Süddeutsche Zeitung

Huub Stevens vor dem Abschied:Der Knurrer von Kerkrade zaudert

Die Diskussion um die sportliche Zukunft von Huub Stevens hat längst eine eigene Dynamik bekommen. Der FC-Trainer scheint vor dem Abschied zu stehen - das Bedauern in Köln hält sich in Grenzen.

Von Christoph Biermann

Ruhe ist ein Zustand, von denen die Verantwortlichen eines Fußballklubs stets träumen. Auch Wolfgang Overath, Präsident des 1.FC Köln, würde gerne "mehr Ruhe in die Sache bekommen", und am Montag besteht eine gute Gelegenheit dazu. Dann nämlich tritt die SpVgg Greuther Fürth in Köln zum "Endspiel" an, wie Overath sagt.

Gelänge seiner Mannschaft gegen den Tabellenvierten ein Sieg, würde der Abstand zwischen beiden Teams sich auf acht Punkte vergrößern. Bei noch sechs Spielen würde das fast schon den Aufstieg bedeuten, und Overath könnte sich noch über einen anderen Wunschzustand freuen: "Wir wollen Planungssicherheit herstellen."

Bis dahin mauert der Klub bezüglich aller Personaldiskussionen. "Die halten uns nur vom entscheidenden Thema Aufstieg ab", sagt der Präsident. Vor allem sollen die Spieler nicht dadurch verunsichert werden, dass ihnen im Fall des Aufstiegs neue Konkurrenz vor die Nase gesetzt werden soll.

Doch um Trainer Huub Stevens hat die Diskussion längst eine eigene Dynamik bekommen. Als Overath auf der Hauptversammlung im vergangenen Jahr den Klubmitgliedern erst die Entlassung des Schweizers Marcel Koller mitteilte und anschließend bekannt gab, dass Stevens neuer Trainer würde, war noch Jubel ausgebrochen. Seine Verpflichtung zeigte, dass es der Klub ernst meinte. Der Zweitligist konnte einen Coach engagieren, der leicht auch einen Job in der ersten Liga bekommen hätte.

Kein Hauch von Abenteuer

Der Überschwang darüber hat sich in Köln jedoch längst gelegt. Fast von Beginn an schien es, als ob der Knurrer aus Kerkrade und der rheinische Traditionsklub nicht zusammenpassen würden. Von Beginn an seltsam fehl am Platz wirkte der Trainer, wenn man sein Auftreten in Köln mit dem in seinen Schalker Jahren vergleicht. Auch distanzierte er sich bereits nach den ersten Misserfolgserlebnissen von seinem Team: "Das ist nicht meine Mannschaft."

Zu Overath ergab sich auch nicht eine so enge Bindung wie zu Assauer in Schalke. So passte es ins Bild, dass Stevens im vergangenen Herbst mit dem Interesse von Schalke 04 und im Winter mit dem seines Heimatklubs Roda Kerkrade kokettierte. "Ich würde mir von unserem Trainer ein klareres Bekenntnis wünschen", hatte Manager Andreas Rettig damals gesagt. Auch in der Folge fehlte es aus privaten Gründen an deutlichen Konfessionen, weil Stevens näher bei seiner kranken Ehefrau in Eindhoven sein und mehr Zeit mit ihr verbringen wollte.

Für all das hätte das Publikum sicher viel Verständnis entwickelt, wenn Stevens im Stadion für mehr Spaß gesorgt hätte. Doch der am besten besetzten Zweitligist spielte nicht am besten. Nur der hinreißende Lukas Podolski verlieh dem langweiligen Ergebnisfußball einen Hauch von Abenteuer.

Dass es beim FC eine Sehnsucht nach Aufregung und Verrücktheit gibt, hat der Arbeiter Stevens entweder nicht verstanden oder es widerspricht ihm zutiefst. So wurden im Laufe der Saison kaum einmal Sprechchöre für den Trainer angestimmt, und wahrscheinlich würde inzwischen sogar Jubel losbrechen, gäbe Overath den Abschied des Holländers bekannt.

Wahrscheinlich wäre das Publikum inzwischen sogar überrascht, wenn Stevens auch in der kommenden Saison in Köln auf der Bank sitzen würde. Zu oft hat er sich inzwischen so diffus zu seiner Zukunft geäußert, dass man es irgendwann nur noch als verschwiegene Ankündigung seines Rücktritts verstehen konnte. Außerdem wird längst öffentlich über seine Nachfolge debattiert. Bielefelds Trainer Uwe Rapolder steht dabei hoch im Kurs.

Daum bleibt ein Kandidat

Genannt wurde auch Co Adriaanse, der mit dem AZ Alkmaar im Moment auf nationalem und europäischen Höhenflug ist, den Klub aber zum Saisonende verlassen wird und durchaus Interesse daran hat, in die Bundesliga zu kommen. Selbst Ottmar Hitzfeld wurde genannt. Am meisten aber elektrisiert nach wie vor Christoph Daum die Kölner Fans. Schließlich war Daum der letzte Trainer, mit dem der Klub große Erfolge feierte.

Als türkische Zeitungen neulich von Verhandlungen zwischen dem Trainer von Fenerbahce Istanbul und dem 1.FC Köln meldeten, fand das auch am Rhein große Resonanz. Beide Seiten dementierten jedoch umgehend, zumal es ein klares Ausschlusselement gibt. Daum verdient in der Türkei sehr viel Geld, das er braucht, um die finanziellen Folgen der Kokain-Affäre und missglückter Investments auszugleichen.

Inzwischen spürt Overath, dass die wilden Spekulationen um die Besetzung des Trainerpostens nicht gut sind. "Ich möchte die Geschichte gerne beenden", sagt er. Nur ist der Vereinspräsident nicht Herr des Verfahrens, denn im Fall des Aufstiegs verlängert sich der Vertrag des Trainers automatisch um ein Jahr. Stevens also entscheidet dann zunächst einmal, ob und wann er bleiben oder gehen will. Und weil er sich darüber ausschweigt, ist der Klub momentan gelähmt. Bei einem Sieg über Greuther Fürth mag er theoretische Planungssicherheit haben, doch eigentlich hat die nur der Trainer.

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Quelle:
Süeddeutsche Zeitung vom 11.4.2005
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