Fifa:Wie Infantino das Ethikkomitee klein hält

FILE PHOTO: FIFA President Gianni Infantino gestures after a meeting of the FIFA Council at the FIFA headquarters in Zurich

Bis hierhin und nicht weiter: Fifa-Präsident Gianni Infantino gibt weiterhin nur einen kleinen Teil seiner Milliardenpläne preis.

(Foto: Arnd Wiegmann/Reuters)
  • Fifa-Präsident Gianno Infantino steht nach den Enthüllungen durch Football-Leaks im Verdacht, Millionenvereine wie ManCity oder Paris St. Germain ihre Vergehen gegen das Financial Fairplay durchgewunken zu haben.
  • Das Fifa Ethikkomitee, das mit solchen Vergehen beschäftigt, hält er bewusst klein.

Von Thomas Kistner

Die erste Reaktion der Fifa fiel betont unbeeindruckt aus. Ein Rechercheverbund aus Spiegel, NDR und anderen Medien hatte am Wochenende kritische Berichte präsentiert, die auf riesigen Datenmengen angeblicher Whistleblower fußen, welche wiederum nach Fifa-Einschätzung auf Hacker-Angriffen im März gegen ihre Server beruhen. Im Fokus neuer Anschuldigungen steht Gianni Infantino. Der umstrittene Chef des Weltverbandes soll Einfluss auf die Umgestaltung des Fifa-Ethikcodes genommen, Geheimpolitik um eine Milliarden-Offerte betrieben und in seiner Zeit als Uefa-Generalsekretär europäische Großklubs bei Financial-Fairplay-Untersuchungen massiv begünstigt haben.

Fragen wirft auch das Verhalten der Schweizer Bundesanwaltschaft auf

Aus Zürich heißt es dazu, frustrierte Ex-Funktionäre hätten "falsche Gerüchte und Anspielungen" lanciert. Die Vorwürfe offenbaren massive unethische Verhaltensweisen, sie dürften Infantino aber juristisch kaum in Bedrängnis bringen. Zugleich sind es juristische Instanzen, denen Konsequenzen aus den Vorgängen erwachsen könnten. Zur Debatte steht insbesondere das Ethikkomitee der Fifa. Die Enthüllungen zementieren den Verdacht, dass diese angeblich unabhängige Instanz fest an Infantinos Gängelband geführt wird.

Beim Fifa-Kongress im Mai 2017 in Bahrain hatte Infantino per Handstreich das Ethiker-Chefduo Cornel Borbely (Schweiz) und Hans-Joachim Eckert (München) durch Claudia Maria Rojas (Kolumbien) sowie den Griechen Vasilis Skouris ersetzt. Die Strafjuristen Borbely/Eckert hatten wohl zu erfolgreich in den Fifa-Sümpfen aufgeräumt und dabei auch den Langzeit-Präsidenten Sepp Blatter und dessen Uefa-Pendant Michel Platini suspendiert.

Auch Infantino geriet dann rasch in den Fokus ihrer Ermittlungen. Der neue Boss stellte das Ethiker-Duo also kalt - und machte in Rojas eine Verwaltungsjuristin zur Chefermittlerin, die weder über Erfahrung im Strafrecht noch über die englischen und französischen Sprachkenntnisse verfügt, um die Arbeitsakten zu studieren. Ein Report im Europarat Ende 2017 beschreibt Rojas als ungeeignet, zudem sei sie von fragwürdigen Leuten ins Amt bugsiert worden.

Gute Drähte unterhielt Rojas sowohl zum kolumbianischen Verbandschef, Ramon Jesurun, gegen den zu Hause Korruptionsermittlungen laufen, als auch zu dessen Vorgänger Luis Bedoya. Der war noch von Eckert/Borbely lebenslang gesperrt worden, im New Yorker Fifagate-Prozess gab er eine Reihe von Kriminaldelikten zu. Rojas dementiert die Nähe zu Bedoya. Dabei hatte sie 2014 im Zuge eines Gerichtsverfahrens um Bedoyas Verband FCF selbst erklärt, sie sei wegen ihrer Freundschaft zu dem Topfunktionär befangen.

Nun bestätigt sich, wie eng Rojas Liaison mit den Funktionären ist. FCF-Chef Jesurun empfahl sie als "Superamiga" fürs Ermittleramt: seine Superfreundin. Als solche erwies sich Rojas dann in der Tat. Große Sünder knöpfte sie sich erst vor, wenn diese öffentlich unter Druck gerieten. Und bald nach Amtsantritt beendete sie Borbelys Ermittlungen gegen Infantino.

