Süddeutsche Zeitung

Ingolstadt - Darmstadt:Überraschungsmeister

Der FCI gewinnt im Duell der respektablen Aufsteiger 3:1 gegen Darmstadt. Dass dieser Sieg nicht durch schönes Spiel zustande kam, gehört zum Programm.

Von Sebastian Fischer, Ingolstadt

Moritz Hartmann klatschte dreimal in die Hände, aus den Lautsprechern jodelte es. Hartmann, Stürmer des FC Ingolstadt, wusste, dass das Spiel gewonnen war. Seine Mitspieler liefen nach vorn, um ihm zu gratulieren. Spätestens dann wusste Hartmann auch: Es war ein besonderer Erfolg. Er hatte soeben in der 88. Minute das letzte Tor zum 3:1 (0:1)-Sieg für seine Mannschaft gegen den SV Darmstadt 98 erzielt, mit einem Kopfball, beinahe im Liegen, der gerade so über die Linie rollte. Es war eine der letzten Szenen und überdies eine symptomatische für das Duell der Bundesligaaufsteiger am Sonntagabend: Der FC Ingolstadt hatte gewonnen, weil er am Ende noch ein bisschen mehr gekämpft hatte als Darmstadt. Dass es nicht schön gewesen war, das war egal.

Zu Beginn des Spiels waren es noch die Darmstädter gewesen, die mit der ungemütlichen Kälte besser zurechtzukommen schienen. Die Mannschaft von Trainer Dirk Schuster scherte sich wie üblich kaum um einen ästhetisch wertvollen Spielaufbau, schlug den Ball nach vorne und ging dann energischer in die Zweikämpfe. Ingolstadt war scheinbar beeindruckt. In der neunten Minute schlug Darmstadts Konstantin Rausch den ersten Eckball in Ingolstadts Strafraum, dort sprang niemand so richtig hoch, auch nicht Aytac Sulu, Kapitän und so etwas wie der Prototyp der Darmstädter Härte. Er stellte einfach seinen Körper in die Flugbahn des Balles, wuchtete seinen Kopf nach vorne - das 1:0.

"Ekliger Fußball", so hatte Schuster die Spielweise beider Teams vor der Partie genannt. Keine Mannschaften in der Liga bringen weniger Pässe zum Mitspieler, haben seltener den Ball als Ingolstadt und Darmstadt. Doch: Kaum Mannschaften verteidigen so diszipliniert, aggressiv und intensiv wie die Aufsteiger, Darmstadt tief in der eigenen Hälfte, Ingolstadt hoch in der gegnerischen. Es war am Sonntag auch das Treffen zweier Überraschungsmannschaften dieser Saison. Die Überraschungsmannschaft, das ist jetzt, nach 19 Punkten in 13 Spielen, vor allem der FC Ingolstadt.

Doch zu Beginn konnte der FCI seine große Stärke, die ihn in den zwölf Spielen zuvor ausgezeichnet hatte, nicht ausspielen: das frühe Stören der gegnerischen Abwehr. Ralph Hasenhüttl hatte erstmals zwei anstatt drei Stürmer aufgestellt, Hartmann und Lukas Hinterseer. Nach zwanzig Minuten änderte er die Taktik schon wieder, beorderte den Mittelfeldspieler Romain Brègerie in den Angriff. "Wir waren komplett von der Rolle" sagte Hasenhüttl später. Es dauerte noch ein wenig, bis der FCI ins Spiel fand. Pascal Groß schoss nach 33 Minuten einen Freistoß unter der Darmstädter Mauer hindurch, Hartmann scheiterte im Nachschuss.

Ingolstadt hat jetzt schon 19 Punkte erspielt - "das ist die halbe Miete", sagt Hasenhüttl

Je länger das Spiel dauerte, umso besser wurde Ingolstadt. Hasenhüttl hatte schon früh wechseln müssen, für den österreichischen Linksverteidiger Markus Suttner, der sich ohne Einwirkung eines Gegenspielers den Mittelfuß brach, kam U20-Nationalspieler Robert Bauer. Bauer, 20, hatte zunächst Eingewöhnungsschwierigkeiten, doch er brachte die Wende, als er sich in der 58. Minute erstmals nach vorne traute. Er ließ den Ball von seiner Brust abtropfen, lehnte sich zur Seite und schoss aus 20 Metern aufs Tor, ein Treffer wie im Traum. Der Ball flog unter die Latte, prallte ins Netz. Nur eine Minute später lief Groß durch den Darmstädter Strafraum, Junior Diaz foulte den Ingolstädter Spielmacher, Elfmeter. Hartmann schoss nach rechts unten, Darmstadts Torhüter Christian Mathenia sprang nach links. Innerhalb von 93 Sekunden hatte der FCI das Spiel gedreht.

Später, nachdem Hartmann das Spiel mit seinem zweiten Tor entschieden hatte, musste Hasenhüttl den Innenraum verlassen. Nach einem Foul an Groß war er wutschnaubend auf den Platz gelaufen. Er hatte sich wieder beruhigt und sah zufrieden aus, als er in der Pressekonferenz das Ergebnis einordnete: "19 Punkte, das ist die halbe Miete", sagte er. Wobei die halbe Miete am Ende natürlich für den Klassenerhalt um die Hälfte zu wenig sei. Sein Schlusswort: "Wir brauchen keine Euphorie."

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SZ vom 23.11.2015
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