Der FC Bayern will Sie einbinden. In welcher Funktion?
Mehmet Scholl: Man wird doch nicht glücklich, wenn man mit dem einen aufhört und gleich ins Nächste reinspringt. Ich brauche jetzt Zeit für mich, um die Eindrücke der letzten Jahrzehnte zu verarbeiten. Und man nimmt sich doch ein Stück Romantik, wenn man alles durchplant.
SZ: Werden Sie denn Ihren Sohn Lucas, der in der U11 des FC Bayern kickt, so stark fördern, wie es Ihr Stiefvater Hermann mit Ihnen getan hat?
Mehmet Scholl: Ja, und meinem Vater habe ich viel zu verdanken. Er hat mich Fußball spielen sehen, als ich acht Jahre alt war und dann mit 13 zum KSC gebracht. Da haben sie mir bald erzählt, dass mir zum Profi so gut wie alles fehlt: die Physis, das Laufen, Springen, Kopfball. Aber mein Vater hat mich stets ermutigt.
SZ: Ihr erster Profitrainer beim Karlsruher SC war damals Winfried Schäfer.
Mehmet Scholl: Von Schäfer wurde ich erst links liegen gelassen. Heute sagt er dazu: erzieherische Maßnahme. Ich akzeptiere das jetzt mal so. Geholfen hat mir Rainer Ullrich, der Amateurtrainer. Er ist mit mir in den Wald gegangen, 20 Minuten sind wir gelaufen und dann zwei Stunden spazieren gegangen. Er hat mir erklärt, was ich verändern muss, um mich durchzusetzen.
SZ: Könnten Sie denn Ihrem Sohn heute den Profifußball empfehlen?
Mehmet Scholl: Natürlich, es spricht ganz wenig dagegen.
SZ: Zum Beispiel, dass am Ende die Knochen kaputt sind, wie bei Ihnen?
Mehmet Scholl: Ich komme doch super raus aus der Nummer! Gut, mein rechtes Knie hat sich relativ früh verabschiedet, da hatte ich mit 15 die erste Operation. Als ich aus der Narkose aufwachte, hat der Arzt gesagt: ,Mehmet, mach dir keine Sorgen ums Knie - aber du kannst nie mehr Fußball spielen.' Nächste OP mit 20, Außenmeniskus, mit 23 Außenmeniskus und Knorpel, und dann habe ich noch mal mit 35 wieder nachgelegt mit Gelenkinnenhautentzündung.
SZ: Sie kommen wirklich gut raus!
Mehmet Scholl: Naja, Fredi Binder, unser Physiotherapeut und mein bester Freund beim Klub, sagt immer: Weißt du, warum du noch keine Schmerzen hast? Weil deine Muskeln noch so gut ausgebildet sind, dass sie das Gelenk halten. Später, sagt er, wirst du aus allen Löchern pfeifen.
Lesen Sie auf Sete 2 über Anekdoten seiner Laufbahn und warum ihn ein Politiker der Grünen einmal wegen Anstiftung zum Mord verklagte.
SZ: Die Anekdoten aus der Schmerzabteilung werden uns ebenso in Erinnerung bleiben wie die Tricks und Hakenläufe.
Mehmet Scholl: Aber das alles ist doch meine Vita! Dass diverse Anekdoten in einer Häufigkeit passiert sind, spricht für sich. Ein Beispiel: Ich werde im EM-Finale 1996 ausgewechselt, obwohl ich für meinen Geschmack recht gut war - und der Mann, der für mich reinkommt ( Oliver Bierhoff; d.Red.) schießt zwei Tore! Oder 2001: Ich verschieße den Elfmeter - wir werden trotzdem Champions-League-Sieger! Oder: Ich soll mit zur WM '98, reiß' mir aber die Bänder - und der Typ, der mir die Bänder gerissen hat, Jens Jeremies, fährt plötzlich mit zur WM. Oder 2000: Da werd' ich von den Bundesligaprofis zum Spieler der Saison gewählt - und beim Spiel, bei dem ich meine Urkunde krieg', sitz' ich natürlich nur auf der Bank. Am Tag der Ehrung! Solche Sachen ziehen sich durch meine Karriere.
SZ: Sind Sie manchmal verzweifelt?
