Ibrahim Afellay bei Schalke 04:Springender Holländer im Schaufenster

Fußballer aus den Niederlanden haben eine lange Tradition beim FC Barcelona. Doch für Ibrahim Afellay, den 19. Holländer bei den Katalanen, standen die Chancen zuletzt schlecht. Also wechselte er zu Schalke 04. Dort will er sich beweisen - um dann zurückkehren zu dürfen.

Oliver Meiler, Barcelona

Am liebsten wäre Ibrahim Afellay in Barcelona geblieben, bei Barça, seinem Sehnsuchtsort aus Kindheitsjahren. "Ibi", wie er sich rufen lässt, weil "Ibra" nun mal zu einem anderen Fußballer gehört, zum Schweden Zlatan Ibrahimovic, hätte sich vom neuen Trainer der Katalanen mehr Vertrauen erhofft, mehr Aussicht auf ein aktives Mittun in seiner dritten Saison. Doch die Aussicht war trüb, er hätte nur selten gespielt, verdrängt von starken Konkurrenten. Tito Vilanova, der im Sommer die Nachfolge von Trainer Pep Guardiola antrat, riet ihm deshalb zu einem Zwischenjahr in der Ferne.

FC Schalke 04 - Training Session

Ibrahim Afellay (rechts) will auf Schalke den Sprung zurück zum FC Barcelona schaffen. 

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Und so zog es Afellay am letzten Transfertag als Leihgabe nach Gelsenkirchen, wo er die Fraktion der Holländer stärkt. Trainer Huub Stevens soll ein wichtiger Faktor gewesen sein bei seiner Entscheidung, und natürlich Klaas-Jan Huntelaar, der Sturmkollege aus dem holländischen Nationalteam. Es gab auch Angebote aus England, Liverpool soll gebuhlt haben. Bei seiner Ankunft auf Schalke formulierte Afellay seine Gemütslage so: "Hier bauen sie auf mich." Die Betonung lag auf "hier". Nach Barcelona meldete er, Schalke sei ein großer Verein, spiele um die Schale, spiele um die Champions League, spiele in einem schönen Stadion, das immer voll sei. Man soll ihn da bloß mal nicht abschreiben.

Es war eine ruppige Ankunft in Deutschland, beinahe eine traumatische. Es gibt daraus eine Szene, die im Internet nun unter "Brutalo-Foul" läuft und beim Oberligisten TuS Erndtebrück für ein internes Drama sorgte. Dessen junger Torwart grätschte Afellay, als der nach einem Torschuss im Testspiel schon abdrehte, von hinten derart böse in die Beine, dass man ernsthaft um sie bangen musste.

Später sollte der Schlussmann dann verkünden, er sei nun mal Anhänger von Borussia Dortmund. Es war also keine unmotivierte Attacke, eher eine übermotivierte. Der Torwart trainiert jetzt mit der zweiten Auswahl Erndtebrücks. Afellay wiederum blieb wie durch ein Wunder unverletzt. Und wenn alles passt, spielt er am Samstag bei Greuther Fürth sein erstes Bundesligaspiel von Beginn an, nachdem er beim 3:1 gegen den FC Augsburg schon mal zehn Minuten auf dem Platz gestanden hatte. Mit der "11". Er hätte lieber die "20" gehabt, seine Zahl. Doch die war schon an Pukki vergeben.

Gut möglich, dass man den 26-jährigen Holländer mit den marokkanischen Wurzeln, geboren und aufgewachsen in Utrecht, dann kraftvoll über die Flügel kommen sehen wird, etwas bullig, aber mit feinen Füßen, dribbelnd, mit Übersteigern. Vielleicht schießt er auch einmal aus der Halbdistanz, mit rechts oder links. "Ibi" kann das, er kann viel. Nur für einen Durchbruch bei Barça reichte es nicht.

Afellay stieß im Dezember 2010 zum FC Barcelona. Er hatte bei seinem Stammverein PSV Eindhoven gerade seine beste Zeit gehabt, war im Klub und in der Nationalelf eine feste Größe. Und er war kurz vor Ablauf seines Vertrags billig zu haben, sehr billig sogar für einen Mann seines Talents: 2,2 Millionen Euro nur zahlte Barça an Eindhoven. Der Marktwert lag weit höher. Und so schrieben die Katalanen mit der Verpflichtung Afellays an einer Tradition fort, die den Verein eng mit Holland und den Holländern verbindet.

Koeman machte sich unsterblich

Seit 1972, seit Rinus Michels den Verein trainierte. Michels, damals 44, brachte bald große Namen aus der Heimat nach Barcelona: Johan Neeskens und, vor allem, Johan Cruyff. Damals ahnte natürlich niemand, wie Cruyff Barça in der Folge prägen sollte - mehr noch als Trainer denn als Spieler, von 1988 bis 1996. Er war der Vordenker jener Fußball-Revolution, die sich erst in den vergangenen Jahren so richtig entfalten sollte und Barça zum besten Klub der Welt machte: der Avantgardist eines geduldigen, druckvollen, technisch perfekt inszenierten Offensivspiels.

Trainer Pep Guardiola, der dafür die Ehre absahnte, bedankte sich oft bei Cruyff, den sie auch "El Salvador" nannten, den Erlöser. Es wird ja gerne vergessen, dass Barça auch erfolglose Jahre erlebte in seiner ruhmreichen Geschichte.

Es kamen in der Folge noch mehr Holländer. Ronald Koeman zum Beispiel machte sich unsterblich, als er Barça mit seinem Finaltor zum Europapokal der Landesmeister schoss, 1992. Unter Trainer Louis van Gaal kamen die Holländer dann gleich im Multipack: u.a. die Gebrüder de Boer, Frank und Ronald, Michael Reiziger, Phillip Cocu, Patrick Kluivert, später noch Edgar Davids und Mark van Bommel. Afellay, so zählte die katalanische Sportzeitung Mundo Deportivo, war der 19. Holländer in Diensten des FC Barcelona. Und da sich Cruyff höchstselbst für ihn stark gemacht hatte, ihn als gut erzogenen und disziplinierten Jungen pries, der alles mitbringe für einen "Triumph", Technik und Vision, konnte es ja gar nicht schief gehen. Er stand gewissermaßen in einer Erblinie.

Im ersten Jahr gelang ihm aber bei 16 Einsätzen nur ein Meisterschaftstor. Etwas dürftig. Doch der Verein sah in ihm ein "Zukunftsprojekt". Dann, im Herbst 2011, riss das Kreuzband. Afellay fiel sechs Monate aus, ein Schicksalsschlag mitten im Aufstieg. Die Konkurrenz war schon davor schier übermächtig, mit David Villa und Pedro und Alexis Sanchez auf den Flügeln, mit den Überfliegern im offensiven Mittelfeld, mit Messi und Xavi und Iniesta. Und es rückten erst noch frechere, jüngere Wilde aus dem eigenen Nachwuchs nach, Tello und Cuenca etwa.

Es war plötzlich kein Platz mehr für "Ibi", das Zukunftsprojekt. Vorerst jedenfalls, mindestens für ein Jahr. Schalke 04 ist sein Schaufenster. Man soll ihn sich wohl in Barcelona möglichst bald zurückwünschen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: