Interview mit Alfrédo di Stefano:"Fußball ohne Tore ist wie ein Tag ohne Sonne"

Am Sonntag wird Alfredo di Stéfano, 81, zum Ehrenpräsidenten des europäischen Fußball-Verbands ernannt - ein Gespräch über den Sport, der ihn berühmt machte.

Javier Cáceres

Alfredo Di Stéfano sitzt im Keller des Gebäudes, das er einst ehrfurchtsvoll "die Fabrik" taufte: das Estadio Santiago Bernabéu, die Heimstatt von Real Madrid. Die Gehhilfe liegt neben ihm, in seiner Hand ruht ein Brieföffner, denn obwohl er bereits 81 Jahre alt ist, erhält er noch immer Post aus aller Welt. Vor Di Stéfano sitzt eine junge Vereinsangestellte, die auf zwei Diktiergeräten jeden Satz archiviert, den Di Stéfano auf Terminen wie diesem spricht. Di Stéfano, der Klubheilige. Der erste Mensch, den der Fußball zum globalen Medienereignis machte, obwohl es noch keine Satellitenübertragungen gab. Sein Name war von solchem Klang, dass ihn in Caracas einmal eine linke Guerillagruppe entführte, um ihre Anliegen weltumspannend bekannt zu machen. An diesem Sonntag wird ihm eine Hommage zuteil, wie sie der Weltfußball noch nie gesehen hat - Franz Beckenbauer, Johann Cruyff, Eusébio, Raymond Kopa, Just Fontaine und Mario Kempes reisen nach Madrid. Die Uefa ernennt ihn zum Ehrenpräsidenten - eine Ehrung für einen, der aus eigenen Stücken wohl kaum Berufsfußballer geworden wäre.

Interview mit Alfrédo di Stefano: Fast niemand liebt den Fußball so wie er, er braucht ihn wie die Luft zum Atmen: Alfredo di Stefano.

Fast niemand liebt den Fußball so wie er, er braucht ihn wie die Luft zum Atmen: Alfredo di Stefano.

(Foto: Foto: Archiv/dpa)

SZ: Nach allem, was Sie erzählt haben, verdankt der Fußball Ihrer Mutter mindestens so viel wie Ihnen selbst.

Di Stéfano: Hast Du nicht gesehen, was auf diesem Ding steht, das ich in meinen Garten gestellt habe?

SZ: ,Gracias, vieja': Danke, Alte.

Di Stéfano: Und warum wohl?

SZ: Der ,pelota', also dem Ball zu Ehren, wie es in Ihrer Biografie steht?

Di Stéfano: Wegen meiner Mama, Mann.

SZ: Sie hat Sie dem argentinischen Traditionsklub River Plate empfohlen.

Di Stéfano: Genau genommen kam ein Elektriker zu uns nach Hause, ein früherer River-Torwart, und fragte nach dem Befinden der Familie. Meine Mutter antwortete, dass es dem Mann gut gehe, und dass die Jungs Fußball spielen. Einer von ihnen sogar sehr gut. Als River später eine Einladung zum Training schickte, fragte ich: Wer war das? Meine Mutter!

SZ: Sie sind in Barracas geboren, einem Viertel in Buenos Aires.

Di Stéfano: Ich war ein Kind des Viertels. Vom Zuhause ging's zur Schule, von der Schule auf den Bolzplatz, von dort wieder nach Hause. Das war mein Leben. Dort, auf freiem Feld, spielten wir mit all den Burschen. Es war ein Fabrikviertel, immer viele Leute. Als ich zwölf war, zogen wir ins Flores-Viertel, später zogen wir aufs Land. Und dann holte mich River in seine Jugendabteilung. Ich bin dahin, weil mir nix anderes übrig blieb.

SZ: Wie bitte?

Di Stéfano: Ich wäre doch nie darauf gekommen, bei River zur Probe zu trainieren! Ich hatte Racing abgesagt, und Independiente, und die waren bei mir um die Ecke! Um zu River zu kommen, musste ich die Straßenbahn nehmen, die Linie88. Ich brauchte anderthalb Stunden, um Buenos Aires zu durchqueren!

SZ: In jenen Tagen sorgte bei River die mythische "Maschine" für Furore.

Di Stéfano: Wenn Sie in Argentinien ,La Máquina' erwähnen, dann ziehen die Leute noch heute ihren Hut. Zu Recht. Sie war so etwas wie der Ursprung des modernen Fußballs.