Mehmet Scholl: Überhaupt nicht, das Schicksal sagt eben zur mir: ,Schau' mal, wie du damit zurechtkommst - als Helden haben wir dich schon probiert, da taugst du nicht, nun versuch' das mal.' Es ist ja nicht so, dass ich diese Rolle gesucht habe. Ich habe meine Rückschläge angenommen, und im Nachhinein war klar, dass diese Dinge kommen mussten. Wenn ich früher einen Witz über den Trainer gemacht habe - dann stand der halt hinter mir. Das war einfach so.
SZ: Sie halten sich ja auch selbst für ungeschickt. Vor vielen Jahren sorgte mal Ihr Spruch ,,Hängt die Grünen, so lange es noch Bäume gibt'' für Wirbel.
Mehmet Scholl: Das war eigentlich als Plädoyer für vernünftigen Umweltschutz gedacht, aber ein grüner Politiker hat mich wegen Anstiftung zum Mord angezeigt. Zu mir und meinem Image hat auch das gepasst. Ich habe dann mit dem Richter telefoniert und 15.000 Mark für einen wohltätigen Zweck gespendet. Und später hat mich ein Reporter gefragt, was ich denn wähle. Ich habe gesagt: ,Grün natürlich, ich kann sie ja nicht hängenlassen.'
SZ: Auch als Profi waren Sie der wandelnde Widerspruch. Sie sind achtmal Deutscher Meister geworden, Champions-League-Gewinner, Europameister und so weiter - und trotzdem sind Sie irgendwie ein Unvollendeter, oder?
Mehmet Scholl: Aber ist nicht die Entwicklung zu einem anderen Menschen viel wichtiger als die zum vollendeten Fußballer?
SZ: Sicher.
Mehmet Scholl: Eben, deshalb war ich auch nie verzweifelt. Zum Verzweifeln waren höchstens die Dinge, die systemisch waren: Wenn ein Muskel einfach zu ist, dass du nicht mal auf den Zehenspitzen gehen kannst - und der Muskel macht über Wochen nicht auf! Das störte, aber Bänderrisse oder so etwas, das war mir fast egal. Da wusstest du: sechs Wochen, dann bist du wieder da - Berufsrisiko, wurscht.
SZ: Diese Saison waren Sie relativ viel gesund, aber gespielt haben Sie kaum. Sie könnten sich jetzt hier bei den Trainern bedanken, Magath und Hitzfeld.
Mehmet Scholl: Bei Felix Magath muss ich mich wirklich bedanken, denn ohne ihn hätte ich eigentlich aufgehört: Er hat mich 2004 überredet weiterzumachen. Magath hat mich immer geschützt und mir einen Sonderstatus gegeben, auch im Training; dafür war meine Pille, die ich schlucken musste, dass ich über diese Jokerrolle nicht mehr hinauskomme. Dass das vor allem gegen Ende psychisch so anstrengend für mich wurde...
SZ: ... weil Sie unzufrieden waren?
Mehmet Scholl: ... ja, das hätte ich nicht gedacht. Ich dachte oft: ,Mensch, jetzt liegen wir zurück, jetzt müsste ich doch ... !' Das hat mich sehr gefordert. Aber es hat mich jetzt auch erleichtert zu sagen: gut so, alles erledigt. Ich wollte ja auch nicht jammern oder mich mit 36 beim Manager ausheulen. Der hat auch so gemerkt, dass es schwer für mich war.
SZ: Hätten Sie also besser vergangene Saison schon aufgehört?
Mehmet Scholl: Nein, da war ich noch nicht so weit. Jetzt freue ich mich einfach nur tierisch auf den Tag, an dem es vorbei ist. Macht euch also um mich keine Sorgen, und ihr dürft eine böse Kolumne über mich schreiben, wenn ich jemals Kolumnen schreiben sollte. Dann dürft ihr schreiben: Braucht er Geld?
SZ: Ist es nicht dennoch schade, dass Ihre Abschiedstournee im schwärzesten Bayern-Jahr seit Ewigkeiten stattfand?
Mehmet Scholl: Auch das passt doch in meine Vita! Aber stellt euch doch mal vor, ich hätte jedes Spiel gemacht, und wir wären nur Vierter geworden. Dann hätten alle gesagt: ,Weg mit dem'. Es hört sich zwar blöd an, aber ich fühle mich jetzt relativ unschuldig an dieser Saison.
Lesen Sie auf der nächsten Seite über familiäre Schicksalsschläge und warum er eigentlich keine Interviews mehr gibt
SZ: Sie haben selbst bei Bayern-Hassern erstaunliche Sympathien ausgelöst. Wie erklären Sie sich das?
