Hamburger SV:Turbulenzen vor den Wahlen

HSV: Ex-Präsident und Spieler Marcell Jansen

Nach dem Rücktritt ist vor der Kandidatur: Der ehemalige Nationalspieler Marcell Jansen will mit neuem Team abermals Präsident des HSV werden.

(Foto: Axel Heimken/dpa)

Der HSV-Beirat lässt nur das Kandidatenteam um Marcell Jansen für die anstehenden Abstimmungen zu, eine zweite Bewerbung lehnt er ab - und erntet dafür massive Kritik. Am Ende könnte der Zweitligist ohne Präsident dastehen.

Von Thomas Hürner, Hamburg

Mit dem Hamburger SV könnte sich theoretisch ein breites Spektrum an Berufsgruppen befassen: Historiker hätten einiges zu tun, wenn sie in der glorreichen Vergangenheit des einstigen Europapokalsiegers wühlten, Sportpsychologen könnten sich mit dem wiederholt grotesken Scheitern bei der anvisierten Rückkehr in die erste Liga auseinandersetzen - und auch Satiriker hatten in den vergangenen Jahren ihre helle Freude an diesem Fußballklub, der ihnen die Pointen einfach selbst schreibt. Aber der HSV, ein Fall für Politologen? Das ist neu.

In Fankreisen, Internetforen und in den sozialen Netzwerken werden dem HSV gerade undemokratische Verhältnisse attestiert, der Tenor ist eindeutig: Da kann man die Präsidentschaftswahlen ja gleich in Belarus oder Myanmar abhalten, wenn das Ergebnis von vornherein feststeht und eine schlagkräftige Opposition verhindert wird.

Der Hintergrund: Der fünfköpfige Beirat, der laut Satzung die "Approved"-Stempel auf die eingehenden Kandidaturen für die Ämter im HSV-Präsidium verteilen muss, hat am Wochenende bekanntgegeben, dass die Bewerbung eines Teams um den ehemaligen Stürmer Marinus Bester abgelehnt wurde. Er wollte gemeinsam mit Edina Müller, im Jahr 2012 Paralympics-Siegerin im Rollstuhl-Basketball, und "Fridays for Future"-Aktivist Philipp Wenzel bei der Wahl am 7. August antreten. Verwunderung rief auch die Begründung hervor, die laut Hamburger Abendblatt maßgebend für die Entscheidung gewesen sein soll: Wenzel, immerhin studierter Volkswirt, wollte Schatzmeister des e. V. werden - nach Ansicht des HSV-Beirats mangelt es ihm aber offenbar an der erforderlichen Wirtschaftskompetenz.

"Der HSV-Beirat spannt einen Schutzschirm über Jansen", twitterte ein ehemaliges Beiratsmitglied

Für sich genommen ist dieser Vorgang gar nicht so unüblich: Der Beirat hat die Aufgabe, die Seriosität der Wahlveranstaltung zu gewährleisten, unter die ernst gemeinten Kandidaturen können sich schließlich auch Witzbewerbungen mischen - nach dem Dafürhalten einiger Beobachter handelt es sich jedoch um ein abgekartetes Spiel. "Der HSV-Beirat spannt einen Schutzschirm über Jansen", twitterte zum Beispiel der ehemalige Volleyballspieler Frank Mackerodt, der früher selbst im Beirat saß: "Unfassbar!"

Durch die Disqualifikation des Teams um Bester gibt es nun nur noch einen Kandidaten für das Präsidentenamt: Den ehemaligen Nationalspieler und HSV-Aufsichtsratsvorsitzenden Marcell Jansen, 35, der bis vor wenigen Monaten noch das Präsidentenamt bekleidet hatte, nach einem erbitterten Machtkampf aber gemeinsam mit seinen Präsidiumskollegen Thomas Schulz und Moritz Schaefer aus dem Gremium zurückgetreten war. Nun drängt Jansen mit einem neuen Team zurück an Spitze des Traditionsvereins: Zusammen mit ihm kandidieren der frühere Bankvorstand Michael Papenfuß und Bernd Wehmeyer, der in den 80er-Jahren mit dem HSV dreimal deutscher Meister wurde.

Das klingt alles erst einmal so, als sei die Rückkehr Jansens eine ausgemachte Sache. Aber ganz so einfach ist das nicht. Jansen benötigt eine einfache Mehrheit bei der Abstimmung unter den Mitgliedern, andernfalls könnte der HSV am Ende ohne Präsident dastehen. Kein ausgeschlossenes Szenario, da sich unter den Stimmberechtigten inzwischen Widerstand regt: In einer Stellungnahme vom Dienstag nannte der HSV Supporter Club, der einen beachtlichen Anteil an den insgesamt 85 000 Mitgliedern stellt, das Vorgehen des Beirats "undemokratisch", "intransparent" und "unwürdig". Derweil soll im Beirat geprüft werden, ob juristisch gegen Aussagen des abgelehnten Bewerbertrios vorgegangen wird, weil der "Fridays for Future"-Aktivist Philipp Wenzel seine Ablehnung als Kandidat unter anderem als "falsch", "bewusst irreführend" und "altersdiskriminierend" bezeichnet hatte. Der Beirat bestreitet diese Vorwürfe vehement.

Die Zweitliga-Mannschaft des HSV weilte unterdessen übrigens im Trainingslager in Bayern, wo am Mittwoch das zweite Testspiel der laufenden Vorbereitung absolviert wurde. Das Ergebnis: ein 2:2 gegen den FC Augsburg, nach einer über weite Strecken beachtlichen Leistung. Tags darauf ging es zurück in die Hansestadt, wo es zuletzt mal wieder etwas turbulenter zuging als im Quartier im beschaulichen Markt Grassau.

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