Süddeutsche Zeitung

Internationaler Fußball:Revolution in Österreichs höchster Liga

  • Österreichs höchste Fußball-Liga, die Bundesliga, bekommt einen neuen Modus.
  • Dieser soll mehr Spannung, mehr Zuschauer und mehr Chancen für die kleineren Vereine bringen.
  • Experten stellen jedoch noch in Frage, ob das gelingen wird.

Von Felix Haselsteiner

Dass Zlatko Dedic am Freitagabend in Wien den Führungstreffer zum 1:0 für Wacker Innsbruck mit einem wirklich traumhaften Lupfer erzielte, wurde leider zur Nebensache. In erster Linie lag das daran, dass die Innsbrucker im Eröffnungsspiel noch zwei Tore kassierten und Austria Wien gewann. Darüber hinaus war das Ergebnis beim ersten Spiel der 107. Saison der österreichischen Bundesliga ohnehin eher unwichtig, angesichts der Premiere einer komplett runderneuerten Fußballmeisterschaft.

Die Bundesliga hat sich revolutioniert, so zumindest war die Lesart in den letzten Wochen vor dem Start der neuen Saison. Wer den Stimmen der Liga-Funktionäre lauschte, stellte schnell fest, dass man im österreichischen Fußball von allem mehr möchte: Mehr Spannung, mehr Zuschauer und mehr Chancen für die kleineren Vereine soll die neue Bundesliga bringen. Zunächst jedoch braucht man erst einmal mehr Zeit, um die Systematik hinter der Reform zu verstehen.

Zwölf Mannschaften treten ab der Saison 2018/19 in der höchsten Spielklasse gegeneinander an, zwei mehr also als bislang. In der Hinrunde, die jetzt offiziell "Grunddurchgang" heißt, läuft alles wie gewohnt ab: Jeder spielt gegen jeden in Hin- und Rückspiel. Nach dem 22. Spieltag wird die Tabelle dann in eine Meistergruppe und eine Qualifikationsgruppe mit jeweils sechs Teams aufgeteilt, gleichzeitig werden die Punkte halbiert, um das Feld enger zusammenzuhalten. Die Meistergruppe spielt an weiteren zehn Spieltagen die oberen Platzierungen und den Meister aus. In der Qualifikationsgruppe steigt der Letzte in die zweite Liga ab, der Erste hat unterdessen noch die Chance, in einem Playoff-Wettbewerb gegen den Viert- und Fünftplatzierten der Meistergruppe einen Startplatz für die Europa League zu bekommen. Das ist alles andere als unkompliziert, aber unkompliziert sind Revolutionen nun mal selten.

Entwickelt wurde die neue Liga in Zusammenarbeit mit der niederländischen Agentur Hypercube, die vor einigen Jahren schon die belgische Pro League überarbeitet hatte. Auf der Webseite der Beratungs-Agentur liest man von Business-Innovationen, statistischer Analyse und der Ausschöpfung von Markenpotential. Das alles klingt wirklich nach revolutionären Veränderungen, erst Recht im sonst so traditionsverliebten Österreich, wo der beste Fußball immer in der Vergangenheit gespielt wurde. Kein Wunder also, dass Herbert Prohaska, Österreichs oberster Fußballbeobachter mit dem wunderbaren Spitznamen "Schneckerl", bereits im Herbst 2016, als die Reformpläne verkündet wurden, im ORF analysierte, dass das doch alles nichts werden könne: Kernproblem sei ja nicht das sportliche Niveau der Liga, sondern die Basis, die kein Geld und keine Aufstiegsperspektive habe.

Salzburg bewegt sich in einer anderen Sphäre als der Rest

Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Der österreichische Fußball hat dasselbe Problem wie viele andere Ligen in Europa, in denen sich einzelne Vereine abgesetzt haben. Der FC Red Bull Salzburg bewegt sich finanziell und fußballerisch in einer anderen Sphäre als der Rest, die letzten fünf Meisterschaften gingen an RB. Das führt zwar dazu, dass für die Salzburger ein Halbfinaleinzug in der Europa League möglich ist. Der Preis ist allerdings, dass sie eine Liga ohne Spannung dominieren, in der die Basis weiterhin keinen international konkurrenzfähigen Fußball spielt. Das lässt sich zum Beispiel am Abschneiden der österreichischen Mannschaften, die nicht von der Finanzierung durch einen Getränkeverein profitieren, ablesen: In den vergangenen zwei Saisons schaffte es nur Salzburg durch die Gruppenphase, in Austria Wien nahm zuletzt 2013/14 ein Verein aus dem Alpenland an der Champions League teil.

Dass sich an der schwachen internationalen Bilanz durch die Reform der Liga etwas verändert, glauben die wenigsten. "Die Chance, an Salzburg heranzukommen, ist vielleicht um fünf oder zehn Prozent höher", sagte Goran Djuricin, Trainer bei Rapid Wien, dem Kurier. Bei vielen Bundesligatrainern überwiegt zunächst einmal die Freude darüber, dass überhaupt etwas passiert im österreichischen Fußball, der in den vergangenen Jahren über einen Zuschauerschwund klagt. Im Schnitt hatte ein Bundesligaspiel im vergangenen Jahr 6386 Besucher, eine enttäuschende Kulisse. Das soll nun besser werden, unter anderem durch die Playoff-Spiele am Ende der Saison und den Fakt, dass sich bereits nach der Hälfte der Spielzeit entscheidet, ob Mannschaften oben mitspielen oder unten reinrutschen.

Die Reform könnte allerdings auch den umgekehrten Effekt haben. "Für kleinere Klubs wäre es besser gewesen, das alte Format beizubehalten. Die spielen jetzt halt nur noch zweimal pro Saison gegen Rapid oder Salzburg", gibt Dietmar Kühbauer zu bedenken. Kühbauer ist Trainer beim SKN St. Pölten und dürfte sich daher möglicherweise in der zweiten Saisonhälfte eher mit Wacker Innsbruck, dem SV Mattersburg, dem Wolfsberger AC und dem TSV Hartberg in der Qualifikationsgruppe messen, während die großen Vereine Austria Wien, Rapid Wien und Sturm Graz irgendwie versuchen, an Salzburg dranzubleiben.

Es deutet einiges darauf hin, dass die Reform die größeren Klubs in Österreich stärken wird, während der Rest aus dem Blickfeld gerät. Die wahre Diskussion dreht sich im österreichischen Fußball daher um die Basis, an der ebenfalls gerüttelt wird. In der zweiten Liga, die ebenfalls reformiert wurde und jetzt 16 Mitglieder hat, treffen ab dieser Saison Profi- und Amateurklubs aufeinander.

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SZ vom 29.07.2018/chge
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