Mehmet Scholl: Können Sie Ihre Texte genau beurteilen und die Reaktionen darauf? Ich habe doch gar nichts dazu getan, wie ich spiele, das ist mir so zugefallen. Erklären kann ich es nicht, und ich weiß auch nicht, wie das aussieht, was ich auf dem Platz mache. Ich weiß nur, dass meine Hände schlenkern, dass ich Fäustchen mache, dass ich das Ärmel-Ende vom Trikot mit den Fingern festklemme.
SZ: Wie vereinbart sich Ihre Beliebtheit mit der Öffentlichkeitsverweigerung, die Sie seit Jahren praktizieren? Sie geben ja kaum noch Interviews.
Mehmet Scholl: Ich wollte mich eben nur dann äußern, wenn ich auch etwas zu sagen habe. Ich wollte das Gefühl haben, dass mir jemand zuhört. Viele Leute geben Interviews nicht, weil sie was zu sagen haben, sondern weil sie wo erscheinen möchten. Sie beziehen ihren Marktwert daher und werden mit Werbeverträgen belohnt. Das ist in Ordnung. Aber nichts für mich. Die 90 Minuten sind immer noch pure Freude. Aber das Drumherum hat halt immer weniger Spaß gemacht. Auch das Reisen, die Fliegerei - ich mag es nicht.
SZ: Der Teeniestar Scholl ist jetzt reif?
Mehmet Scholl: Alle Menschen müssen sich wandeln, da kann man doch als Fußballer nicht sagen, ich mach' mit 35 noch den gleichen Blödsinn wie mit 21. Dass ich mit 35 nicht mehr dem Schiedsrichter an die Kehle gehe oder nachtrete, das ist doch auch eine Sache der Einsicht.
SZ: Sagen Sie das auch dem anhaltend angriffslustigen Kapitän Kahn? Er ist 37.
Mehmet Scholl: Wir haben darüber diskutiert, weil er mir mal Gleichgültigkeit vorgeworfen hatte. Ich habe ihm erklärt, dass ich nur versuche, über Fehlentscheidungen drüberzustehen; dass ich versuche, den Druck der Zuschauer anders abzubauen - indem ich eine spektakuläre Aktion mache oder auch ein Scherzerl.
SZ: Ihre Reserviertheit hat es Ihnen immerhin ermöglicht, heute unbehelligt in irgendeinem Café im Münchner Glockenbachviertel mit Freunden zu sitzen oder abends in einen Club zu gehen.
Mehmet Scholl: Genau, ich habe aber auch andere Phasen erlebt. Es wäre ja absurd, wenn ich sagen würde, ich will nicht so im Fokus stehen - gleichzeitig gebe ich aber zehn Interviews. Mir ging es um den Erhalt einer gewissen Lebensqualität - und zudem darum, den Leuten nicht auf die Nerven zu gehen. Es gibt doch nichts Schlimmeres als nervende B-Promis.
SZ: Ihr Leben hat sich trotzdem öffentlich abgespielt. Sie waren der Bravo-Boy, Ihre Scheidung schlug beim Boulevard Wellen, ebenso jedes Bier zu viel.
Mehmet Scholl: Eben. Entweder lerne ich aus so etwas und ziehe mich in der Konsequenz zurück. Oder ich mache so weiter und schlage brutalsten Profit daraus.
SZ: Oder ich zerbreche daran. Sie sind sowieso jung mit einschneidenden Erlebnissen konfrontiert worden: das Verlassenwerden durch ihre damalige Frau, Todesfälle im Familien- und Freundeskreis, psychische und sportliche Abstürze. Gerade erst wurden Miroslav Kloses angebliche private Probleme thematisiert.
Mehmet Scholl: Das macht einen für eine Zeitlang auch kaputt. Jeder, der sich einen solch prominenten Namen gemacht hat - Leute wie Klose, Ballack oder Kahn -, hat ein seltsames Persönlichkeitsprofil: Du musst dich immer gequält haben im Training, du musst deine Ziele energischer verfolgt haben als andere. Mich hat es damals völlig zerlegt, aber wenn du es dann schaffst, dich wieder zu sammeln und auf Fußball zu konzentrieren - und du auch die Prügel einsteckst, wenn du schlecht spielst -, dann ist es nur eine Frage der Zeit, dass die Leute sagen: Sieh' an, so kann man eine Krise bewältigen.
