Interview mit DDR-Dopingopfer:"Ein Feigling und ein Lügner"

Das DDR-Dopingopfer Uwe Trömer über den Eklat bei einer Lesung des Ex-Sportfunktionärs Köhler und das schwierige Verhältnis der Geschädigten zu den früheren Chefs.

Interview: Thomas Hummel

Uwe Trömer ist ehemaliger Bahnradfahrer und heute Sprecher des DDR-Dopingopfer-Hilfe-Vereins. Er reagiert erbost auf das Buch Zwei Seiten der Medaille von Thomas Köhler. Darin schreibt der frühere Vizepräsident des Deutschen Turn- und Sportbundes und damit zweite Mann im DDR-Sport, das Staatsdoping sei streng kontrolliert und medizinisch überwacht gewesen. Außerdem sei es mit dem Einverständnis der Sportler geschehen. Bei einer Lesung Köhlers kam es zu einem Eklat.

DDR Einmarsch Olympische Spiele Winterspiele Calgary 1988 Frank-Peter Rötsch

Einmarsch der DDR-Olympiamannschaft bei den Olympischen Spielen in Calgary 1988.

(Foto: Imago)

sueddeutsche.de: Es wurde gemeldet, dass eine Lesung Thomas Köhlers im Sportlerheim der SV Bau-Union in Berlin wegen zwei Störenfrieden abgebrochen werden musste.

Uwe Trömer: Das waren ich und Frank Hoffmeister (ehemaliger Schwimmer der DDR; Anm. d. Red.). Ich möchte das aber richtigstellen: Wir haben nicht für den Eklat gesorgt, das waren die Herren des alten DDR-Sports schon selbst.

sueddeutsche.de: Was ist passiert?

Trömer: Ich habe Herrn Köhler ganz ruhig meine Meinung gesagt.

sueddeutsche.de: Und die ist?

Trömer: Erstens, dass die Strafe gegen ihn wegen seiner Beteiligung am DDR-Dopingsystem von 26.400 Mark viel zu niedrig gewesen sei. Er, sein früherer Chef Manfred Ewald und die anderen Funktionäre, die das Staatsdoping leiteten, hätten eigentlich Gefängnis verdient. Da fühlten sie sich natürlich auf den Schlips getreten.

sueddeutsche.de: Was stört Sie an diesem Buch besonders?

Trömer: Hätte Herr Köhler nun die ganze Geschichte erzählt, hätte ich ihm meinen Respekt gezollt. Aber so sage ich: Er ist ein Feigling und ein Lügner. Er hat nicht die Wahrheit geschrieben.

sueddeutsche.de: Wo lügt er Ihrer Ansicht nach zum Beispiel?

Trömer: Dass alles unter strenger ärztlicher Aufsicht passiert sein soll, ist eine Frechheit. Wenn er den Mund hält, dann okay. Aber wenn er so ein Buch schreibt, muss er damit leben, dass die Geschädigten sagen: Das stimmt so nicht. Für mich ist das eine Geschichtsklitterung und eine Anbiederung an Bach und Vesper (aktuelle Führung des Deutschen Olympischen Sportbundes; Anm .d. Red.).

sueddeutsche.de: Was war das eigentlich für eine Lesung in Berlin?

Trömer: Da saßen viele Ex-Sportfunktionäre der DDR oder Klaus Huhn, früherer Sportressortleiter der Ost-Zeitung Neues Deutschland. Die Atmosphäre glich einer Parteiversammlung. Die Tische zum U gestellt, vorne saß das Vereinspräsidium. Ich bin ja mal in Stasi-Haft gesessen, einiges hat mich im Ton an die Vernehmungen von damals erinnert.

sueddeutsche.de: Wie reagierten die Leute auf Ihre Kritik?

Trömer: Zu Ostzeiten hätten sie mich wahrscheinlich in Ketten gelegt, aber diese Macht haben sie ja nicht mehr. Thomas Köhler hat mich einfach ignoriert und sich während meiner Worte mit Herrn Huhn unterhalten. Ich hatte kopierte Stasi-Unterlagen dabei, die einige von Köhlers Behauptungen widerlegen. Die wollte ich vorne auf den Tisch legen. Da haben sich ein paar alte Herren mir in den Weg gestellt und wollten mich daran hindern. Sie haben dann die öffentliche Lesung abgebrochen und daraus eine interne Veranstaltung gemacht. Ich bin dann auch gegangen.

sueddeutsche.de: Das Verhältnis zwischen DDR-Dopingopfern und der alten Führung scheint auch 20 Jahre nach der Wende nicht gut zu sein.

Trömer: Es ist sehr angespannt.

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Thomas Köhler hat sich inzwischen bei den Opfern des DDR-Dopingsystems entschuldigt: Im ARD-Morgenmagazin sagte er: "Ich entschuldige mich auch bei Opfern, die es tatsächlich gab, und dass wir im Nachhinein gemerkt haben, dass wir auch eine Reihe von Fehlern und Versäumnisse zugelassen haben, auch einige Dinge unterschätzt haben, Auswüchse unterschätzt haben, das tut mir auch sehr leid."

Uwe Trömer war Bahnradfahrer und Mitglieder der Junioren-Nationalmannschaft der DDR. Nach einer dreiwöchigen Spritzenkur erlitt er 1983 ein Nierenversagen. Weil er erst einen Monat später in ein Krankenhaus eingewiesen wurde, wirft er den Funktionären vor, dass sie den Vorfall vertuschen wollten. Bis heute weiß Trömer nicht, welcher Stoff ihm gespritzt wurde. Der 48 Jahre alte Erfurter leidet heute an Enzephalopathie, einer Veränderung des Gehirns, die als Folgeerscheinung des Nierenversagens anerkannt wurde. Vor vier Jahren erlitt Trömer einen Schlaganfall, hat außerdem aufgrund der Einnahme des DDR-Dopingmittels Oral-Turinabol mit Leberschäden zu kämpfen. Er ist von der Bundesrepublik Deutschland anerkanntes Dopingopfer der DDR.

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