Impfdebatte im Tennis:Drei Lager im Spielergarten

BNP Paribas Open - Day 7

"Ich bin geimpft, das macht vieles leichter": Nicht alle Tennisprofis haben die Einstellung wie die Tschechin Petra Kvitova.

(Foto: CLIVE BRUNSKILL/AFP)

Alle Zuschauer sind geimpft, aber die Impfquote unter denen, um die es auf dem Platz geht, ist zu niedrig. Die Tennisszene debattiert über eine möglicherweise sehr strenge Auslegung bei den Australian Open.

Von Jürgen Schmieder, Indian Wells

Möge Andy Murray niemals seine Karriere beenden. Sollte er es dennoch tun, man wünscht ihm ja ein möglichst langes und schmerzfreies Leben mit diesem doch arg geschundenen Körper, dann möge er bitteschön zwei Mal pro Monat ein Statement zum Zustand des Tennissports abgeben. Der Brite vollführt keinen verbalen Slalomlauf um heikle Themen herum, und er gibt auch keine Wischi-Waschi-Antworten. Er sagt, wie die Dinge wirklich sind - und dann sagt er, was er ehrlich davon hält. Punkt.

Zu dieser Debatte zum Beispiel, die in diesen Tagen beim Tennisturnier in Indian Wells entbrannt ist. Es sind nur Leute auf der Anlage zugelassen, die gegen Covid geimpft sind, und die müssen dann sogar drinnen keine Maske tragen.

Alle sind geimpft - außer doch recht viele derer, wegen denen die Leute überhaupt hierher kommen: Die Impfquote bei den Männern liegt laut Spielervereinigung ATP bei etwa 65 Prozent, bei den Frauen laut WTA bei knapp über 60 Prozent. Genaue Zahlen gibt es nicht, weil zum Beispiel Leute wie Stefanos Tsitsipas (Griechenland, gewann am Mittwochabend gegen den Australier Alex DeMinaur 6:7, 7:6, 6:2) lieber Wischi-Waschi-Slalom-Antworten geben: "Es tut mir leid, aber ich bin nicht in der Lage, Auskunft über meine medizinische Situation zu geben."

Die Zahlen im Tennis sind extrem niedrig im Vergleich zu anderen Sportarten. Zu Saisonbeginn in der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL am Dienstag etwa hieß es, dass nur vier von 800 Spielern nicht geimpft seien - das sind 0,5 Prozent. In der Basketballliga NBA sorgte der Fall von Kyrie Irving kürzlich für Aufregung, weil die Brooklyn Nets ihn so lange nicht einsetzen werden, bis er sich den Regeln der Stadt New York zufolge für die Teilnahme an Hallen-Sportarten impfen lässt. Etwa 95 Prozent der NBA-Profis sind geimpft.

Dominic Thiem will sich impfen lassen, um in Melbourne sicher dabei sein zu können

Klar, das sind Disziplinen, in denen Sportler Angestellte der Vereine sind. Tennisprofis dagegen sind weltreisende Ich-AGs; auf dem Platz verdienen sie, was sie sich bei Turnieren erspielen - wenn sie nicht teilnehmen, kriegen sie nichts. Sie kommen auf dem Platz auch nicht in so sehr in Kontakt mit anderen Sportlern, und sie versuchen in Indian Wells, Begegnungen mit Zuschauern und Journalisten möglichst zu minimieren. (Wogegen Letztere übrigens in einem Brandbrief an die Spieler-Gewerkschaften protestiert haben.) Ein direkter Vergleich mit anderen Disziplinen ist also nicht unbedingt zielführend.

Es gibt ein paar kleinere Debatten in Indian Wells, über die Covid-bedingte Verschiebung in den Herbst etwa, weshalb die Bälle in der trockenen Hitze so groß wie Germknödel werden und deshalb nur sehr schwer zu beschleunigen sind. Oder die Geschwindigkeit der Plätze (US-Open-Sieger Daniil Medwedew sagte nach seiner Niederlage gegen den Grigor Dimitrov: "Das ist langsamer als auf Sand"), die dazu führt, dass manche Partien mit den vielen Stopps und krassen Winkeln bisweilen eher wirken wie Mini-Tennis, bei dem sich Spieler in gewieften Netzduellen zu übertölpeln versuchen - das ist spannend, aber eben nicht wirklich Tennis. Aber gut, das lässt sich leicht ändern, in der kommenden Saison soll das Turnier wieder im Frühling stattfinden.