SZ: Waren Sie depressiv?
Mehmet Scholl: Da bin ich nicht der Typ für, auch wenn ich gerne mal schwermütig bin. Aber ich habe viel zu viel Freude an ganz einfachen Dingen. Das Leben hat mir immer gezeigt, dass selbst die negativsten Dinge für etwas gut waren. Du musst den Schmerz, die Trauer halt auch zulassen, um zu verarbeiten. Der größte Teil der zivilisierten Welt ist doch Weltmeister im Verdrängen. Das war noch nie meine Art der Konfliktbewältigung.
Lesen Sie auf der nächsten Seite über seine Haltung zum Buddhismus und Freundschaften im Profigeschäft
SZ: Sie haben stattdessen öfter mal über Buddhismus gesprochen.
Mehmet Scholl: Das ist zu hoch gegriffen, ich bin kein Buddhist. Wenn du die zehn Gebote befolgst, bist du auch ein guter Mensch. Aber ich finde Buddhismus praktikabler, der schreibt nichts vor. Der rote Faden, der sich durch den Buddhismus zieht, hilft in vielen Lebenslagen.
SZ: Sie haben in Krisen einigen wenigen Männer vertraut, wie Ihrem Vater, Rainer Ullrich, dem verstorbenen Berater Axel Mayer-Wölden. Und natürlich auch Uli Hoeneß, der wohl mehr von Ihnen weiß als jeder andere.
Mehmet Scholl: Glaub ich nicht mal, und in den letzten Jahren hat er mich total losgelassen. Wir haben immer schwierige Phasen miteinander gehabt, aber die Basis stimmte. Das ist wie in einer Ehe: Wenn du dich auf einer gesunden Basis streitest, bleibt nichts hängen. Ich habe das Glück, dass ich mich in meinem Leben auf die richtigen Leute verlassen habe. Das war kein Wissen, das war Gefühl. Ich achte immer noch darauf, wie ich mich fühle, wenn ich jemanden treffe. Fühle ich mich wohl oder fühle ich mich ausgesaugt? Viele meinen, ich hätte eine Freundschaft mit Uli Hoeneß, aber das ist es keinesfalls. Freundschaft bedeutet ja auch Gleichberechtigung, und ich bin mir nicht sicher, ob er gemerkt hat, dass ich auf die 37 zugehe. Es ist wohl so eine Vater-Sohn-Sache. Er staucht mich ja auch mal wegen irgendwas zusammen.
SZ: Hätte nicht ohnehin eine andere Art Klub besser zu Ihnen gepasst, etwa die Richtung SC Freiburg oder Mainz 05?
Mehmet Scholl: In der Hinsicht, dass mich Macht nicht interessiert, haben Sie ganz sicher recht. Ich bin auch nicht hinter dem Geld her wie verrückt. Aber ich wollte immer an der Spitze mitspielen, Titel gewinnen, Meister werden, international anerkannt sein. Den sportlichen Ehrgeiz konnte ich nur bei Bayern verwirklichen.
SZ: Sie haben sich auch bei Bayern stets an jenen gerieben, die Macht personifizierten: Matthäus, Effenberg, Kahn.
Mehmet Scholl: Ja, weil ich immer eine andere Meinung zur Außendarstellung des FC Bayern hatte als meine Kapitäne. Ich habe keine Ahnung, ob mein Modell durchsetzbar wäre, aber es hieße: Lasst doch dieses FC Großkotz, das geht den Leuten doch nur noch auf die Nerven!
SZ: Ihre Abneigung gegen Machtmenschen ging so weit, dass Sie Bayern sogar verlassen wollten, als Effenberg kam.
Mehmet Scholl: Ja, das war aber noch zu meiner blöden Phase. Auf Stefan lasse ich nichts kommen. Menschlich waren wir sehr unterschiedlich, aber als Kapitän war er super. Ich erinnere mich an ein Spiel gegen den SC Freiburg. Die haben in der ersten Halbzeit Jojo mit uns gespielt. Wir hatten drei Mann im Mittelfeld, und die waren zu fünft. In der Kabine frage ich: ,Effe, was machen wir denn jetzt?' Er: ,Mehmet, geh du weiter vor.' - ,Aber dann sind wir ja noch einer weniger im Mittelfeld!' - Sagt er: ,Egal, geh' du vor, ich nehm' die vier.' So war der Effe. Wir haben übrigens 1:0 gewonnen.
