Internationales Olympisches Komitee:Kampf um den Thron im Olymp

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Kandidat mit Maskottchen: Die gute Organisation der Olympischen Jugendspiele 2010 kann Ng Ser Miang wohl als Pluspunkt verbuchen. (Foto: dpa)

Thomas Bach und Ng Ser Miang eröffnen sehr unterschiedlich das Rennen um das Amt des IOC-Präsidenten. Mehr Mitbewerber werden folgen, darunter ein drittes Schwergewicht. Während Bach bisher als Favorit gilt, wird deutlich: Der Sport und sein höchstes Amt, der IOC-Thron, sind extrem begehrt.

Von Thomas Kistner

Thomas Bach ist vorgeprescht im olympischen Kandidatenrennen, Kollege Ng Ser Miang zog als Erster nach. Wobei der Singapurer in der B-Note Vorteile verbucht. Der deutsche Thronaspirant sprang seltsam überfallartig in den Ring, als scheue er jede Diskussion: an einem Feiertag mit vier Stunden Vorankündigung für die Medien. Am Frankfurter Verbandssitz parlierte Bach dann geschraubt vor einer Logo-Wand des Deutschen Olympischen Sportbundes.

Ng hingegen zelebrierte am Donnerstag seine Kandidatur an der Pariser Universität Sorbonne, dort, wo das Internationale Olympische Komitee 1894 gegründet wurde. Während manches IOC-Mitglied irritiert vermerkte, dass Bach gleich öffentlichen Applaus von der Bundeskanzlerin erhielt, blieb der Kandidat aus dem bevölkerungsreichsten Erdteil ganz bei sich. Stolz sei er, Asiate zu sein, sagte der 64-jährige Ng, "und stolz, Weltbürger zu sein".

Das Rennen ist eröffnet, mehr Mitbewerber werden folgen. Außenseiter wie Wu Ching-Kuo, Chef des Boxweltverbandes Aiba, der aus Taiwan stammt und sich der Unterstützung der Sportgroßmacht China nicht so sicher sein darf wie Kollege Ng. Oder Sergej Bubka, Stabhochsprung-Legende aus der Ukraine. Aber auch ein drittes Schwergewicht wird noch erwartet: Richard Carrion, 60-jähriger Banker aus Puerto Rico.

Carrion führte das IOC als Chef der Finanzkommission, in der auch Ng sitzt, souverän durch die Krisenzeiten nach 2008. Beide zählen zum Kreis um den bis September regierenden Jacques Rogge. Carrion ist sogar ein enger persönlicher Freund Rogges, allerdings bastelt der Finanzmagnat noch an beruflichen Lösungen: Im März wurde er ins Direktorium der bedeutenden US-Federal Reserve Bank von New York berufen.

Mit Bach verbindet mancher eher die Ära des Rogge-Vorgängers Juan Antonio Samaranch. Auch ist es der dort geübte Führungsstil, der heute im Flurfunk des seit 2006 von Bach regierten DOSB beraunt wird. Kritik an dem von Bach und seinem General, dem Grünen-Politiker Michael Vesper, kontrollierten Verbandswesen fand jüngst Eingang in einen Beitrag des NDR-Magazins Zapp: Vorgeführt wurde eine restriktive Medienarbeit. Stramme Kontrolle herrschte auch im IOC, bis 2001 Rogge kam und jene Kommunikationsagenturen ausmistete, die Samaranchs Getreuen zugearbeitet und schwarze Listen über kritische Journalisten erstellt hatten.

Unter Samaranch, Abkömmling der spanischen Franco-Ära, gelangte Bach 1991 ins IOC und 1996 in den Vorstand. Als es 2001 nach einer enormen Korruptionsaffäre um Samaranchs Nachfolge ging, stand Bach bei Rogges Hauptrivalen - er war einer von drei IOC-Mitgliedern, die Kim Un Yong die zur Kandidatur erforderliche Unterschrift leisteten. Der Südkoreaner, Samaranchs Engster und im Korruptionsskandal angezählt, kassierte vor der Kür noch eine Verwarnung, weil er Wähler mit Geldofferten umgarnt hatte.

Trotzdem erzielte er das zweitbeste Votum. Als Kim 2003 in Seoul wegen Korruption ins Gefängnis wanderte, hielt sich die Überraschung in Grenzen und die Kollegenschar auf Distanz. DOSB-Wahlhelfer wie Vesper vertreten heute Bachs Lesart, die Unterschrift für Kim sei bedeutungslos gewesen, nur Formsache. Was auf bizarre Vertrauensprozesse im Olymp schließen ließe: Für A unterschreiben - und B wählen?

Der stille Netzwerker Bach gilt bisher als Favorit. Auch wird ihm ein recht umwitterter Stimmenlieferant zugerechnet: Scheich Ahmed Al-Sabah aus Kuwait. Bach, Chef der deutsch-arabischen Handelskammer Ghorfa mit kuwaitischem Stellvertreter und Aufsichtsratschef des von Kuwaitis kontrollierten Holzmaschinenbauers Weinig, ließe sich als natürlicher Kandidat der arabischen Welt betrachten, findet mancher. Der frühere IOC-Vizepräsident Richard Pound sagt: "Hinter ihm steht der Scheich von Kuwait."

Dass Al-Sabah Stimmen organisieren kann, hat er oft bewiesen. Er ist der Chef der Olympiakomitees von Asien (OCA) und des weltweiten (ANOC). Doch im Olymp wird debattiert, ob Al-Sabah sich am Ende wirklich gegen Ng Ser Miang stellen könnte, Asiens starken Kandidaten - und mit welchem Bewerber die in Asien und Afrika einflussreichen Chinesen paktieren.

Ng ist in China geboren. Er war Segler wie Rogge, er vertrat Singapur als Botschafter in Norwegen und saß bis 2005 im heimischen Parlament. Reich wurde er als Transport-Unternehmer, später wechselte er an die Spitze der größten Supermarktkette im Lande. Ins IOC kam er 1998, seit 2009 ist er Vizepräsident, 2010 organisierte er die ersten Olympischen Jugendspiele in Singapur. Ein rauschender Erfolg, der die Schwachstelle des Kandidaten übertünchte, die Herkunft aus einem straff geführten Stadtstaat, der politisch wenig dem Zufall überlässt.

Längst wird im solventen Fernen Osten der Vorstoß in die Chefetage internationaler Spitzenorganisationen so akribisch geplant wie in der Golfregion. Der Sport und sein höchstes Amt, der IOC-Thron, sind extrem begehrt - und in Ng würde erstmals ein Asiate dort sitzen. Der verweist auf seine multikulturellen Wurzeln und stellt die Jugend in den Fokus seines Wahlkampfkonzepts, das ihn als Verfechter von Reformen des Spiele-Programms und der Eindämmung von Gigantismus ausweist. "Die Zeiten ändern sich schnell und wir müssen mithalten, um relevant zu bleiben", sagt Ng und sieht den neuen IOC-Chef vor "beängstigenden Herausforderungen".

Sein Manifest hat Ng schon an alle Mitglieder verschickt. Bach will sein Programm erst bei Ablauf der Bewerberfrist im Juni herausgeben. Zumindest das Motto hat er verraten: "Einheit in Vielfalt." Darunter lässt sich vieles vorstellen. Von der Abwandlung eines EU-Mottos über das Föderalismus-Gebot im Bundesrat bis hin zum Mantra des verblichenen IOC-Führers Samaranch. Der hat nichts öfter gerühmt als die "Einheit der Bewegung".

© SZ vom 18.05.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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