SZ: Inwiefern?

Di Stéfano: Es war eine Mannschaft mit neuen Spiel-Charakteristika. Und die einzelnen Elemente fügten sich so gut ineinander, dass sie dem Spiel Brillanz verliehen. Der Rechtsaußen war ein grandioser Dribbler. Ein Spektakel. Der rechte Innenstürmer, Moreno, war ein Vorarbeiter. Der beste Spieler, den ich je gesehen habe. Ein Künstler, ein Lebenskünstler, ein Theaterkünstler, Tänzer, Kinostar. Und dann war da natürlich noch Pedernera, der von hinten kam. Oder Labruna. Der Lügner, wie sie ihn im Fußball-Jargon nannten. Unser Linksaußen lief die ganze Bahn auf und ab.

"Fußball ohne Tore ist wie ein Tag ohne Sonne"

SZ: Sepp Herberger, der deutsche Weltmeistertrainer...

Interview mit Alfrédo di Stefano: Sepp Herberger nannte Pele den großen Indivbidualisten, aber die Stefano den "Mannschaftsmacher".

Sepp Herberger nannte Pele den großen Indivbidualisten, aber die Stefano den "Mannschaftsmacher".

(Foto: Foto: AP)

Di Stéfano: Ich weiß, wer das ist!

SZ: ...sagte mal, dass Pelé ein großartiger Individualist sei, Sie aber, im Gegensatz zu ihm, "ein Mannschaftsmacher".

Di Stéfano: Das haben die Franzosen auch gesagt. In L'Equipe. Gabriel Hanot hat das geschrieben. Schau's nach, findest Du im Archiv.

SZ: Der einstige italienische Nationaltrainer Arrigo Sacchi sagte einmal, erst mit Ihnen sei aus dem fotografischen Fußball ein Kino-Fußball geworden.

Di Stéfano: Statt als Mittelstürmer in der Spitze zu spielen, ließ ich mich fallen. Darum ging's. Mir standen zwei Verteidiger gegenüber, ich ging nach hinten, einer zog hinter mir her, der andere blieb alleine in der Luft hängen. Als die anderen merkten, was wir anstellten, war es zu spät. Denn wir erklärten doch nicht, was wir dort machten. Wenn man einen Deppen warnt, bringt man einen Schlauen um, sagt man in Argentinien.

SZ: Wurden Sie in Europa zu diesem Spieler, der das ganze Feld beackerte?

Di Stéfano: Nein. In Kolumbien, bei Millonarios Bogotá.

SZ: Dorthin wanderten Sie nach einem Streik der argentinischen Fußballer aus, zusammen mit Pedernera.

Di Stéfano: Wir adaptierten das System und holten damit gute Resultate. Hier in Madrid haben wir das Ganze dann wiederholt. Und es ging gut aus, weil wir die richtigen Spieler dafür hatten. Als den anderen Mannschaften in Europa bewusst wurde, was wir spielten, hatten wir ihnen schon seit sieben, acht Jahren was auf die Mütze gegeben.

SZ: Welcher Spieler ähnelte Ihnen am meisten?

Di Stéfano: Pedernera. Mein Maestro! Der machte mit dem Ball, was er wollte.

SZ: Er war der Spiegel, in den Sie immer schauen wollten?

Di Stéfano: Sí, señor. Obwohl: Ich habe nicht nur zu ihm, ich habe immer zu vielen aufgeschaut. Habe ein Stückchen von diesem, ein Stückchen vom anderen genommen. Hiervon ein bisschen, davon ein bisschen, hier etwas Ernsthaftigkeit, dort ein wenig Spaß. Das ist mein Geheimnis. Wie in einem Tango: Der Weg ist lang und verschlungen.

SZ: War die sogenannte River-Maschine ein Produkt des zufälligen Zusammentreffens von außergewöhnlichen Spielern? Oder gab es Trainer, von denen man heute nicht mehr spricht, und die eigentlich verantwortlich waren?

Di Stéfano: Cesarini und Peucelle. Cesarini hatte in Italien bei Juventus gespielt. Ein Dandy war das! Mit lackierten Fingernägeln! Peucelle zog es später vor, in der Jugend zu arbeiten. Ein geborener Lehrer, von außerordentlicher Menschlichkeit. Der wusste alles über Fußball. Er war derjenige, der Pedernera auftrug, sich nach hinten fallen zu lassen. Erst dadurch machten die Spielmacher Tore, denn dadurch, dass sich Pedernera als Stürmer fallen ließ, stießen andere in die Lücken hinein.