Davor gibt es die Australian Open, und darum gibt es nun eine größere Debatte. "Wäre ich ein Spieler von ATP oder WTA, würde ich mich impfen lassen", sagte Martin Pakula, Sportminister von Victoria, dem australischen Bundesstaat, in dem das Grand-Slam-Turnier ausgetragen wird: "Ich weiß nicht, ob wir überhaupt Nicht-Geimpfte reinlassen werden, das wird auf Bundes- und Landesebene diskutiert werden."

Daniel Andrews, Premierminister von Victoria, wurde in Anspielung auf Novak Djokovic - der Weltranglistenerste ist offenbar nicht geimpft und betont immer wieder, dass dies Privatsache sei, ob er es tue - noch deutlicher: "Titel werden einen nicht schützen. Was einen schützt: die erste und die zweite Impfdosis." Das soll übrigens auch für das Rugby-Duell im Dezember zwischen Australien und England gelten.

Es gibt nun, vereinfacht ausgedrückt, drei Lager im Spielergarten: die Geimpften wie zum Beispiel Petra Kvitova (Tschechien), die sagte: "Egal, was passiert: Ich werde da sein. Ich bin geimpft, das macht vieles leichter." Es gibt Leute wie Dominic Thiem (Österreich), die erklären, sich demnächst impfen lassen zu wollen, um in Australien ganz sicher dabei sein zu können. Und es gibt Spieler wie Tsitsipas und Djokovic, die darauf verweisen, dass es ihre Entscheidung sei, sich impfen zu lassen oder nicht - und auch, ob sie die Öffentlichkeit darüber informieren wollen oder nicht.

"Ich respektiere die Entscheidungen von Regierung und Akteuren", sagt Zverev

Alexander Zverev, der sein Achtelfinale gegen Gaël Monfils (Frankreich) 6:1, 6:3 gewann, fasst die Lage unter den Spielern treffend zusammen: "Das ist eine Fangfrage. Ich weiß, dass sehr viele Spieler gerade darüber reden. Ich will nichts gegen Tennis Australia sagen, aber auch nichts gegen Spieler, die nicht geimpft sind. Ich respektiere die Entscheidungen von Regierung und Akteuren, und ich will nicht in der Mitte von was sein, an dem ich nicht beteiligt bin - weil es mich nicht betrifft."

An dieser Stelle braucht es dann ein klärendes Wort von Andy Murray, denn: Es ist ja überhaupt noch nichts entschieden. Es kann sein, dass die australische Regierung (oder die von Victoria) Nicht-Geimpften die Einreise verbietet - muss aber nicht. Die Impfquote in Australien liegt derzeit bei knapp 65 Prozent. Es ist auch möglich, dass Geimpfte nicht in Quarantäne müssen; Nicht-Geimpfte dagegen wie im Vorjahr zwei Wochen allein in einem Hotelzimmer verbringen müssen. So lange es keine Entscheidung gibt und keine offiziellen Regeln für Einreise und Teilnahme, bleibt die Debatte im Konjunktiv.

"Es geht in Australien sehr, sehr streng zu, die Leute haben aber auch schmerzvolle 18 Monate erlitten. Aber das heißt ja noch nicht, dass man überhaupt nicht wird spielen dürfen", sagt Murray: "Man muss dann eben ein paar Wochen früher anreisen als alle anderen." Er sagt, und das ist die entscheidende Botschaft in der Debatte: "Es ist dann immer noch die Entscheidung der Spieler." Er selbst werde freilich dabei sein, er sei ja geimpft; und er hat derzeit nicht vor, seine Karriere vor den Australian Open zu beenden.

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