Interview am Morgen: Fußball:"Häufig wird ein Fußballspiel benutzt, um drumherum Krawall zu machen"

Polizeieinsatz beim Fußball: Das Bremer Oberlandesgericht hat entschieden, dass sich die DFL an den Polizeikosten bei Hochrisikospielen in der Bundesliga beteiligen muss.

Polizisten in einem Stadion.

(Foto: picture alliance / Carmen Jasper)

Einem Gerichtsurteil nach müssen sich Fußballvereine an den Polizeikosten für Hochrisikospiele beteiligen. Monika Böhm, Professorin für Öffentliches Recht, erklärt, warum die Entscheidung aus Bremen sie überrascht hat.

Interview von Thomas Hummel

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Bremen, wonach sich die Deutsche Fußball-Liga (DFL) an den Kosten für Polizeieinsätze bei sogenannten Hochrisikospielen im Fußball beteiligen muss, kam für viele überraschend. Auch für Monika Böhm, Professorin für Öffentliches Recht an der Universität Marburg, die sich seit einigen Jahren mit diesem Thema beschäftigt.

SZ: Frau Böhm, warum hat Sie das Urteil überrascht?

Monika Böhm: Ich bin erstaunt, dass das Gericht in allen sehr problematischen Punkten durchweg klare Aussagen macht.

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Interview am Morgen

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Insbesondere die Frage, wann der Staat Gebühren erheben darf. Gängig ist das etwa bei Abfall oder Abwasser, also generell dann, wenn man staatliche Gegenleistungen bekommt oder einen besonderen Vorteil erwirbt. Außerdem die Frage: Was ist dem Fußballbetrieb bei den Polizeieinsätzen wirklich zurechenbar? Die Veranstalter wollen ja nicht, dass es rund um die Stadien zu Randale kommt. Im Frankfurter Raum haben sich kürzlich 200 sogenannte Fans verabredet und weit entfernt vom Spiel gegenseitig verprügelt. Häufig wird ein Fußballspiel benutzt, um drumherum Krawall zu machen. Die Fußballvereine und -verbände sind also polizeirechtlich nicht verantwortlich für die Schlägereien, sollen aber trotzdem zahlen - das halte ich nicht für schlüssig.

Das Urteil ist ausdrücklich nicht auf den Fußball beschränkt. Müssen nun alle Großveranstaltungen mit Polizeigebühren rechnen?

Wenn man die Veranstalter belangen will, musste man bislang sehr genau hinschauen. Das Bundesverwaltungsgericht hat etwa im Hinblick auf Flughäfen entschieden, dass die Bundespolizei für die konkreten Sicherheitskontrollen der Passagiere Geld von den Fluggesellschaften verlangen kann. Aber was tun bei Karnevalsumzügen? Musikkonzerten? Dem Münchner Oktoberfest? Das würde teuer werden, weil hier die Zahl der polizeilich relevanten Vorfälle im Vergleich zur Besucherzahl viel höher ist als bei Fußballspielen.

Beim Oktoberfest ist allerdings die Stadt München der Veranstalter. Da müsste dann der Freistaat von der Landeshauptstadt die Gebühren eintreiben...

Die Stadt wiederum würde die Kosten bestimmt auf die Wirte und Schausteller umlegen.

"Also würde der Verband das Geld von den Klubs einfordern müssen"

Falls das Urteil so bestehen bleibt: Mit welchen Folgen rechnen Sie für den Fußball?

Die Mitglieder der DFL sind die deutschen Profivereine, also würde der Verband das Geld von den Klubs einfordern müssen. Einige sind natürlich finanziell gut aufgestellt und können sich das locker leisten. Andere eher nicht.

Wenn alle Veranstaltungen mit mehr als 5000 Besuchern unter das Gesetz fallen, wären auch Viertliga-Spiele betroffen. Dort ist bisweilen auch das Gewaltproblem größer als in der Bundesliga.

Auch diese Kosten würden letztlich immer bei den Vereinen landen. Wer soll sonst dafür aufkommen? Allerdings muss man auf die genaue Urteilsbegründung warten, denn es geht auch um den wirtschaftlichen Nutzen und der ist in der vierten Liga erheblich kleiner. Ob aber deshalb Vereine hier eventuell glimpflicher davonkommen könnten, ist sehr fraglich. Aber man sieht an diesem Beispiel: Vieles ist unklar an der Bremer Regelung.

Beim Viertliga-Spiel im April 2015 zwischen den zweiten Mannschaften des TSV 1860 und des FC Bayern mit 12 500 Zuschauern waren 1200 Polizisten im Einsatz. Es gab danach scharfe Debatten, ob das nicht zu viel des Guten war. Die Klubs würden vermutlich nicht klaglos die Kosten dafür übernehmen.

Die Polizei müsste sich diesen Diskussionen dann sicherlich ganz anders stellen als bisher. Man würde vermutlich auch intensiver über die Polizeitaktik diskutieren.

Das Land Bremen nimmt das mit seiner Klage offenbar in Kauf.

Bremen geht da einen besonderen Weg. Das Ziel des Stadtstaats ist es, dass andere Bundesländer nachziehen, aber bisher lehnte die Innenministerkonferenz das immer ab. Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit wird als Staatsaufgabe angesehen. Und vermutlich wollen sich die anderen Länder auch in deren Erfüllung nicht reinreden lassen. Am Ende müssen sie sich im Einzelnen wegen der Kostenbescheide für ihre Polizeieinsätze erklären.

Wenn jetzt die rechtliche Möglichkeit bestünde, Hunderttausende Euro vom Fußball einzufordern, entsteht aber eine neue Lage.

Ein Rechnungshof hat das bereits angesprochen: Wenn es die Möglichkeit gibt, muss man sie auch nutzen. Aber noch ist es nicht soweit. Es gibt einfach viele grundsätzliche Fragen, und Bremen betritt hier rechtliches Neuland. Ich gehe davon aus, dass das Verfahren weiter durch die Instanzen geht. Ich sehe nicht, dass das Urteil vor dem Bundesverwaltungsgericht Bestand haben wird. Und selbst wenn, steht der DFL auch noch das Bundesverfassungsgericht offen.

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