Interview mit Balingens Trainer Markus Gaugisch:"Wir dürfen jetzt nicht ausflippen"

Markus Gaugisch Trainer Coach HBW Balingen Weilstetten bejubelt eine gelungene Abwehr aktion HBW

Bremst die Euphorie nach dem Sieg gegen Kiel: Balingens Handball-Trainer Markus Gaugisch

(Foto: imago)

Nach vielen vergeblichen Anläufen als Spieler und Trainer gewinnt Markus Gaugisch mit dem HBW Balingen-Weilstettten endlich gegen den deutschen Rekordmeister THW Kiel. Im SZ-Interview spricht der 40-Jährige darüber, warum ihm die Euphorie nach dem ungewohnten Erlebnis unheimlich ist.

Von Matthias Schmid

Als Trainer des HBW Balingen-Weilstetten ist Markus Gaugisch, 40, gelungen, was ihm als Spieler stets verwehrt geblieben ist: ein Sieg gegen den Handball-Rekordmeister THW Kiel. Mit 22:21 Toren gewann der Außenseiter vom Fuße der Schwäbischen Alb am Mittwochabend das Bundesligaspiel gegen die Norddeutschen.

SZ: Herr Gaugisch, Glückwunsch zum Sieg gegen Kiel. Haben Sie anschließend überhaupt geschlafen oder sich noch mal das Spiel in voller Länge angeschaut?

Markus Gaugisch: Weder noch. Ich habe die ganze Nacht über wach gelegen, obwohl ich hundemüde war. Aber das ist für mich ganz normal, das lag nicht an unserem Sieg. Ich muss das Erlebte immer erst einmal verarbeiten, vor allem kognitiv.

Diesmal dürfte alles noch mal extremer gewesen sein, denn normalerweise kommt Kiels Trainer Alfred Gislason nicht zu einem, um zu gratulieren.

Das war schon toll, ich habe vorher in meiner Karriere nie gegen Kiel gewinnen können, als Spieler habe ich einmal mit Pfullingen in letzter Sekunde ein Unentschieden verpasst. Ich habe immer nur Glückwünsche für die gute Leistung erhalten, aber nie für den Sieg. Alfred war ziemlich enttäuscht, wie alle Kieler Spieler. Sie hätten nicht gedacht, dass sie verlieren würden.

Sie rufen Gislason ab und zu an?

Das ist richtig, er ist ein sehr netter und offener Mensch, ich habe schon häufig mit ihm telefoniert und um Einschätzungen zu Spielern gebeten oder auch ganz konkret nach Tipps gefragt. Von seinem riesigen Erfahrungsschatz bin ich als junger Trainer Lichtjahre entfernt. Ich kann aus jedem Gespräch mit ihm so viel Wertvolles mitnehmen.

Den Kielern sind in der zweiten Hälfte nur acht Treffer gelungen.

Waren es nicht sogar nur sechs?

Zur Pause lag Balingen 10:13 zurück.

Schade, aber wir haben das richtig stark gemacht. Die vielen Weltklassespieler um Jicha, Vujin und Duvnjak haben sich gegen unsere stehende Abwehr sehr schwer getan. Gegen Kiel geht es immer darum, ob man als Gegner überhaupt zur Abwehrarbeit kommt. Man darf sich keine Fehler im Angriff erlauben, sonst rollen sie mit ihren Schnellangriffen über einen hinweg. Wir hatten in der ersten Hälfte so eine Phase, da ist mir Angst und Bange geworden, als wir in 90 Sekunden drei Gegentore hinnehmen mussten. Aber wir haben sie zum Glück diesmal stoppen können und am Ende mit unseren verrückten Zuschauern im Rücken ein richtig gutes Spiel gemacht.

"Es wäre völlig falsch, meinen Spielern das Feiern zu verbieten"

Müssen Sie das Umfeld und die Spieler jetzt erst einmal beruhigen? Der HBW liegt in der Tabelle als Achter erstmals vor dem deutschen Rekordmeister.

Wir dürfen jetzt nicht ausflippen. Ich persönlich kann mich erst so richtig über den Sieg gegen Kiel freuen, wenn wir am Sonntag auch zu Hause gegen Lübbecke gewinnen. Ich habe meine Spieler in der Kabine gleich darauf hingewiesen. Wir hatten nämlich in der vergangenen Saison ein ähnliches Erlebnis, als wir überraschend einen Punkt in Hamburg holten und anschließend dann unser wichtigstes Spiel im Abstiegskampf verloren. Ich hoffe doch sehr, dass wir alle daraus gelernt haben.

Gab es ein Feierverbot?

Natürlich nicht. Es wäre völlig falsch, wenn meine Spieler so einen Sieg nicht mehr feiern dürften. Sie sollen das jetzt richtig genießen, aber gleichzeitig nicht vergessen, dass wir am Sonntag wieder eine wichtige Partie haben.

Und wie genießen Sie das Kiel-Spiel?

Ich habe am Tag danach mit meiner Frau und den Kindern einen schönen Ausflug auf das Gütle (schwäb. für Garten mit kleiner Hütte; d. Red.) meiner Schwiegereltern unternommen. So kann ich abschalten.

Sie arbeiten noch als Lehrer und haben Ferien. In der Schule hätten Sie womöglich viele Autogramme schreiben müssen?

Ich unterrichte zum Glück nicht im Einzugsgebiet unseres Klubs. Aber die Schüler und Kollegen kriegen das natürlich trotzdem alles mit. Nach dem Sieg habe ich einige Glückwünsche von meinen Kollegen aufs Handy bekommen.

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