SZ: Gab es nach Ihnen einen Spieler, der Ihnen geähnelt hätte? Der Niederländer Johan Cruyff vielleicht?

Di Stéfano: Cruyff ließ sich auch fallen, war auf der Position der Zehn, der Sieben, der Elf. In diesem Sinne ja: Die holländische Nationalelf, in der Cruyff spielte, war diejenige, die am ehesten unserem System, die am ehesten der Charakteristik der Máquina entsprach.

SZ: Argentinien war damals Europa so weit voraus. Spiegelte sich diese gesellschaftliche Lage im Fußball wider?

Di Stéfano: Natürlich. Hier in Europa war Krieg. Die Menschen wanderten ja nicht von ungefähr mit Frau und Kind aus. Wer will schon sagen, ob Argentinien damals fußballerisch am fortgeschrittensten war? Aber es gab sehr gute Spieler, sehr gut organisierte Teams.

SZ: Auf einem Konzert erklärte der Tango-Künstler Astor Piazolla die unglaubliche Reise des Bandoneons. Es wurde in Deutschland geboren, in Kirchen benutzt und landete irgendwann in den Hurenhäusern von Buenos Aires. Piazolla brachte das Gerät wieder nach Europa - in die größten Opernhäuser. Ein bisschen ähnelt das dem, was Sie mit dem Fußball gemacht haben. Er kam aus England, Sie brachten ihn veredelt in die besten Stadien Europas zurück.

Di Stéfano: Ich habe nichts erfunden. Ich war einer von vielen Fußballern, die nach Europa kamen. Ich habe einfach 1952 ein Turnier gespielt, den Leuten gefallen, und dann hat man mich verpflichtet. Nichts weiter.

"Fußball ohne Tore ist wie ein Tag ohne Sonne"

SZ: Sie haben mit Real Madrid von 1956 bis 1960 fünf Europapokale der Landesmeister in Serie gewonnen. Ein Finale fand in Deutschland statt. Erinnern Sie sich?

Interview mit Alfrédo di Stefano: Alfredo di Stefano lobt Reals deutschen Trainer Bernd Schuster. Er ist "formidabel. Ich hoffe, er macht so weiter, zum Wohle Reals."

Alfredo di Stefano lobt Reals deutschen Trainer Bernd Schuster. Er ist "formidabel. Ich hoffe, er macht so weiter, zum Wohle Reals."

(Foto: Foto: dpa)

Di Stéfano: Natürlich! Es war der vierte Pokal, in Stuttgart. Das war nicht das einzige Mal, dass wir in Deutschland waren. Einmal waren wir in Berlin, mitten in der Nachkriegszeit. Was für ein Desaster das war. Nie wieder habe ich ein solch großes Elend gesehen. Alles war gebrandschatzt. Häuserblock um Häuserblock war zerstört. Überall sah man die Bombeneinschläge. Was mich am meisten beeindruckt hat, war, dass sie uns erzählten, dass der Staat die Menschen anhielt, auf dem Weg zur Arbeit einen Ziegelstein zu nehmen und an einem bestimmten Ort abzulegen. Auf dem Rückweg nahmen sie dann einen weiteren Ziegelstein. Und ich kann mich auch noch gut daran erinnern, dass in unserem Hotel eine Hochzeit gefeiert wurde und unsere Mannschaft die Braut entführte: Der Kerl hat gesucht! Keine Ahnung, ob die Ehe je vollzogen wurde... Aber ich weiß noch, dass wir damals 2:1 siegten. "Fachistas", riefen sie uns zu.

SZ: Das tat Ihnen weh?

Di Stéfano: Nein. Weil mit Politik hatten wir nix zu tun. Wir haben halt im letzten Augenblick gewonnen, in Spanien herrschte Franco - und wer verliert schon gerne? Wir durften nicht zum Brandenburger Tor. "Lieber nicht provozieren", hat man uns gesagt. Später war ich oft dort. Ich habe viele deutsche Freunde. Auch einen großen Freund wie Uli Stielike, der verdammt gut spielte. Gestern habe ich ihm Mut zugesprochen. Als wir vom Tod seines Sohns erfuhren, haben wir ihn sofort angerufen. Wofür sind wir sonst da, die Veteranen?

