Nordderby:Von einem Höhepunkt zum nächsten

Nordderby: Die Bremer siegten am Sonntag mit 3:2 - zur Belohnung gab's die Tabellenführung.

Die Bremer siegten am Sonntag mit 3:2 - zur Belohnung gab's die Tabellenführung.

(Foto: Witke/nordphoto GmbH/imago)

Werder presst, der HSV stresst: Die Bremer gewinnen mit 3:2 beim Nordrivalen Hamburger SV - und rücken an die Tabellenspitze der zweiten Liga.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Ein Hauch von guten alten Zeiten wehte am Sonntag durch den Hamburger Volkspark. Auf den Tribünen versammelten sich 25 000 Zuschauer, auf dem Rasen trafen sich die vor dem Spieltag auf den beiden Spitzenplätzen gelisteten Zweitliga-Mannschaften, und sogar die Sonne trat im Norden der Republik nach monatelanger Absenz wieder hervor.

Wer sich an diesem Wochenende durch Fußballkonsum ein bisschen Ablenkung vom Weltgeschehen verschaffen wollte, der bekam beim 110. Nordderby zwischen dem Hamburger SV und Werder Bremen wenigstens ein interessantes Unterhaltungsprogramm geboten. Bei diesem Duell handelte es sich ja um so etwas wie Teil II eines Novums, denn nach dem 1:0-Hinspielsieg des HSV in Bremen traten die beiden früheren Meister und Europapokalsieger zum überhaupt erst zweiten Mal im Unterhaus gegeneinander an - und zumindest die Gästemannschaft ist an diesem Nachmittag der Rückkehr in die Erstklassigkeit einen wichtigen Schritt näher gekommen: Die Bremer siegten 3:2 und haben sich durch diesen Erfolg zurück an die Tabellenspitze in der zweiten Liga geschoben.

Schiedsrichter Daniel Siebert pfiff zwei Handelfmeter - die Bremer verwandeln lässig

Schon die Anfangsphase der Partie verlief ähnlich schwungvoll und kontrovers, wie das in sportlich besseren Zeiten der Fall gewesen war. Werder stresste die Heimelf von Beginn an mit einer weit aufgerückten Pressinglinie, und der HSV stresste sich selbst, weil er stoisch an seinem auf Kurzpässen basierenden Spielaufbau beharrte.

Diese Grundzutaten ergaben in der ersten Halbzeit eine Mischung, die die Gästemannschaft als die überlegene und reifere Gruppe aussehen ließ, doch die spezielle Würznote für die Bremer Führung steuerte der Schiedsrichter Daniel Siebert bei: Nach einem Schuss des Werder-Verteidigers Ömer Toprak streifte der Ball die angelegte Hand des HSV-Mittelfeldmanns Jonas Meffert, was vor den jüngsten Handspielregel-Reformen wohl kein strafwürdiges Vergehen dargestellt hätte, von Siebert nach Rücksprache mit dem Kölner Videokeller dann aber mit einem Elfmeterpfiff geahndet wurde.

Der Stürmer Marvin Ducksch verwandelte diesen in der 10. Spielminute mit der für ihn üblichen Lässigkeit zum Bremer 1:0. Zusätzlichen Unmut des Publikums im Hamburger Volkspark zog sich Siebert zu, weil er einen Treffer der Heimelf aberkannte: Der HSV-Stürmer Robert Glatzel hatte während der Entstehung einen Werder-Spieler in Richtung des Torwarts Jiri Pavlenka gestoßen, was ein eher zärtlicher Eingriff ins Geschehen war, aber vertretbar in der Endbewertung des Schiedsrichters.

Nordderby: Machen Sie eine typische Fußbewegung: Marvin Ducksch verwandelt den ersten von zwei Handelfmetern für Werder Bremen in Hamburg.

Machen Sie eine typische Fußbewegung: Marvin Ducksch verwandelt den ersten von zwei Handelfmetern für Werder Bremen in Hamburg.

(Foto: Witke/nordphoto GmbH/imago)

Werder und der HSV gehören zu den stilistisch anspruchsvollsten Mannschaften im Unterhaus, sie pflegen in der Regel einen hochwertigen Umgang mit dem Ball und machen einer alten hanseatischen Kaufmannsweisheit alle Ehre: "Wagen un winnen", lautet sie, was übersetzt "wagen und gewinnen" bedeutet - und insbesondere die zweite Hälfte ließ keinen Zweifel daran, dass die Spieler der beiden Klubs diese Lehre vollends verinnerlicht haben. Quasi mit dem Wiederanpfiff kam der HSV durch einen Meffert-Treffer zum Ausgleich (46.), doch das war nur der Startschuss einer Kaskade, die das Spiel von einem Höhepunkt zum nächsten rasen ließ.

Die Aufholjagd des HSV blieb erfolglos

Die nächste Etappe: Schiedsrichter Siebert, die Handspielregel und der Kölner Videokeller. Es handelte sich um eine artverwandte Szene wie beim ersten Elfmeter-Pfiff, nur dass der HSV-Angreifer Bakery Jatta diesmal seine Hand schützend vors Gesicht hielt, als ein Schuss aufs Tor der Hamburger heranrauschte. Wieder gab es Elfmeter für Werder, was nur konsequent war angesichts der Entscheidung in der ersten Halbzeit. Für die Ausführung hatten sich die Bremer jedoch auf einen Schichtwechsel verständigt, denn dieses Mal war es der Stürmer Niclas Füllkrug, der einen Coolness-Award für den platzierten Schuss ins Eck verdient gehabt hätte (51.).

Das Nordderby indes bog jetzt in seine fiebrigste Phase ein. Der HSV startete eine tapfere Aufholjagd, die durch einen durch einen sehenswerten Ducksch-Treffer zum 3:1 für Werder (76.) jäh unterbrochen wurde, mit dem Anschlusstor durch Stürmer Glatzel aber noch an ein aussichtsreiches Zwischenziel gelangte (81.). Der Ausgleich gelang aber nicht mehr, weshalb für die Hamburger die erste Heimniederlage der Saison zu Buche stand. Für die Bremer hingegen könnte dieses "wilde, umkämpfte Nordderby" (Werder-Coach Ole Werner) in der Endabrechnung mehr wert sein als drei Punkte.

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