Hundesport:Entschleunigung der Sprinter

Hundesport: Laufen, Biken, Rollerfahren: Annick Busl bildet mit ihren Hunden rasante Gespanne.

Laufen, Biken, Rollerfahren: Annick Busl bildet mit ihren Hunden rasante Gespanne.

(Foto: oh)

Laufen, Biken und Rollerfahren mit Vierbeinern: Canix ist der günstige Einstieg in den Zughundesport. Der Tierschutz soll auch im kommerziellen Wettbewerb an oberster Stelle stehen.

Von Nadine Regel

Peaches will laufen. Die hellbraune Hündin mit weißblauen Augen stürmt nach vorne. Der Ruck an der Leine überträgt sich sofort über den Hüftgurt auf Annick Busl. Die Laufgeschwindigkeit ist auf einmal so groß, dass sie Probleme hat, mit den Füßen schrittzuhalten. Nach 50 Metern ist Schluss - Peaches muss wieder bei Fuß gehen. Volle Auslastung ist seit dem Frühjahr nicht mehr möglich: Die Europäische Schlittenhündin kippte aufgrund von Herzproblemen einfach um. Busls zweite Junghündin Rosi hatte fast gleichzeitig mit epileptischen Anfällen zu kämpfen. "Als das passiert ist, ist mir viel bewusst geworden", sagt die 42-Jährige. Seitdem muss sie das Tempo herunterfahren - in ihrem Leben, aber auch in ihrem Sport.

Das ist gar nicht so einfach, weil beides auf maximale Schnelligkeit ausgelegt ist. Busl ist eine der bekanntesten Persönlichkeiten im modernen Zughundesport. Sie richtet Rennen im Canicross, Dog Scooting und Dog Biking aus. Im Oktober fand in Niedersachsen das letzte kommerzielle Rennen der Saison statt, das die Piesenkamerin organisiert hat.

Der Weltrekord beim Laufen mit Hund auf einen Kilometer liegt bei 2:04 Minuten - ohne Hund bei 2:11:96

Canix nennt sich eine Sparte im Zughundesport, die immer populärer wird. Unter Canix werden das Laufen, Biken und Rollerfahren mit Hunden zusammengefasst. Dabei besteht das Team aus einem Menschen und bis zu zwei Hunden. Der Mensch trägt einen Hüftgurt, an dem der Hund mit einer Ruckdämpferleine angehängt ist. Das verleiht dem Zweibeiner eine gewaltige Wucht. Durch den beim Laufen entstehenden Zug werden dessen Schritte verlängert und die Geschwindigkeit erhöht. Der aktuelle Weltrekord beim Laufen mit Hund auf einen Kilometer, also dem Canicross, liegt bei 2:04 Minuten (Ben Robinson). Zum Vergleich: Ohne Hund liegt er bei 2:11:96 Minuten (Noah Ngeny). Beim Dog Scooting und Biking laufen die Hunde im Durchschnitt bis zu 40 Kilometer die Stunde.

Das Training beginnt schrittweise, weil die Hunde sich während der Zugarbeit oder des Rennens ausschließlich auf die Zusammenarbeit mit dem Menschen konzentrieren sollen. "Wenn der Vierbeiner am Anfang 500 Meter auf Zug geht, ohne sich ablenken zu lassen, ist das schon ein Erfolg", sagt Busl. Kommandos wie "Go", "links", "rechts", "Stopp" und "langsam" gehören zum Repertoire dazu. Überholt ein Gespann das andere, gilt, dass die Überholten das Tempo drosseln müssen, damit die Hunde nicht zu lange auf einer Höhe laufen müssen. Canix findet meist auf Sprintdistanzen statt, es gibt aber auch Ultradistanzen im Gelände.

