Fußball-Trainer Peter Hyballa:Experte - auch in Beschimpfungen

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Peter Hyballa, hier noch als Trainer in Polen, kann sehr emotional werden. Zu emotional für Dänemark? (Foto: imago images/Newspix)

Bei der EM erklärte Peter Hyballa Millionen ZDF-Zuschauern die Taktik, in Dänemark stolpert er über seine Wortwahl - sein Klub Esbjerg FB erlebt eine heftige Debatte über die Umgangsformen des deutschen Coaches.

Von Jonas Beckenkamp

Wer bei dieser Fußball-EM viel Fernsehen guckte, der konnte vom Expertenteam des ZDF meist Erhellendes zu den Partien erfahren. Aus den Analysen von Christoph Kramer und Per Mertesacker klang die Nähe zum Spiel heraus, während Peter Hyballa versuchte, taktische Feinheiten zu erklären. Das gelang ihm im Münsteraner Singsang, abgesehen von mancher Holprigkeit ("am Anfang haben alle noch so taktisiert"), ganz zufriedenstellend.

Der gebürtige Bochholter ist das, was gemeinhin als Trainer-Wandervogel gilt. Er arbeitete schon in Windhoek, Dortmund, Graz, Aachen, Nimwegen, Krakau oder auch im slowakischen Dunajska Streda. Meistens waren seine Stationen von kurzer Dauer, es kam halt immer was dazwischen. So könnte es auch diesmal laufen, denn aktuell steht ihm als Trainer des dänischen Zweitligisten Esbjerg FB Ärger ins Haus.

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Laut Berichten aus dem Nachbarland soll es im Training des Klubs unter seiner Leitung zu einem regelrechten Aufstand gekommen sein. Mehrere Profis beschwerten sich offenbar bei der Vereinsführung über die Methodik und den Umgang des 45-Jährigen, der den Klub aus Dänemarks Südwesten erst im Mai übernommen hatte.

Er habe nichts falsch gemacht, glaubt Hyballa, Auseinandersetzungen wie diese gebe es "in 45645 Mannschaften der Welt"

Im Raum stehen aufgrund eines Streits Hyballas mit zwei Profis auch Forderungen nach seiner Entlassung. Der Coach habe den Fußballern mit überhartem Trainingsdrill zu viel abverlangt und sie dann mit Sprüchen malträtiert, berichtet das Boulevardblatt BT. Einen Spieler habe Hyballa sogar gepackt und ihm gesagt "du hast größere Brüste als deine Frau", ehe er ihn zu Liegestützen verdonnerte.

Hyballa selbst bestätigt seine Wortwahl auf Nachfrage der SZ, er besteht aber darauf, dass es "keine Revolte" gab und es "nie zur Debatte stand, dass ich aufhöre". Man bestreite nun weiter die geplanten Testspiele in der Saisonvorbereitung. Im Gespräch macht er deutlich, dass ihm die öffentliche Empörung ziemlich komisch vorkommt. Er habe doch nichts falsch gemacht, es gehe schließlich um Leistungssport. Auseinandersetzungen wie diese "haben Sie in 45 645 Mannschaften" der Welt, glaubt Hyballa.

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Nun lassen sich gegen diese vorgestrige Schleifer-Rhetorik natürlich reihenweise Argumente anführen. Das treffendste hat wohl mit guter Kinderstube zu tun - und damit, dass man sich als Neuankömmling im weltoffenen, skandinavischen Ausland mit Machosprüchen schlicht keine Freunde macht. Nicht allzu gut findet der Trainer offenbar die vier Profis Jakob Ankersen, Kevin Conboy, Yuri Yakovenko und Zean Dalügge, die allesamt vom Training freigestellt sind- aus sportlichen Gründen, wie Hyballa anmerkt. Gezofft hat er sich übrigens mit zwei älteren dänischen Profis. Ankersen und Conboy sind Dänen, beide über 30.

Die US-Geldgeber des Vereins sprangen dem Trainer zunächst zur Seite

Dass er sich selbst eher in die Kategorie gröberer Trainertypen einordnet, räumt Hyballa ein: "Ich bin mit Leib und Seele Trainer, und klar, ich bin fordernd, denn mein Training ist intensiv und attraktiv." Wegen dieser Eigenschaften hat der Verein, den kürzlich amerikanische Investoren übernahmen, ihn geholt. Das Ziel: Hyballa soll der Mannschaft Pressingfußball nach deutschem Vorbild näherbringen.

Doch dies stellt nach seiner Darstellung eine Revolution für das Team dar, das zuvor gemächlichere Trainingseinheiten gewohnt war. "Wir ändern hier gerade was, und wenn du was änderst, dann schmeckt das nicht allen", erklärt Hyballa. Dass seine Spieler den jüngsten Eklat lieber der Presse steckten, anstatt die Sache mit ihm zu klären, hält er für "schlechten Stil und total übertrieben".

Trotz der Aufregung ist er sich sicher, dass das auch die US-Geldgeber des Vereins so sehen. Das stimmt insofern, als dass Klubchef Chein Lee ihm zunächst zur Seite sprang. Lee gab jedoch auch blumig zu bedenken, dass sich an der Situation etwas ändern müsse.

Gleichzeitig stößt Hyballas Verhalten auf Kritik im Verein: "Es ist nicht normal, Spielern solche Dinge zu sagen oder sie körperlich zu bestrafen", sagte der Klubvorsitzende Michael Kalt der Zeitung BT. "Peter kommt aus einem anderen Land mit einer anderen Kultur. Vielleicht ist so etwas in Deutschland, England oder den USA akzeptabel, aber nicht in Dänemark. Er wird sich hier anpassen müssen." Hyballa will sich indes nicht ändern. Er fordert, dass die Spieler sich an seine Arbeitsweise anpassen müssten.

Ausgestanden ist die Sache anders als von Hyballa angenommen noch nicht. Laut dem Lokalblatt Jydske Vestkysten macht sich auch Esbjergs Sportchef Brian Knudsen Gedanken: "Wir werden den Sachverhalt intern klären. Es ist keine Angelegenheit, die wir in der Öffentlichkeit diskutieren werden." Doch genau das ist de facto längst der Fall.

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