SZ: Das klingt erstaunlich begeistert. Aber Freunde haben Sie im Profifußball angeblich nicht. Weshalb?
Mehmet Scholl: Das stimmt, da ist mir nur der Sterni (der frühere Bayern-Profi Michael Sternkopf) geblieben, mit Markus Feulner (Mainz 05) habe ich noch Kontakt, und mit Horst Heldt (Sportchef beim VfB Stuttgart). Dem habe ich jetzt gesagt: ,Demütig sein, und denk' dran: Es kommen auch andere Zeiten, und zwar schneller als du denkst, wenn du dich jetzt aus dem Fenster lehnst.' Aber der Horst macht das wirklich gut, er war als Mitspieler in der U21 schon ein Schlawiner.
SZ: Was nehmen Sie sonst mit an Erinnerungen, von Trainern wie Erich Ribbeck, von besonders gelungenen Spielen?
Mehmet Scholl: Ribbeck war ein Pfundstyp - nur beim Fußball haben wir immer gestritten. Meine beste Serie war sicher 1996, aber sie war auch krass. In der Meisterschaft wurden wir Zweiter, haben dann den Uefa-Cup gewonnen, vier Wochen später mit der Nationalelf die EM, und drei Tage später kam Lucas auf die Welt. Doch danach war alles am Arsch und nichts mehr, wie es vorher war: Dann kam mein privates Horrorjahr 96/97, das mit der Scheidung endete.
SZ: Sie haben Effenberg als Kapitän gepriesen. Wer sonst hat Sie beeindruckt?
Mehmet Scholl: Als Mitspieler sicher Lothar Matthäus, er hat Weltkarriere gemacht. Mit der Beste war Raúl, auch Zidane natürlich. Thierry Henry dagegen haben wir stets abgekocht - der Sammy Kuffour hat ihn einfach immer getreten, oder auch der Thomas Linke. Manchmal waren solche Spiele auch eine Schlacht und Fouls unser Mittel. Einmal gegen Arsenal London, da hat der Jens Jeremies deren Franzosen Vieira umgetreten - aber übel! -, und als der wieder aufstand, hat der Jerry zu ihm gesagt: ,Siehst du die Mittellinie? Kommst du drüber, macht es aua! Hier drüben aua, da drüben gut!'
SZ: Sehr amüsant, so etwas bleibt.
Mehmet Scholl: Ja, oder auch der Willy Sagnol. Der hat mal in Stuttgart zum Markus Merk gesagt: ,Schiedsrichter, wir wechseln!' - Der schaut raus und sagt: ,Da steht ja keiner:' - Der Willy: ,Nee, wir wechseln dich!' Das vergisst du nicht.
SZ: Wessen Härte war gefürchtet?
Mehmet Scholl: Naja, gegen Lautern hat immer Axel Roos gegen mich gespielt, klein, kräftig, drahtig, schnell - er ist mir also nicht gelegen. Otto Rehhagel hat ihn immer gegen mich gestellt. Einmal bin ich dann über Nacht krank geworden - da hat Rehhagel den Roos komplett aus dem Kader gestrichen! Er hatte wohl sonst keine Verwendung für ihn. Schwierig waren für mich immer die Alten mit Erfahrung. An denen kam ich schwer vorbei.
SZ: Womit wir wieder beim Montagskick mit Uli Hoeneß sind.
Mehmet Scholl: Stellt' euch mal vor, ich täusch' an und laufe auf Uli Hoeneß auf. Dann sinke ich wie die Titanic!
SZ: Das will ja keiner. Wo werden Sie dann künftig Ihren Spieltrieb ausleben?
Mehmet Scholl: Kegeln werde ich.
SZ: KEGELN?
Mehmet Scholl: Ja, das mach' ich schon seit einiger Zeit wieder beim FC Bayern. Wenn du da richtig die Gasse trifft, uiii - das ist wirklich geil! Ein Traumsport, das können Sie mir glauben. Demnächst werde ich öfter als einmal die Woche trainieren.
SZ: Kein Golf spielen wie alle anderen beim FC Bayern, sondern kegeln?
Mehmet Scholl: Ja, ich gehe kegeln. Golf werde ich nicht spielen, denn das passt nicht zu mir ... Nein, das passt nicht.