French-Open-Siegerin Iga Swiatek:"Es ist verrückt"

Lesezeit: 3 min

Siegerin in Paris: Iga Swiatek. (Foto: Julian Finney/Getty Images)

Sie steht so weit vorne im Feld wie keine andere Spielerin und ist mental extrem stark: Wie die erst 19-jährige Iga Swiatek die French Open gewonnen hat.

Von Lisa Sonnabend

Iga Swiatek hielt sich die Hand vor den Mund, langte sich an die Stirn. Es war wirklich irgendwie unglaublich. Soeben hatte die 19-Jährige eine Vorhand unerreichbar ins Feld geknallt, sie hatte gegen die Autralian-Open-Siegerin Sofia Kenin schon wieder ein Match klar für sich entschieden - und da es das Endspiel bei den French Open war, war sie nun tatsächlich Grand-Slam-Siegerin. 6:4 und 6:1 stand es nach gerade einmal 84 Minuten. "Ich weiß nicht, was gerade passiert", sagte sie am Samstagnachmittag, als sie den Matchball verwandelt hatte.

Swiatek ist die erste Einzel-Grand-Slam-Siegerin aus Polen, und eine Siegerin, mit der vor Beginn des Turniers niemand gerechnet hatte. Die Nummer 54 der Welt war zwar in diesem Jahr mit Ergebnissen wie dem Achtelfinale bei den Australian Open aufgefallen, doch als sie in Paris ankam, wusste kaum jemand, wie man ihren Nachnamen richtig ausspricht (die Auflösung: "Swi-on-tek"). Dann fertigte der Teenager im Achtelfinale die Topgesetzte Simona Halep mit 6:1 und 6:2 ab und gab in den sieben Partien bis zum Titel insgesamt lediglich 28 Spiele ab - ein derartiger Durchmarsch war seit Serena Williams in ihrer dominantesten Zeit niemandem mehr im Frauentennis gelungen.

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Swiateks Stärken: ihre mutigen, kraftvollen, unaufhaltsamen Schläge - und ihre innere Ruhe. Mit Kopfhörern betrat die Polin am Samstagnachmittag das große Philippe-Chatrier-Stadion, in dem wegen der Coronavirus-Pandemie nur 1000 Zuschauer zugelassen waren. Mit federnden Schritten ging sie zu ihrem Platz, zog ihre Kappe tief ins Gesicht und begann das erste Finale ihrer Karriere abgebrüht. Swiatek nimmt die Bälle so früh wie keine andere Spielerin derzeit, steht meist einen Schritt vor der Grundlinie, setzt die Gegnerinnen sofort unter Druck, spielt unerreichbare Winkel.

Im ersten Satz unterlaufen Swiatek unsichere Schläge - doch sie fängt sich

Schnell lag Swiatek mit 3:0 vorne. Doch Kenin, die immer dann besonders präzise spielt, wenn sie zurückliegt, kämpfte sich zunächst wieder ins Spiel. Die 21-jährige Amerikanerin glich zum 3:3 aus, Swiatek unterliefen erste unsichere Vorhand-Schläge. Aber sie fing sich auf beeindruckende Weise wieder - auch nachdem Kenin beim Stand von 3:5 einen Satzball abgewehrt hatte und noch einmal auf 4:5 herankam. Mit 6:4 gewann die Polin den ersten Satz und das verdient.

Kenin begann den zweiten Satz mit einem Break - doch dann holte sie kein Spiel mehr. Beim Stand von 1:2 ließ sie sich behandeln. Der ohnehin schon mit einem Tape zugepflasterte linke Oberschenkel wurde nun dick bandagiert. Swiatek spielte das Match unbeeindruckt zu Ende, sie machte kaum einen Fehler mehr. Erst danach wurde sie überwältigt. "Es ist verrückt", sagte sie. Die Stimme wackelte, sie lächelte glücklich. Swiatek, die bereits seit einigen Jahren mit einer Sportpsychologin zusammenarbeitet, meinte: "Ich war mental so konstant." Vor ein paar Tagen hatte Swiatek noch angekündigt, wenn es mit dem Tennis nicht vorangehen würde, wolle sie sich in der Uni einschreiben. Doch nun springt sie in der Weltrangliste auf Platz 17 und stemmte den French-Open-Pokal in die Höhe. Bei der Siegerehrung zog sie kurz die schwarze Atemschutz-Maske ab und küsste die Trophäe.

Wie zuletzt so häufig gibt es im Frauentennis erneut eine neue Grand-Slam-Siegerin. In Paris war die Weltranglistenerste Ashleigh Barty wegen der Coronavirus-Pandemie nicht angereist, US-Open-Siegerin Naomi Osaka fehlte verletzt, die 23-malige Grand-Slam-Gewinnerin Serena Williams zog in der zweiten Runde wegen einer Verletzung zurück. Die verbliebene Turnierfavoritin Halep und die Australian-Open-Siegerin Kenin beförderte Swiatek aus dem Turnier. Es waren ihre Tage in Paris.

Am Sonntagnachmittag steht für Swiatek schon wieder eine Partie an, die ihr zusetzen wird. Rafael Nadal tritt an zu seinem 13. French-Open-Finale. Swiatek ist seit der Jugend ein großer Fan des Spaniers, in ihrem Kinderzimmer hingen Poster von ihm. "Jedes Jahr habe ich zugeschaut, wie Rafa hier die Trophäe hochreckt", sagte sie bei der Siegerehrung. "Und jetzt stehe ich hier, an der gleichen Stelle."

Der letzte Sieger von Paris, der erst 19 Jahre alt war, hieß übrigens Rafael Nadal.

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