Interview mit Hany Ramzy:"Das alles hat nichts mit Fußball zu tun"

Hany Ramzy war viele Jahre Verteidiger für Werder Bremen und den 1. FC Kaiserslautern, heute trainiert der Ägypter die U-23-Nationalmannschaft seines Landes. Von den gewaltsamen Ausschreitungen in Port Said waren auch vier seiner Spieler betroffen. Im Interview spricht der Ägypter über die Ursachen der Gewalt, die Folgen für den Fußball - und einen erlösenden Anruf in der Nacht.

Interview: Frieder Pfeiffer

Der Ägypter Hany Ramzy spielte viele Jahre als Verteidiger in der Fußball-Bundesliga, erst bei Werder Bremen (1994-1998), später beim 1. FC Kaiserslautern (1998-2005). Seit seinem Karriere-Ende vor knapp sieben Jahren ist er als Trainer tätig. 2009 übernahm der heute 42-Jährige die U-23-Nationalmannschaft seines Heimatlandes. Diese bereitet er derzeit auf die Olympischen Spiele in London vor, was angesichts der jüngsten Ereignisse jedoch in den Hintergrund rückt. Ramzy ist in Kairo geboren und lebt heute wieder dort. Bis zu seinem 21. Lebensjahr spielte er für Al-Ahly Kairo, den Klub, dessen Spieler und Fans gestern in Port Said gejagt wurden.

Interview mit Hany Ramzy: Hany Ramzy, heute U23-Nationaltrainer von Ägypten, auf dem Bild noch als Verteidiger des 1. FC Kaiserslautern.

Hany Ramzy, heute U23-Nationaltrainer von Ägypten, auf dem Bild noch als Verteidiger des 1. FC Kaiserslautern.

SZ: Herr Ramzy, Al-Masry gegen Al-Ahly ist ein Spitzenspiel. Waren Sie als U-23-Nationaltrainer gestern im Stadion in Port Said?

Hany Ramzy: Nein, ich war zu Hause in Kairo und habe mir das Spiel im Fernsehen angeschaut. Eigentlich bin ich bei Al-Ahly gerne auch live dabei, gestern war mir der Weg nach Port Said jedoch zu weit.

SZ: Wie waren die Augenblicke nach dem Spiel für Sie?

Ramzy: Normalerweise beginnen bei gefährlichen Spielen die Probleme in der Halbzeitpause, aber da war es noch relativ ruhig. Was jedoch direkt mit dem Schlusspfiff passierte, das war unfassbar, unglaublich: Innerhalb von zwei Minuten 75 Tote ...

SZ: Wie kam es Ihrer Meinung nach zu diesen Ausschreitungen?

Ramzy: Das alles hat nichts mit Fußball zu tun. Die Fans von Al-Masry hatten doch eigentlich keinen Grund zu randalieren. Ihre Mannschaft hatte ja gewonnen. Außerdem sind sie nicht viel gewalttätiger als andere. Die Fans sind hier nicht verantwortlich. Das war alles geplant und wäre in jedem Fall passiert, ganz unabhängig vom Spielverlauf. Innerhalb von zwei Minuten waren Tausende Fans mit Messern bewaffnet auf dem Platz. Sie wurden vor dem Spiel nicht kontrolliert und die Polizei hat nicht eingegriffen. Die Gewalt ist Politik, hundertprozentig.

SZ: Woher kommen die Gewalttäter?

Ramzy: Darüber wird sehr viel spekuliert. Es können Leute des alten Regimes von Mubarak sein, die versuchen das neue System zu schwächen. Manche sind auch der Meinung, sie kommen von außerhalb, aus Iran beispielsweise. Aber das ist das große Problem: Niemand weiß es wirklich. Jedes Mal, wenn es in Ägypten etwas ruhiger wird, heißt es sofort, es geht dem Land besser, es wird stabil. Es ist auf einem guten Weg. Doch dann gibt es wieder eine neue Gewaltwelle und es geht drei Schritte zurück.

"Die Spieler werden auf den Platz zurückkehren"

SZ: Sie sind Trainer der ägyptischen U-23-Nationalmannschaft. Waren Spieler Ihres Teams gestern in Port Said dabei?

Ramzy: Ja, drei bei Al-Masry, einer bei Al-Ahly. Ich habe den Spieler von Al-Ahly sofort versucht, zu erreichen. Aber das Handy war aus. Das war nicht einfach für mich. Erst nachts um zwei hat er mich zurückgerufen und hat gesagt: "Trainer, uns geht es gut." Die Spieler und Betreuer sind inzwischen alle in Sicherheit zu Hause. Aber es gab natürlich viele verletzte und sogar tote Fans in der Kabine.

SZ: Einige Spieler sprachen davon, nie wieder Fußball spielen zu wollen.

Ramzy: Natürlich standen die Spieler unter Schock, da fallen solche Worte schnell. Aber ich glaube, sie werden sicherlich auf den Platz zurückkehren, wenn die Sicherheit in den Stadien garantiert ist.

SZ: Sie haben Ihre Karriere bei Al-Ahly begonnen. Erinnern Sie sich an die Spiele in Port Said?

Ramzy: Das waren immer große Spiele mit viel Bedeutung. Das war schon emotional. Mit 19 Jahren war ich damals in Port Said als Verteidiger von Al-Ahly. Natürlich war das nicht ganz ungefährlich. Aber nie so. So etwas habe ich in meinem Leben vorher noch nie gesehen.

SZ: Auch wenn Sie und andere von einem politischen Problem sprechen: Wie geht es jetzt mit dem ägyptischen Fußball weiter?

Ramzy: Jetzt ist erst einmal alles gestoppt. Und das ist gut. Ich finde, man sollte ein paar Monate nicht an Fußballspiele denken. Und wenn, dann vielleicht ohne Zuschauer. Das ist sehr schade für den Fußball hier. Aber ich finde, es muss so sein.

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