Skouris, ihr Ethik-Mitstreiter, soll wiederum dem Fifa-Boss den überarbeiteten Fifa-Ethikcode zur Zensur vorgelegt haben - damit er Anmerkungen des "lieben Gianni" noch "im endgültigen Text einbauen" könne. Und Infantino hatte Einwände, der Code wurde offenkundig entschärft. Besonders pikant: Voruntersuchungen dürfen jetzt nur noch auf Weisung der Chefermittlerin erfolgen - das ist Rojas.

Die Fifa hält bisher nur schwach dagegen. Dass aber die Ethiker tatsächlich nur Staffage sind, entlarvte sie am Freitag selbst. Zwei Stunden nach den Enthüllungen erklärte sie, es habe keine Regel- oder Gesetzesverstöße gegeben. Rojas/Skouris haben das sicher nicht so flott entschieden.

Viele unbeantwortete Fragen

Inoffiziell erklärten hohe Uefa-Funktionäre am Wochenende, die beiden Chefethiker könnten nicht im Amt bleiben. Offiziell teilt Reinhard Grindel, DFB-Chef und Mitglied im Fifa-Council mit, die Uefa-Vertreter im Fifa-Vorstand würden sich nun "untereinander abstimmen" und dann über das weitere Vorgehen entscheiden.

Fragen werfen die neuen Enthüllungen auch zur Schweizer Bundesanwaltschaft (BA) auf. Diese führt seit 2015 allerlei Ermittlungen rund um die Fifa und die Uefa. Jetzt wurde publik, dass sich Behördenchef Michael Lauber mit Infantino kurz nach dessen Fifa-Amtsantritt getroffen hatte - auf Betreiben eines Walliser Oberstaatsanwaltes, der eng mit Infantino befreundet sei und durch diesen immer wieder werthaltige Tickets erhalten habe.

Auf Anfrage erklärt die BA, es könne bei komplexen Verfahren zum "direkten Austausch mit Verfahrensbeteiligten" kommen; das erste Treffen am 22. März 2016 habe auch "der Klärung der Stellung der Fifa sowohl als Anzeige-Erstatterin wie als geschädigte Partei" gedient. Tatsächlich gelten Treffen mit Geschädigten als unproblematisch. Umso brisanter erscheint eine zweite Begegnung Laubers mit Infantino.

Die fand am 22. April 2016 statt, laut BA zur "Klärung verfahrensspezifischer Fragen" auf Basis des ersten Treffs. Nur: Zwischen beiden Treffen hatte sich die Situation um den neuen Fifa-Boss dramatisch verändert. Anfang April 2016 war aus den Panama Papers bekannt geworden, dass Infantino im früheren Amt als Uefa-Direktor einen fragwürdigen TV-Vertrag mit Agenten unterzeichnet hatte, die in den New Yorker FifaGate-Prozessen geständig sind. Nur Tage nach dieser SZ-Veröffentlichung war die BA an Infantinos altem Arbeitsplatz eingerückt und stellte Beweise in der Uefa-Zentrale sicher; seitdem wird gegen Unbekannt ermittelt. Warum also nahm die BA zwei Wochen nach ihrer Razzia eine weitere "Standortbestimmung" mit Infantino vor? Inwiefern ließen sich ihre Korruptionsermittlungen um Fifa und Uefa überhaupt noch auseinanderhalten?

Solche Nachfragen ließ die BA unbeantwortet. Infantinos Wirken in der Uefa könnte noch an anderer Stelle relevant werden. Als Generalsekretär soll er 2014 während der Ermittlungen gegen Paris SG und Manchester City wegen gravierender Verstöße gegen das Financial Fairplay begünstigende Absprachen mit den Klubs getroffen haben. Wie alles andere weist die Fifa auch das zurück. Indes sehen hohe Schweizer Juristen hier einen Ansatz. Wurden zwei Klubs so bevorzugt, dass sie nicht wie andere gesperrt wurden und in teuren Wettbewerben weiterkamen: Dann müsste ja anderen Klubs ein Schaden entstanden sein. Es könnte also "ungetreue Geschäftsführung oder sogar betrügerisches Verhalten" vorliegen, sagt ein Experte der SZ. Klagen müssten wohl die betroffenen Klubs. Das ist aber unwahrscheinlich im Kameradschafsverbund des Weltfußballs.

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