SZ: 1961 fand in Glasgow das Finale gegen Eintracht Frankfurt statt. 7:3 siegte Real. War dies das perfekte Spiel?

Di Stéfano: Naja. Das Resultat deutet schon darauf hin, dass es ein Riesenspiel war, oder?

SZ: Wenn man heute die Aufzeichnung sieht, erkennt man, dass die Eintracht 20 Minuten lang grandios spielte.

Di Stéfano: Eintracht hat sehr gut gespielt. Sie haben ein Tor geschossen, einen Lattentreffer gehabt. Wir haben das Spiel durch Beharrlichkeit und Drang gewonnen. Wir hatten ein sehr gut organisiertes Team, und dass wir Tore schießen würden, wussten wir. Denn wir hatten ein irrsinnig torgefährliches Team. Leute mit einer barbarischen Geschwindigkeit. Puskas mit seinem unfassbaren Antritt, Del Sol... Bah, es war ein Riesenteam. Manchmal sagen die Leute, bah, der redet nur gut über diese Mannschaft, weil er selber mitgespielt hat. Unsinn. Wir hatten ein Riesenteam.

SZ: Das Jahr für Jahr verstärkt wurde.

Di Stéfano: Das war die große Tugend des Klubs. Bei uns gab's das ja nicht, diese, wie heißen die noch?

SZ: Rotationen?

Di Stéfano: Gab's nicht. Nicht mal Auswechslungen gab's. 70 Spiele machten wir im Jahr, und die Stammspieler wurden ausgepresst.

SZ: Man nannte Sie "El alemán", den Deutschen.

Di Stéfano: Weil ich blond war.

SZ: Was verbinden Sie mit dem deutschen Fußball?

Di Stéfano: Beharrlichkeit. Ballfertige Spieler natürlich auch. Wie hieß der noch mal, dieser Mittelfeldmann...

SZ: Beckenbauer?

Di Stéfano: Genau. Aber nicht nur er. Gute Verteidiger, gute Torleute, solvente Vereine. Deutschland war immer phänomenal organisiert.

SZ: Real Madrid hat jetzt einen deutschen Trainer, Bernd Schuster. Wie erledigt er seine Arbeit?

Di Stéfano: Formidabel. Ich hoffe, er macht so weiter, zum Wohle Reals.

SZ: Sie haben mal gesagt, Schusters Mannschaft kille gut.

Di Stéfano: Sie hat einen sehr guten Konter. Sie beherrscht nicht alle ihre Spiele, hat aber grandiose Gegenstöße.

SZ: Genießen Sie Reals Fußball?

Di Stéfano: Zurzeit ja! Was zählt, ist zu gewinnen. Erst gewinnen, dann spielen. Und wenn du gut spielst und gewinnst - perfekt!

"Fußball ohne Tore ist wie ein Tag ohne Sonne"

SZ: So wie Sie früher in der Fabrik? Erst arbeiten...

Interview mit Alfrédo di Stefano: Am Sonntag wird eine Bronze-Statue von ihm enthüllt - von Alfredo di Stefano, einem der größten, wenn nicht gar dem größten Fußballer aller Zeiten.

Am Sonntag wird eine Bronze-Statue von ihm enthüllt - von Alfredo di Stefano, einem der größten, wenn nicht gar dem größten Fußballer aller Zeiten.

(Foto: Foto: dpa)

Di Stéfano: ... 70 Minuten lang rennen; versuchen, die zwei Tore zu schießen, die dir erlauben, dich zu erholen und zu glänzen. Damit das Publikum sagt: Uuyyyy, wie die spielen! Damit der Fußball im Augapfel der Leute bleibt.

SZ: Ein chilenischer Journalist sagte mal, dass der Fußball in den 50ern und 60ern so romantisch verklärt wurde, weil er noch menschlich war. Weil der Zuschauer nachvollziehen konnte, was dem Fußballer durch den Kopf ging. Jetzt sei er nicht mehr human, zu physisch.

Di Stéfano: Jetzt gibt es viel mehr Reibung. Das ist wahr. Früher war der Fußball romantischer. Bohème. Aber wenn Dir jemand einen mit der Axt mitgeben wollte, tat er das auch. Der Fußball war etwas langsamer, man hatte mehr Zeit, um nachzudenken.Alles richtig. Aber es triumphierte der Schnelle. Denn im Fußball verleiht dir nur die Schnelligkeit eine höhere Dimension.

