Internationaler Fußball:Oligarchen kaufen ein

Die teuersten Transfers gibt es normalerweise in England oder Spanien. Doch in diesem Sommer mischt auch Russlands Zenit St. Petersburg mit und zahlt 30 Millionen Euro für einen ziemlich unbekannten Spieler.

J. Aumüller

Gott sei Dank verdichten sich die Anzeichen, dass Robinho nun doch noch für viel Geld nach Chelsea wechselt. Denn im Falle eines solchen Transfers dürfte bei den Fußball-Traditionalisten der Schreck nicht ganz so groß sein, wenn sie die Statistik "Die teuersten Transfers des Sommers" studieren. Dort würde dann mit Robinho ein Spieler stehen, den man in so einer Statistik ganz vorne erwarten kann, und dieser Transfer würde von zwei Vereinen (Real Madrid und Chelsea London) abgewickelt werden, die man in so einer Statistik ebenfalls ganz vorne erwarten kann.

Internationaler Fußball: Der Portugiese Danny wechselt für 30 Millionen Euro zu Zenit St. Petersburg.

Der Portugiese Danny wechselt für 30 Millionen Euro zu Zenit St. Petersburg.

(Foto: Foto: Getty)

Sollte der Robinho-Transfer jedoch nicht zu Stande kommen, ist die nächste Diskussion über neuen Einfluss und osteuropäisches Oligarchentum im internationalen Fußballgeschäft gewiss. Denn auf Platz eins stünde dann ganz knapp vor dem Spanier Daniel Alves (von Sevilla nach Barcelona) der Portugiese Danny, dessen Verpflichtung der russische Meister Zenit St. Petersburg am Montagnachmittag auf seiner Internetseite verkündete. 30 Millionen Euro beträgt die Ablösesumme nach Presseberichten. Konstantin Sarsanija, Berater des Zenit-Vorstandes für Transferfragen, wollte die Zahl nicht genau bestätigen, erklärte aber: "Es ist in etwa diese Summe."

Einerseits kommt diese Meldung wenig überraschend. Schon in den vergangenen Jahren investierten die russischen Klubs viele Rubel; die bisherige Rekordablöse waren die gut 15 Millionen Euro, die Zenit 2007 für den ukrainischen Mittelfeldspieler Anatolij Timoschtschuk zahlte. Andererseits verblüfft die Meldung, weil Zenit für dieses Geld keinen Spieler von absoluter internationaler Klasse verpflichtet, sondern eben Daniel Miguel Alves Gomes, genannt Danny.

Erst einmal in der Nationalelf

Der ist nach seinem Debüt gegen die Faröer am 20. August gerade mal einfacher portugiesischer Nationalspieler. Zwar gilt der 25-Jährige, der in Caracas geboren wurde und seit 2005 für Zenits nationalen Konkurrenten Dynamo Moskau spielt, als einer der stärksten Offensivspieler der Premjer-Liga und könnte sich in naher Zukunft auch zum Stammspieler der Nationalelf entwickeln - doch vom Niveau der Spieler, die in den vergangenen Jahren den Titel "teuerster Spieler des Sommers" errangen, ist er noch ein deutliches Stück entfernt.

Doch ob nun Platz eins, zwei oder vielleicht sogar nur drei in dieser Liste: Der Transfer des Portugiesen dokumentiert einmal mehr, über wie viel Finanzmittel die russische Liga verfügt. Das zeigt sich nicht nur an der reinen Ablösesumme, sondern auch an der Art und Weise, wie der Wechsel zu Stande kam. Denn ursprünglich war Danny einer der möglichen Kandidaten für den Fall, dass der vielfach umworbene Andrej Arschawin für viel Geld St. Petersburg verlässt und das Geld sofort wieder reinvestiert werden soll.

Nun bleibt Arschawin nach langem Hickhack und angekündigter Gehaltserhöhung wohl doch, und die rund 30 Millionen Euro für Danny dürfen die Zenit-Macher trotzdem ausgeben. Geld, das bewahrheitet sich einmal mehr, spielt in dem vom Energieriesen Gazprom unterstützten Klub offenbar keine Rolle. Ein Limit für Transferausgaben kennt Sarsanija nicht: "Es gibt niemanden, der sagt: Ihr dürft nicht mehr als zehn, 15 oder 20 Millionen Dollar für Zugänge ausgeben. Für jeden Spieler muss man einen eigenen Business-Plan aufstellen, und dann entscheidet das Präsidium, ob der Spieler uns verstärkt oder nicht."

Hohe Erwartungen

Gazprom ist aber nicht der einzige Konzern, der viele Millionen in den Fußball pumpt. Die Öl-Firma Lukoil unterstützt Spartak Moskau, der Nickel- und Palladiumproduzent Norilskij Nikel sponsert FK Moskau, die Metallfirma Metalloinvest finanziert den Noch-Danny-Klub Dynamo Moskau, und die staatliche Eisenbahngesellschaft kümmert sich bei Lokomotive Moskau um das nötige Kleingeld. Offizielle Etat-Angaben gibt es meist nicht, doch dem Vernehmen nach liegt das Budget bei keinem Klub aus der vorderen Tabellenhälfte unter 60 Millionen Dollar; bei Zenit St. Petersburg soll es die dreistellige Dollarmillionen-Grenze bereits überschritten haben.

Die enorme finanzielle Unterstützung zahlt sich inzwischen auch sportlich aus. In den vergangenen vier Jahren kam der Uefa-Pokal-Sieger zweimal aus Russland (2005 ZSKA Moskau, 2008 Zenit St. Petersburg), in der aktuellen Uefa-Fünfjahreswertung liegt Russland knapp hinter Frankreich auf Platz sechs. Und wie bei der Europameisterschaft gesehen, profitiert offenkundig auch die Nationalmannschaft von den Entwicklungen in der Liga.

Die Liga selbst sieht sich noch lange nicht am Ende. Für die Champions League haben die Verantwortlichen von Zenit St. Petersburg hohe Erwartungen an das Team von Trainer Dick Advocaat. Und auch die Groß-Aktivitäten auf dem Transfermarkt sind noch nicht beendet. Trainer Advocaat will noch weitere Zugänge - allerdings nur solche, die den Kader deutlich verstärken. Vielleicht denkt er bei solchen Forderungen ja an Robinho.

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