Süddeutsche Zeitung

Interview mit Martín Vázquez:"Raúl wird ein Beispiel für die jungen Spieler sein"

Der einst von Real Madrid nach Karlsruhe gewechselte Martín Vázquez über den neuen Schalker Stürmer, dessen Professionalität und seinen wichtigsten Ratschlag für Raúl.

Interview: Javier Cáceres

SZ: Rafael Martín Vázquez, Sie waren in den achtziger und neunziger Jahren ein Mythos bei Real Madrid - und landeten 1998 überraschend beim Karlsruher SC. Was hat Sie damals bewogen, zu einem deutschen Zweitligisten zu gehen?

Martín Vázquez: Der Reiz, zu einem Klub zu gehen, der eine gewisse Geschichte hatte und ein Projekt entwickelt hatte, um sofort wieder aufzusteigen. Wir hatten damals das Pech, die ersten Spiele zu verlieren, der damalige Trainer Jörg Berger wurde entlassen. Ich habe kürzlich von seinem Tod erfahren, es wäre schön, wenn ich auf diesem Wege der Familie mein Beileid ausdrücken könnte... Seine Entlassung war damals jedenfalls für mich ein schwerer Schlag. So blieb ich leider nur vier Monate. Die Stadt, die Menschen, der Klub hatten es mir angetan.

SZ: Geht mit Raúl nun eine Real-Ikone zum FC Schalke 04, die sich ebenfalls in der Dämmerung seiner Karriere befindet?

Martín Vázquez: Ich finde überhaupt nicht, dass man das sagen kann! Im Gegenteil. Natürlich geht die Zeit auch an ihm vorüber, aber Raúl geht mit der ungeheuren Lust nach Deutschland, es bei Schalke so gut wie möglich zu machen. Ohne jede Frage. Wenn es etwas gibt, was über jeden Zweifel erhaben ist, dann ist es Raúls Professionalität. Sein Verantwortungsgefühl, seine Siegermentalität. Er hat eine enorme Erfahrung, und er wird ein Beispiel für die jungen Leute sein, die bei Schalke spielen. Ich bin mir sicher, dass er viel einbringen kann, mehr als die Leute denken. Er geht nicht nach Schalke, um durch Deutschland zu spazieren.

SZ: Raúl geht von einem spanischen zu einem deutschen Champions-League-Teilnehmer. Kann man davon ableiten, dass die Bundesliga der spanischen Primera División hinterherhinkt?

Martín Vázquez: Das sind Umstände des Marktes, der Verpflichtung eines neuen Trainers, von neuen Spielern - und der Interessen und der Ansprüche des Spielers. Ab einem gewissen Alter verengen sich sicherlich die Möglichkeiten, sich gewisse Klubs auszusuchen. Aber ich sehe in der Entscheidung Raúls den Willen, am Ende einer sehr brillanten Karriere eine neue Erfahrung zu sammeln, ein anderes Land kennenzulernen - und vor allem zu spielen. Er hätte sehr gut in Madrid bleiben können. Wenn es etwas gibt, was an ihm wirklich bis zur Verwunderung bewundernswert ist, dann sein unbändiger Wille, Fußball zu genießen.

SZ: Mit Felix Magath wird Raúl einen Trainer haben, der für die Ansprüche an die Physis der Spieler gefürchtet wird. Ist Raúl dem in seinem Alter gewachsen?

Martín Vázquez: Ohne Frage. Wie gesagt, über allem steht Raúls Professionalität. Er hat im Laufe seiner Karriere nur wenige Verpflichtungen verpasst, und das hat seinen Grund: Weil er immer enorm viel gearbeitet hat. Zudem hat er in seiner Karriere kaum Verletzungen gehabt. Ich habe da keinerlei Bedenken, zumal ich davon ausgehe, dass man in Deutschland schon auf die Verfassung ihrer Spieler achtet.

SZ: Was verliert Real Madrid durch den Abgang Raúls?

Martín Vázquez: Einen Spieler, der alles gegeben hat. In jedem einzelnen Spiel. Niemand ist im Fußball unersetzlich, alles geht vorüber, es werden neue Spieler kommen... Aber Raúl wird immer ein fundamentaler Spieler der Geschichte Real Madrids sein. Es wird seltsam für uns sein, ihn nicht mehr mit der Nummer 7 spielen zu sehen.

SZ: Es gibt Stimmen, die meinen, Raúls Trikot gehöre aus dem Verkehr gezogen, als Hommage. Ihre Meinung?

Martín Vázquez: Das ist ein Thema, über das man durchaus reden sollte. Zumal jetzt, da die Spieler ihre Trikotnummer quasi frei wählen dürfen. Ich persönlich würde es für eine schöne Initiative halten.

SZ: Was für einen Ratschlag würden Sie Raúl aus ihrer kurzen deutschen Zeit mitgeben?

Martín Vázquez: Die Sprache zu lernen. Ich hatte es mir damals vorgenommen, habe den Klub darum gebeten, mir einen Lehrer zur Verfügung zu stellen. Ich hatte jeden Tag anderthalb Stunden Unterricht, leider war dann die Zeit zu kurz, um die Sprache zu lernen. Aber er wird, wie ich gelesen habe, einen Zweijahresvertrag unterschrieben. Vor allem aber sollte er sich mental öffnen, sich so schnell wie möglich zu integrieren. Wenn man ins Ausland geht, liegt die Verantwortung für die Anpassung bei dem, der kommt, nicht bei dem, der jemanden aufnimmt.

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