Hermann Gerland wartet im Aufenthaltsraum des Jugendhauses des FC Bayern. Er hat schlechte Laune, sagt er, seine Mannschaft hat verloren. Vor ihm stehen eine Tasse Kaffee und ein Brötchen. Beide werden im Laufe des Gesprächs zu Spielern, genauso sein Autoschlüssel, sein Handy und das Diktiergerät. Manchmal springt der Trainer des FCBayern II auf, hüpft durch den Raum und stellt eine Spielszene nach. Sein Achillessehnenriss aus dem Sommerurlaub? Verheilt - oder vergessen.
"Vorher habe ich gesagt: Mia san mia, die anderen interessieren mich nicht." Jetzt lässt Hermann Gerland den Gegner per Laptop analysieren.
(Foto: online.sdesport)SZ: Herr Gerland, zuletzt wurden Sie häufig dafür gelobt, dass Sie Louis van Gaal vor einem Jahr von dem damals unbekannten Thomas Müller überzeugt haben. Wie macht man das, van Gaal von etwas überzeugen?
Gerland: Den kann man nicht überzeugen. Man kann seine Meinung äußern, er kontrolliert sie. Bei Müller, Badstuber, Contento, Alaba und Ekici war das so: Er kannte sie nicht und hat mich gefragt, welche Fähigkeiten sie haben. Dann hat er im Training zugeschaut, sie spielen lassen und ist zu der Erkenntnis gekommen, dass meine Aussagen den Tatsachen entsprechen.
SZ: Wovon hat van Gaal Sie überzeugt?
Gerland: Ich denke, ich habe von ihm profitiert. Weil er besessener ist als ich. Ich habe schon geglaubt, ich wäre besessen. Aber er ist noch besessener und noch akribischer.
SZ: Wie sehr hat Sie das verändert?
Gerland: Vorher habe ich gesagt: Mia san mia, die anderen interessieren mich nicht. Jetzt haben wir den Gegner beobachten lassen, haben alles mit Laptops an die Tafel werfen lassen, alles, wie es die Profis machen. Okay, wir haben verloren (0:1 in Babelsberg; d.Red.). Aber ich arbeite weiter so. Ich habe gesehen, wie die Profis nach dem ersten schweren Drittel Fußball gespielt haben. Da will ich auch hinkommen mit den Jungs.
SZ: Das mit den Laptops, das klingt nicht nach Hermann Gerland, wie man ihn früher kannte. Sind Sie glücklich damit?
Gerland: Ich muss mich doch weiterentwickeln! Wenn ich weiß, Nummer 26 kann weit einwerfen, die 22 auch, dann steht da: Achtung, weiter Einwurf! 26 und 22! Und dann lässt sich unser Innenverteidiger den Ball über den Kopf werfen. Ich hatte früher nie diese Informationen. Aber wenn ich einen gesehen habe, der plötzlich 30 Meter wegläuft und einer einen weiten Anlauf nimmt, dann wusste ich, dass der so weit werfen kann.
SZ: Sie sind gleichzeitig Co-Trainer der Profis. Wie detailliert stimmen Sie sich mit van Gaal ab?
Gerland: Es ist nicht so, dass der hinkommt und sagt: Hey, heute machst du Einwurf und morgen machst du das. Wir haben einen Trainingsphysiologen, Jos van Dijk, der gibt den Plan vor. Aber da kontrolliert keiner. Wenn da steht: Viermal sieben Minuten sechs gegen sechs auf zwei Feldern, aber mir das nicht gefällt, dann spiele ich viermal zehn Minuten sechs gegen sechs. Die Vorgaben sind da, das wird abgesprochen, keine Frage. Hinterher müssen die den Pass ja spielen können, wenn sie eingesetzt werden. Deswegen habe ich mit den Jugendtrainern alle Passspiele durchgespielt und ihnen gezeigt, worauf sie achten müssen.