Seinen Ursprung hat der Mono-Zughundesport in Europa, er etablierte sich zunächst als Ersatzsport für die schneelose Zeit für die Skijöring- und Pulka-Fahrer. Der Verband Deutscher Schlittenhunde-Vereine (VDSV) zählt um die 2000 Mitglieder, davon etwa 900 im Canix-Bereich. "Mit steigender Tendenz", sagt Michael Landau, Präsident des VDSV. "Canix ist der Einstieg in den Zughundesport, und immer mehr Leute bleiben auch dabei", sagt der 61-jährige Hesse.

"Hunde mit ausgeprägtem Jagdtrieb eignen sich besonders, weil sie auf Geruchsimpulse reagieren."

Das leuchtet ein: Schlittengespanne von sechs oder acht Hunden sind teuer und aufwändig in der Haltung. Und Canix ist ebenso ein anerkannter Wettkampfsport. Mitte November haben die deutschen Meisterschaften in Leipa, Sachsen-Anhalt, stattgefunden, an denen 250 Personen mit mehr als 1000 Hunden teilnahmen. Für den Sport sind grundsätzlich alle Hunde geeignet, die Lust auf Bewegung und einen Drang zum Ziehen haben. "Hunde mit ausgeprägtem Jagdtrieb eignen sich besonders, weil sie auf Geruchsimpulse reagieren", sagt Landau. Beim Rennen haben sie das Team vor sich in der Nase.

Seit neun Jahren betreibt Busl einen Canix-Laden. Ruhe war für die umtriebige Unternehmerin bisher nie ein Thema. Mit dem Zughundesport hat sie vor zehn Jahren mit ihrer Australian-Shepherd-Hündin angefangen. "Wenn du es einmal ausprobiert hast, bist du süchtig", sagt sie. Um den Sport auf ein höheres Niveau zu heben, setzte sie auf Zoey, eine Europäische Schlittenhündin, auch genannt Hound. Sie gelten als die leistungsfähigsten Läufer, auch vor dem Schlitten. Später kamen noch Peaches, die Tochter von Zoey, und Rosi von einem anderen Züchter hinzu. Fast gleichzeitig verschlechterte sich der Gesundheitszustand ihrer zwei jungen Hounds. Ein Schock für Busl - und ein Weckruf.

Hunde lieben es, sich zu bewegen. Sie lieben die Aufmerksamkeit durch ihr Herrchen und Frauchen - aber sie brauchen auch strikte Ruhephasen. "Der Trugschluss ist ja immer: Ich habe einen sportlichen Hund, der muss bewegt werden", sagt Busl. Aber Hunde wollen auch mal langsam spazieren gehen und ihre Nase in ein Mäuseloch stecken. Diese Bedürfnisse muss der Halter aktiv bedienen. Busl musste ihr Training von einem auf den anderen Tag umstellen. Sie wechselte zum Laufen, weil das weniger belastend ist, und verzichtet seither auf Zug. Außerdem hat sie lange Wanderungen für sich und die Hunde entdeckt. Bisher kommt sie ohne Medikamente aus.

Kurzschnäuzige, kurzbeinige und übergewichtige Hunde können disqualifiziert werden

Tierschutz soll für den VDSV im kommerziellen Wettbewerb an oberster Stelle stehen. Die Außentemperaturen an einem Wettkampftag dürfen eine bestimmte Temperatur in Kombination mit der Luftfeuchtigkeit nicht übersteigen; die Hunde müssen in einem guten gesundheitlichen Zustand sein; kurzschnäuzige, kurzbeinige und übergewichtige Hunde können disqualifiziert werden. Bei Busls Events wird jeder einzelne Hund von Tierärzten überprüft.

Neulich veranstaltete sie ein besonderes Rennen: Nicht das schnellste, sonders das langsamste Team gewann. "Eine kam erst sieben Stunden später im Ziel an", sagt Busl. Die Teams mussten unterwegs keine Hindernisse überwinden oder durch Wasser sprinten, sondern meditieren, Yogaübungen absolvieren oder mit Holzstöckchen das Wort "Strongdog" auf dem Boden auslegen. Die Resonanz sei sehr gut gewesen. Entschleunigung steht ja auch für Annick Busl und ihre Hündinnen auf dem Programm.

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