Süddeutsche Zeitung

Neuer Trainer Peter Hyballa:Ein radikaler Typ für Türkgücü

Vom Ruhepol zum Lautsprecher: Der Münchner Drittligist wirft etwas überraschend Coach Ruman raus und holt stattdessen Peter Hyballa - der erlebte erst kürzlich ein chaotisches Engagement in Dänemark.

Von Christoph Leischwitz

Von Peter Hyballa gibt es in der ZDF-Mediathek ein Video, das den Trainer bei seiner bislang vorletzten Station, dem polnischen Erstligisten Wisla Krakau zeigt. Er sitzt in einem Büro, ihm gegenüber ein junger Stürmer aus Berlin, es ist der Tag vor einem wichtigen Spiel, und Hyballa sagt zu ihm: "Soll ich dich in den Arsch treten oder brauchst du mehr Liebe von mir?" Und darum geht es wohl, zumindest teilweise, wenn der Drittligist Türkgücü München in seiner Pressemitteilung am Montag schreibt, dass Hyballa "sowohl taktisch als auch emotional der richtige Mann" auf dem Trainerstuhl sei.

In den vergangenen Wochen war es ungewöhnlich still zugegangen beim Klub aus dem Münchner Osten, das lag vor allem an der ruhigen Art von Trainer Petr Ruman, der die oft durchwachsenen Leistungen seiner Mannschaft meist recht trocken analysierte. Niemand habe bei ihm einen Stammplatz - härtere Worte gab es vom 44-Jährigen selten zu hören. Am Montagnachmittag nun wurde Ruman verabschiedet, nach gerade einmal neun Ligaspielen und einem DFB-Pokalspiel. Und obwohl die Mannschaft im Moment gar nicht so schlecht dasteht: Sie rangiert in der Tabelle zwar nur auf Rang zehn, jedoch fehlen auf den Aufstiegsplatz zwei nur fünf Punkte. Ein weiterer Beleg dafür, dass es für die Vereinsführung um nichts anderes geht als den Aufstieg.

Tatsächlich war aber zuletzt unter Ruman keine Spielidee zu erkennen gewesen. Der ehemalige Nachwuchstrainer der SpVgg Greuther Fürth hatte es nicht geschafft, aus fraglos guten Einzelspielern - und allein seit der Sommerpause 17 Neuen - eine eingeschworene Gemeinschaft zu formen. Mit der Verpflichtung von Hyballa, einem völlig anderen Trainertypen, setzt Türkgücü ein ganz klares Zeichen, woran es nach Meinung der Vereinsführung gelegen hat: Ganz offensichtlich fehlten die klaren Ansagen gegenüber den teils sehr erfahrenen Spielern. "Ich hatte zu Hyballa schon vor eineinhalb Jahren Kontakt, ich fand ihn schon immer einen interessanten Trainer", sagt Türkgücüs Geschäftsführer Max Kothny auf SZ-Anfrage.

Damals sei eine Zusammenarbeit an anderen vertraglichen Verpflichtungen gescheitert. Nach der 1:3-Niederlage am Samstag beim 1. FC Saarbrücken habe er Hyballa dann aber gleich angerufen - und diesmal fand man schnell zusammen. "Er bringt jahrelange nationale und internationale Erfahrung mit", sagt Kothny. Das stimmt: Hyballa war als Juniorentrainer für deutsche Bundesligisten tätig, drei Jahre bei Borussia Dortmund, und zuletzt, bis 2016, bei Bayer Leverkusen. Nach der Schulung zum DFB-Fußballlehrer arbeitete er als Coach aber nur noch im Ausland, in vier verschiedenen Ländern.

Wenn es nach den Spielern bei seinem bislang letzten Arbeitgeber geht, dann wird Hyballa oftmals deutlich zu laut

Kothny findet, es habe unter Petr Ruman "die Entwicklung gefehlt". "Wir hatten eigentlich eine super Vorbereitung, aber ab dem Ligastart konnten wir eigentlich nie so richtig überzeugen". Auch hätten zuletzt bei einigen Spielern schon die "Grundtugenden" gefehlt - und ja, womöglich auch, weil es zwischendurch nicht auch einmal laut geworden sei. Er hätte nie gedacht, so Kothny, sich schon nach neun Spieltagen mit einem neuen Trainer auseinandersetzen zu müssen. Petr Ruman sei allerdings ein "super Mensch", mit dem immer offen kommuniziert worden sei, nach einem Telefonat am Sonntag habe man sich am Montagmorgen auch noch einmal persönlich getroffen.

Wenn es nach den Spielern bei seinem bislang letzten Arbeitgeber geht, dann wird Hyballa allerdings oftmals auch deutlich zu laut. Der vom ZDF während der EM als Taktik-Experte eingesetzte Trainer war letztlich nur für vier Pflichtspiele Trainer des dänischen Zweitligisten Esbjerg fB. Dort sollen fast alle Spieler empört gewesen sein über seine harten Trainingsmethoden, vor allem aber über seine harten Worte. Auf SZ-Anfrage erklärte Hyballa kurz vor seiner Kündigung im vergangenen August, dass es "keine Revolte" gegeben habe. Zu seinem Stil sagte er: "Ich bin mit Leib und Seele Trainer, und klar, ich bin fordernd, denn mein Training ist intensiv und attraktiv."

Und so wirkt der Typwechsel auf der Trainerbank, die Co-Trainer Nicolas Masetsky und Alper Kayabunar bleiben dem Verein übrigens erhalten - wie der radikale Wechsel von einem Ruhepol zu einem Lautsprecher. Kothny selbst scheint das ähnlich zu sehen: Manchmal hätten die lauten Ansagen gefehlt, findet er. Am kommenden Sonntag trifft Hyballa gleich auf einen ehemaligen Arbeitgeber: Türkgücü spielt gegen Borussia Dortmund II, im Münchner Olympiastadion, das auf absehbare Zeit erst einmal das Heimstadion des Teams bleiben wird.

Es gelte nun, aus vielen guten Spielern "eine Mannschaft zu formen", wird Hyballa in der Pressemitteilung zitiert, er freue sich darauf, die "ehrgeizigen Ziele in Angriff zu nehmen". Dafür dürfte er zumindest mehr Zeit bekommen als bei seinem vorigen Arbeitgeber in Dänemark - wenn es nicht läuft, aber auch nicht sehr viel mehr.

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