Süddeutsche Zeitung

Huub Stevens:Stevens knurrt jetzt leise

  • Mit Schalke war Huub Stevens 2001 der Vier-Minuten-Meister.
  • Im Frühjahr machten ihm Herzrhythmusstörungen zu schaffen, das Amt in Hoffenheim sollte sein letztes sein.
  • Jetzt seien Jüngere dran, sagt der 62-Jährige und stellt ein Buch über seine Karriere vor.

Von Benedikt Warmbrunn, Eindhoven

Ganz im Eck versteckt sich der Mann, wegen dem alle gekommen sind. Er sieht, wie die Leute plappern, wie sie Weingläser füllen und leeren, wie sie nach den karamellisierten Garnelen greifen. Er sieht, dass das Leben so leicht sein kann, so unbeschwert. Er sieht das, was er auch für sich haben möchte. "Die Ruhe", sagt Huub Stevens, "tut mir gut."

Dienstagmittag, das Restaurant "De Blauwe Lotus" im Stadion von Eindhoven. Stevens, 62, stellt seine Biografie vor, "Nooit opgeven" - Nie aufgeben. Es ist ein Buch über seine jahrzehntelange Karriere in der Fußballbranche. Es ist das Buch eines Mannes, der unverwechselbar geworden ist. Hubertus Jozef Margaretha Stevens hat einige Stationen hinter sich, es waren fast nie die entspanntesten. Er war Trainer auf Schalke, als der Klub die erfolgreichsten Jahre seiner jüngeren Klubgeschichte hatte, Uefa-Cup-Sieger 1997, Viereinhalb-Minuten-Meister 2001, von den Fans zum Trainer des Jahrhunderts gewählt.

Er war in Berlin, Köln, Hamburg, noch mal auf Schalke, zweimal in Stuttgart, in Hoffenheim. Am Ende ist er durch die Fußballwelt getingelt, als einer der letzten Vertreter des sogenannten Feuerwehrmannes. Immer dann, wenn es besonders düster aussah, kam Stevens. Er hat dann den Mannschaften Disziplin beigebracht, eine kompakte defensive Taktik, und meistens stand die Null tatsächlich häufiger als zuvor. Passte ihm etwas nicht, gab er sich noch weniger Mühe als früher, seinen Unmut zu verbergen, dann war er wortkarg, eiskalt, mürrisch, sie nannten ihn immer noch den Knurrer von Kerkrade.

In der Ecke im Restaurant sitzt jetzt jedoch ein Mann, der abgeschlossen hat mit seiner Zeit als Trainer, er erzählt ausführlich, witzig, freundlich. Huub Stevens knurrt nicht mehr.

Angekündigt wird Stevens mit ein paar Sätzen, die noch einmal sein altes Ich bemühen, das des jähzornigen, unleidigen Schleifers, vom niederländischen Jack Nicholson ist die Rede. An diesen früheren Stevens erinnert jedoch nur noch seine raue Herbstmorgenstimme. Sein Gesicht, das in all den Jahren im Fußball kaum gealtert ist, hat inzwischen die milden Züge eines Pierre Brice, seine feinen, nach hinten gekämmten Haare sind an den Schläfen grau meliert. Stevens fängt das mit einem grauen Sakko auf.

Im Frühjahr hatte er in Hoffenheim aufgehört, Herzrhythmusstörungen. Er sei dann zum Arzt gegangen, der habe ihn wieder weggeschickt, in einem Jahr solle er wiederkommen. Mit den Medikamenten, sagt Stevens, "geht es mir hervorragend". Dennoch hat er das Signal seines Körpers verstanden, Hoffenheim soll seine letzte Station gewesen sein. Es seien jetzt andere Trainer an der Reihe. "Ich habe zwei Beine, zwei Hände, zehn Finger", sagt Stevens, "aber ich habe nur ein Herz. Wenn das ein Zeichen gibt, musst du darauf hören." Das Buch ist auch ein Abschluss für ihn.

Stevens erzählt dann ein paar Anekdoten, die auch in seinem Buch vorkommen. Von Sylvie Meis, der früheren Frau von Rafael van der Vaart, erzählt er zum Beispiel. "Ein Spieler braucht geistige Ruhe", sagt er, diese habe van der Vaart von seiner Frau jedoch nie bekommen, "sie hat Rafael geschadet". Ganz leicht knurrt er dabei, nur kurz, kaum merklich.

"Wenn du ein Lied von Schalke singst, singt er mit"

Lieber erzählt er ohnehin von Rudi Assauer, dem langjährigen Manager von Schalke 04, dem er so viel verdankt. Als dieser ihn verpflichtet habe, sagt Stevens, "war ich ein Nobody". Es entwickelte sich eine im Fußball seltene Männerfreundschaft, die bis heute hält. Vor wenigen Wochen erst hat Stevens den inzwischen an Demenz erkrankten Assauer besucht. Er erzählt, dass Gespräche schwierig geworden seien. "Aber wenn du ein Lied von Schalke singst, singt er mit, jedes Wort haut er dann rein." Wenn er ihm die Hand drückt, sagt Stevens, "dann sehe ich etwas in seinen Augen". Seinem Freund hat er in der Biografie, die im Februar in Deutschland erscheint, ein ganzes Kapitel gewidmet.

2017 jährt sich der Schalker Uefa-Cup-Sieg zum 20. Mal, Stevens überlegt, dazu etwas zu organisieren, der Verein lässt ihn ja nach wie vor nicht los. "Einmal Schalker, immer Schalker", sagt er. Und: "Mein Herz schlägt für Schalke." Er hat übrigens vor, dass es noch lange für diesen Verein schlagen wird.

Dann steht Stevens auf, er tritt ins Licht. Er möchte jetzt los, ein bisschen das Leben genießen.

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SZ vom 02.11.2016/ska
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