Hamburger SV:Der zwölfte Trainer in fünf Jahren

Hannes Wolf

Hannes Wolf: Neuer Job, hohe Ziele beim HSV

(Foto: Marijan Murat/dpa)
  • Nach zehn Spielen liegt der HSV mit 18 Punkten auf Rang fünf, zu wenig für den angestrebten Wiederaufstieg.
  • Trainer Titz muss deswegen gehen, Hannes Wolf wird sein Nachfolger.
  • Wie sich die Personalie auf die Mannschaft auswirkt, bleibt abzuwarten - Titz stand für das jüngste Symbol des Neuanfangs.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Am Schluss haben auch ehemalige HSV-Trainer sich an ihrem jüngsten Nachfolger Christian Titz abgearbeitet. Felix Magath, der den Klub sehr gern als Chef übernommen hätte, feixte zuletzt über den Coach des Bundesliga-Absteigers: "Es ist ja gerade die Zeit der Märchenerzähler. Titz ist ein Mann, der gut erzählen kann." Der Anspruch des HSV sollte ein anderer sein, mäkelte Magath, "als einen Unbekannten aus der Jugend zu holen". Und sogar Joe Zinnbauer, als Fußball-Lehrer 2014/15 nur eine Sechs-Monats-Fußnote in der Geschichte des Klubs, nörgelte am Rande des jüngsten 0:0 gegen den VfL Bochum im Privatfernsehen, Titz' Ballbesitz-Ideen seien "schnell zu durchschauen".

So müssen das zunehmend auch Sportvorstand Ralf Becker und Boss Bernd Hoffmann gesehen haben. Am Dienstag haben sie das Experiment mit dem früheren Nachwuchstrainer nach nur sieben Monaten beendet. "Es gehört zu unserer Verantwortung, die sportliche Situation sachlich zu analysieren. Wir sind zu der Erkenntnis gelangt, dass wir leider nicht die angestrebte Entwicklung genommen haben und ein erhöhtes Risiko sehen, dass wir unser Saisonziel verfehlen werden", teilte Becker mit.

Nach zehn Spielen liegt der HSV mit 18 Punkten auf Rang fünf. Zu wenig, um den sofortigen Wiederaufstieg zu schaffen, den Hoffmann als alternativlos ausgegeben hatte. Denn die Titz-Elf hatte zwar die meisten Ballkontakte und die höchste Passquote in der zweiten Liga, spielte aber dennoch kaum Chancen heraus.

Der zwölfte Trainer in nur fünf Jahren wird nun Hannes Wolf, 37, sein. Der ehemalige Jugend-Trainer von Borussia Dortmund hat Titz schon mal was voraus: 2017 hat er genau die Aufgabe gemeistert, die er nun auch beim HSV vollenden soll. Er stieg mit dem VfB Stuttgart als Zweitligameister direkt wieder in die Bundesliga auf. Im Januar 2018 wurde er allerdings nach einer Serie siegloser Spiele entlassen. Wie es in der Branche heißt, durchaus auch auf eigenen Wunsch. Der sympathische Wolf (Lieblingswort "intensiv") war sehr populär in Stuttgart. Auch seine TV-Auftritte bei der WM 2018 als Experte gefielen dem Marketingfachmann Bernd Hoffmann, der viel Wert auf Außenwirkung legt. Dabei war auch Titz mit seiner menschlichen Art und offensiven Spielweise für viele Fans ein Grund, trotz Abstiegs weiter zum HSV zu halten.

Gewiss gab es auch diesmal Gründe für eine Trennung, man könnte aber auch sagen: Wieder mal hat der HSV nicht die Geduld gehabt, ein Konzept durchzuziehen. Stattdessen trennte man sich vom jüngsten Symbol des Neuanfangs.

Hoffmann dachte an Roger Schmidt

Damit ist auch die Ära des unbequemen Projektleiters Bernhard Peters endgültig beendet, der sich als besonderer Förderer von Titz hervorgetan hatte. Der frühere Hockey-Bundestrainer, dessen Vertrag bereits vergangene Woche aufgelöst wurde, hatte in vier Jahren die Nachwuchsabteilung des HSV einschließlich des "Campus"-Gebäudes komplett umgestaltet. So stießen plötzlich eine Vielzahl von Talenten wie Jann-Fiete Arp oder Gideon Jung zur Profimannschaft. Titz verdiente seine Sporen zunächst als U 17-Coach und dann als Betreuer des Regionalligateams, das nach Jahren in der Abstiegszone als ungeschlagener Spitzenreiter Furore machte.

Doch während Sportchef Becker mit Peters, der offenbar auch scharf auf den Posten gewesen war, nichts zu tun haben wollte, pflegte Hoffmann noch Vorstellungen wie in besseren Zeiten. Am liebsten hätte er schon zu Saisonbeginn den früheren Leverkusener Trainer Roger Schmidt verpflichtet, der ja, gerade gut genug für den HSV, schon Champions-League-Erfahrungen gesammelt hatte. Aber das wäre schlecht angekommen bei den Titz-euphorisierten Anhängern. Zudem verdient Schmidt derzeit in China so viel, dass der zum Sparen gezwungene HSV kaum ein adäquates Angebot hätte machen können.

Doch Titz' taktische Einfälle führten in der zweiten Liga tatsächlich nicht zum gewünschten stabilen Erfolg. In vier von sechs Heimspielen gab es keinen HSV-Treffer, dafür ein 0:3 gegen Holstein Kiel und ein 0:5 gegen Jahn Regensburg. Da hatte Titz, in dessen System ein Brecher-Stürmer wie Pierre-Michel Lasogga keinen Platz hat, keine Argumente mehr - zumal Lasogga, der teuerste Zweitliga-Profi (angeblich 3,4 Millionen Gehalt pro Jahr), in wenigen Kurzeinsätzen fünf Tore erzielte. Auch die vom ehemaligen Nationalkeeper Oliver Kahn als bahnbrechend gelobte Idee, den Torwart Julian Pollersbeck quasi als elften Feldspieler einzusetzen, brachte nicht den erhofften Erfolg. Und die Innenverteidigung mit Kyriakos Papadopoulos und Gideon Jung brach schon zu Saisonbeginn mit langwierigen Verletzungen weg.

Aber der HSV wäre nicht der HSV, wenn es nicht am ersten Tag des nächsten Neuanfangs schon wieder einen kleinen Aufreger gegeben hätte. Der junge Stürmer Arp, der Titz viel zu verdanken hat, postete nach Titz' Entlassung bei Instagram ein Foto mit drei düster dreinblickenden Smileys. "Jann-Fiete ist ein junger Mann, aber das geht nicht, das werden wir auch intern besprechen", sagte Sportchef Becker zu dieser Aktion, "so eine Meinungsäußerung nach außen, das ist nicht zu akzeptieren." Am späten Nachmittag hatte Arp seinen Beitrag wieder gelöscht. Am Freitagabend, im Spiel beim 1. FC Magdeburg, wird man dann sehen, wie professionell der Rest des Teams den neuen Chef annimmt.

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