Interview mit Jupp Heynckes:"Wieder die Lust auf Fußball wecken"

Trainer Jupp Heynckes über die verblüffende Rückkehr zu seinem Herzensklub FC Bayern. Und warum er glaubt, in kurzer Zeit viel verändern zu können.

Interview: Ludger Schulze

SZ: Herr Heynckes, das ist ja eine Überraschung, Sie noch einmal auf der Trainerbank des FC Bayern zu erleben. Wie ist es dazu gekommen?

Jupp Heynckes FC Bayern Trainer

"Die Bayern kennen mich, ich kenne sie - über Gehalt und solche Dinge müssen wir überhaupt nicht reden." Bayern-Interimstrainer Jupp Heynckes.

(Foto: Foto: dpa)

Jupp Heynckes: Meine Frau und ich sind vor etwa sechs Wochen von der Familie Hoeneß für das vergangene Wochenende nach München eingeladen worden. Wir hatten zwei wunderschöne Tage - bis zum Spiel der Bayern gegen Schalke. Danach war die Stimmung etwas gedrückt. Uli Hoeneß und ich haben über die Situation gesprochen ...

SZ... und über einen Job?

Heynckes: Überhaupt nicht. Wir sind dann nach Hause geflogen, während sich die Herren in München zusammengesetzt haben. Dabei haben sie beschlossen, sich von Jürgen Klinsmann zu trennen und nach einer Alternative zu suchen. Offenbar sind sie unisono zu der Meinung gekommen, dass ich im Moment für diese Situation der richtige Mann bin. Kurz nachdem wir in Düsseldorf gelandet sind, klingelte das Telefon.

SZ: Wie lange haben Sie benötigt, um zu einer Entscheidung zu kommen?

Heynckes: Ich habe schon etwas nachgedacht und mich mit meiner Frau beraten. Sie hat mich bestärkt, das ruhig zu machen. Mir geht es ja nach einigen Operationen wieder ganz gut. Montagmorgen habe ich dann mit Karl Hopfner (Finanzvorstand beim FC Bayern; Anm. d. Red.) gesprochen und zugesagt.

SZ: Es hat offenbar nicht lange gedauert, die Vertragsmodalitäten zu klären.

Heynckes: Die Bayern kennen mich, ich kenne sie - über Gehalt und solche Dinge müssen wir überhaupt nicht reden.

SZ: Was ist das für ein Gefühl, nach 18 Jahren zu einem Verein zurückzukehren, der Sie damals auf Druck der Zuschauer entlassen hat?

Heynckes: Beim Spiel gegen Schalke habe ich viele ehemalige Spieler und Mitarbeiter des FC Bayern auf der Tribüne getroffen. Da merkt man eben, dass doch ein großer Respekt vorhanden ist und dass ich sicher irgendwelche Spuren hinterlassen habe - nicht nur als Trainer, sondern auch als Mensch. Das hat mich hoch erfreut. Für mich ist es immer schön, nach München zum FC Bayern zu kommen ...

SZ: ... der für Sie so eine Art Herzensklub ist.

Heynckes: Es gibt einige Vereine in einer Trainer-Vita, die immer etwas Besonderes bleiben werden. Das ist mein Heimatklub Borussia Mönchengladbach, bei dem ich als Spieler groß wurde und wo ich später meine erste Station als Trainer hatte. Dann der FC Bayern, wo Uli Hoeneß mir die Chance gegeben hat, eine internationale Laufbahn als Trainer einzuschlagen. Und auch Athletic Bilbao aus dem Baskenland steht mir außerordentlich nahe.

SZ: Welche Aufgabe werden Sie beim FC Bayern zuerst angehen?

Heynckes: Es bleibt ja nicht viel Zeit bis zum Spiel gegen Mönchengladbach am Wochenende. Vorrangig wird sein, dass ich den Spielern wieder Lust auf Fußball vermittele, dass Ballast von ihnen abfällt. Ich denke, dass Jürgen Klinsmann unheimlich intensiv mit den Leuten gearbeitet, dass er viele Ideen entwickelt hat, sehr innovativ war. Aber man konnte am Samstag sehen, dass die Mannschaft psychisch blockiert war. Diese Blockade zu lösen, wird die erste Aufgabe sein. Die zweite wird darin bestehen, zu versuchen, der Mannschaft mein fußballerisches Know-how zu vermitteln.

SZ: In nicht einmal vier Wochen ist die Saison bereits zu Ende. Kann man da überhaupt noch etwas ändern?

Heynckes: Ich bin ein realistischer, sachlicher Mensch. Wenn die Spieler nicht so viel Potential hätten, wäre es sicher schwer, noch etwas zu ändern. Weil aber sehr viel Potential vorhanden ist, kann man auch kurzfristig viel ändern.

SZ: Sie haben in Ihrer Karriere stets Wert darauf gelegt, langfristig zu arbeiten. Die Rolle des sogenannten Feuerwehrmanns ist neu für Sie.

Heynckes: Das habe ich immer abgelehnt. Ich hätte es auch nicht gemacht, wenn es sich nicht um den FC Bayern gehandelt hätte. Und wenn es nicht meine Freundschaft zu Uli Hoeneß gäbe.

SZ: Sie haben Ihren letzten Trainer-Job bei Borussia Mönchengladbach entsetzt aufgegeben, nachdem man Ihnen Morddrohungen ins Haus geschickt hatte. Hat diese Erfahrung irgendeine Rolle bei Ihren Überlegungen gespielt?

Heynckes: Nein, das ist abgehakt. Ich hatte mich in den letzten eineinhalb Jahren zurückgezogen, weil ich gesundheitlich nicht in Ordnung war.

SZ: Angenommen, der FC Bayern München wird unter Ihrer Leitung noch deutscher Meister und das Volk fordert: Weiter mit Jupp Heynckes! Könnte dann der Trainer in der nächsten Saison noch Jupp Heynckes heißen?

Heynckes: Ich verstehe, dass ein Journalist diese Frage stellen muss. Also: nein. Es ist ganz klar: Wir wollen keine Ziele formulieren, die in vier Wochen anstehen, sondern ausschließlich auf das nächste Spiel schauen.

SZ: Der Trainerberuf ist ein gut bezahlter, aber manchmal auch ein brutaler. Das hat jetzt Jürgen Klinsmann schmerzlichst erfahren müssen.

Heynckes: Ich kann mich hineinfühlen, wie enttäuscht er jetzt ist. Ich habe das in meiner Profi-Laufbahn mehrmals erlebt. Es ist schon außergewöhnlich, dass fünf Spieltage vor Saisonende die Pferde gewechselt werden.

SZ: Ihr Flugzeug nach München startet gleich, also die letzte Frage: Wie war der Abschied von Ihrem überaus geliebten Schäferhund?

Heynckes: Sie werden es nicht glauben: Er ist die ganze Zeit hinter mir hergelaufen und hat sich richtig an mich gedrängt. Cando hat genau gespürt, dass ein Abschied bevorsteht.

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