Ingolstadt - Darmstadt (17.30 Uhr):Der Ekel-Gipfel 

FC Ingolstadt - SV Darmstadt 98

Kämpfen bis zum Umfallen: Das ist das Motto von Ingolstadt und Darmstadt in der Bundesliga - das Bild stammt aus dem Zweitliga-Duell Mitte 2014.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)

Die Aufsteiger Ingolstadt und Darmstadt nerven das Bundesliga-Establishment mit ihrem aufsässigen Stil - bislang mit Erfolg. Jetzt begegnen sie sich zum ersten Mal in der Bundesliga.

Von Tobias Schächter, Ingolstadt

Natürlich kennt der Fußballtrainer Dirk Schuster den Begriff des "Joga Bonito", des "schönen Spiels". Vor allem die brasilianische Nationalmannschaft der späten 70er- und frühen 80er-Jahre um die Feinfüße Zico und Socrates hatte die Fußballwelt mit diesem ästhetischen Ansatz des Spiels vertraut gemacht. Der Fußballlehrer Schuster betreut derzeit allerdings nicht Brasilien, sondern den Bundesliga-Aufsteiger SV Darmstadt 98, seine Spieler heißen weder Zico noch Sokrates, sondern Stroh-Engel und Gondorf. Am Sonntag treffen Schuster, Stroh-Engel und Darmstadt auf den Fußballtrainer Ralph Hasenhüttl und Aufsteiger FC Ingolstadt, es ist das erste Duell der beiden Vereine in der Bundesliga. Schuster sagt: "Das sind zwei Mannschaften, die einen ekligen Fußball spielen. Das ist die Bundesliga nicht gewohnt, aber es ist legitim."

Wer die ersten zwölf Liga-Spiele dieser Saison verfolgt hat, wird Schuster nicht als großen Propheten für diese Voraussage feiern. Ingolstadt und Darmstadt nerven das Bundesliga-Establishment mit einem eklig-aufsässigen Stil. Die Ingolstädter verwickeln ihre Gegner weit in deren Hälfte in Abnutzungszweikämpfe, während Darmstadt sich in der eigenen Hälfte verbarrikadiert und bei Balleroberung auf die Schnelligkeit von Außenbahnblitz Marcel Heller hofft. Gemein haben beide Aufsteiger die Schlüsselkompetenzen Kratzen und Beißen, sie schinden auch schon mal Zeit wie einst die italienische Nationalmannschaft um Claudio Gentile und Paolo Rossi, die bei der WM 1982 sogar das "Joga Bonito"-Brasilien von Zico und Socrates in die Knie zwang.

Die Gegner beschweren sich - aber das interpretieren die Aufsteiger durchaus als Lob

In der Saison 2015/16 beschweren sich nun regelmäßig die Gegner, dass beide Aufsteiger mit ihrem Spielstil angeblich die Grenzen des Fairplays strapazieren. Die Außenseiter dürften das wohl aber eher als Lob auffassen, Darmstadt und Ingolstadt werden schon auch ernst genommen, dafür haben sich schon zu viele Favoriten gegen diese Nervensägen blaue Augen geholt. Der Lohn nach zwölf Spieltagen: Ingolstadt ist Tabellenzehnter mit 16 Punkten, Darmstadt immerhin 13. mit 14 Zählern.

Wenn Trainer ihre Mannschaften das spielen lassen, was sie können, zeugt das von der Gabe, pragmatisch zu handeln. Im von Ergebnissen getriebenen Bundesligageschäft ist das ein durchaus logischer Ansatz. Während Trainer wie Alexander Zorniger in Stuttgart oder der gerade bei der TSG Hoffenheim beurlaubte Markus Gisdol ihre Idealvorstellung vom Spiel einer Mannschaft unbedingt überstülpen wollen, regiert bei Hasenhüttl und Schuster die Maxime des Machbaren. Dabei nehmen beide Trainer in Kauf, dass ihre Mannschaften sich bei Statistiken wie Ballbesitz oder Passspiel die schlechtesten Werte aller Erstligisten erarbeiten. Doch beide Aufsteiger sind effizient. Nur die Bayern (vier) kassierten weniger Gegentore als Ingolstadt (neun). Und es ist schon eine Kunst, mit nur sieben geschossenen Treffern 16 Punkte zu erwirtschaften, wie der FCI. Die Darmstädter Elf hing zuletzt ein bisschen durch, war aber bis zum neunten Spieltag neben Mönchengladbach das Team mit der besten Chancenverwertung.

Schuster war ein roher Verteidiger, den Stürmer Hasenhüttl nannten sie "Büffel"

Schuster und Hasenhüttl werden ihre Herangehensweisen auch am Sonntag nicht ändern, klar. Beide spielten Ende der 90er-Jahre mal eine Saison zusammen beim 1. FC Köln, Schuster war ein roher Innenverteidiger, dessen Nähe kein Stürmer freiwillig suchte, Hasenhüttl ein bulliger Stürmer, den sie "Büffel" nannten. Man kennt sich. Und beide Trainer vermitteln den Eindruck, als hätten sie ihre Kader im Griff. Das ist vor allem in Darmstadt nicht so ganz selbstverständlich, weil Schuster einige Aufstiegshelden kaum noch berücksichtigt.

Am Sonntag nun, auf dem ersten, amtlichen Ekel-Gipfel der Bundesliga, dürfen sich Ingolstadt und Darmstadt nun gegenseitig so richtig ärgern. Langfristig streben beide Mannschaften einen Platz unter den ersten 15 an, das wäre für die zwei in ihrer ersten Erstligarunde ein großer Erfolg. Fußball aus dem Feinkostladen werden weder Hasenhüttl noch Schuster anbieten, aber das müssen sie auch nicht. Die Generation Zico und Socrates ist mit ihrem "Joga Bonito" ja übrigens auch nie Weltmeister geworden.

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