SZ: Die Schnelligkeit galt als Ihr Hauptwesenszug.

Di Stéfano: Deshalb habe ich keine Probleme gehabt, als ich nach Europa kam. Ich war sofort adaptiert. Die Spieler, die aus Argentinien kommen, haben immer ein zusätzliches Problem: Der Rasen wird dort hoch gemäht. In Europa ist der Rasen kurz, und der Ball fliegt über die Narbe, als würde ihn jemand - tchis! - ausspucken. Deswegen ist hier immer der lange, flache, schnelle Ball gepflegt worden. Hier gab's den Sturmbock, der so was wie ein Panzer war. Die Funken sprangen nur so, wenn er auf die Verteidiger prallte, und das Publikum applaudierte. In Südamerika wurde der Ball kurz gepasst. Ein anderer Fußball.

SZ: Sie haben nie eine WM gespielt. 1962 in Chile zählten Sie bloß zum spanischen Aufgebot.

Di Stéfano: Ich hatte eine Rückenverletzung. Ich hatte meine Eltern eingeladen, sie wohnten im gleichen Hotel wie wir, in Viña del Mar, doch die Freude, mich spielen zu sehen, konnte ich Ihnen nicht bereiten. Sie haben mich bloß im Training gesehen. Ich hatte so einen Stich, der ins Bein ausstrahlte. Und der Trainer, Helenio Herrera, dieser...ach, lassen wir das.

SZ: Dafür haben Sie in Chile eines Ihrer Lieblingstore erzielt.

Di Stéfano: 1948, bei einem Städteturnier, ja. Gegen Bolivar, glaube ich (Es war gegen Litoral/d. Red.). Zehn Sekunden hat das gedauert. "Traust du dich?", fragte mich Moreno. Ich hab mir die Abwehr angeguckt, und gesagt: "Und wie!" Er schickt mir den Ball lang in den Fuß, ein perfekter Pass, und dann hab ich das Ding direkt draufgehauen.

SZ: Tore sind die Essenz des Fußballs?

Di Stéfano: Fußball ohne Tore, das ist wie Tage ohne Sonne.

SZ: Sie haben gesagt, dass im Fußball zwei plus zwei drei sein kann. Oder fünf...

Di Stéfano: ... oder sieben.

SZ: Was das Mysterium des Fußballs erklärt?

Di Stéfano: Ja. Das - und die Kunst. Und das Individuum. Das Gleichgewicht. Denn das muss man ja erst mal bewerkstelligen, den Ball mit dem Fuß zu führen. Denn man macht immer alles mit der Hand. Was machst du als Kind als erstes? Nach der Brust der Mutter greifen. Später nimmst du eine Mandarine, einen kleinen, eine großen Ball... Aber mit dem hier oben zu denken und das dann mit den Füßen auszuführen? Deswegen verdienen die Leute so viel Geld, wenn sie einen Ball gut treten können.

SZ: Wer ist zurzeit der beste Spieler?

Di Stéfano: Messi. Führt den Ball mit dem Außenrist, ganz eng. Tic, tic. Das ist das Geheimnis. Die enge Ballführung und die Kraft.

SZ: Ihre Lieblingsanekdote?

Di Stéfano: Eine von Enrique García, Linksaußen bei Racing. Der machte ein Riesendribbling auf einem Platz, wo kein Rasen mehr war. Als der Ball im Tor lag, lief er zurück und klopfte mit den Füßen den gleichen Weg ab, den er vorher gelaufen war. "Was machst Du da?", fragten sie ihn. "Die Spuren verwischen, damit keiner das Dribbling kopiert!"

SZ: Am Sonntag wird eine Bronze-Statue von Ihnen enthüllt.

Di Stéfano: Meine Tochter hat das Ding gesehen. Du hast ja den Mund offen, hat sie gesagt. Was denn sonst? Ich schrei' ja ein Tor heraus!

SZ: Was halten Sie von der Hommage?

Di Stéfano: Sie beschämt mich.

SZ: Aber warum denn?

Di Stéfano: Wegen diesen hier (deutet durch die Tür auf andere Veteranen von Real Madrid, die nebendran, im Keller des Stadions, ihren Cafe trinken). Wenn ich könnte, würde ich die Ehrung in Teile schneiden und unter ihnen verteilen.

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